Weltweit einzigartig: Zwei 90-Jährige zeigen ihre rotgoldenen Schätze
Evelyn Kuhnke hat gerade ihren Mann Siegfried eingeholt und ist wie er 90 Jahre alt geworden. Was man den agilen Eheleuten keinesfalls ansieht, wenn sie von Energie sprühend Besucher durch ihr Kupfer-Museum führen.
Die beiden haben im Pähler Ortsteil Fischen das weltweit einzige Kupfermuseum als Stiftung gegründet. Es kommt ohne einen Cent staatlicher Unterstützung aus und zeigt über 1500 kunst- und kunsthistorisch bedeutsame Gebrauchsformen und Kunstgegenstände von der Frühgeschichte bis zur Gegenwart. Als ihn die Heimatzeitung nach seinem wertvollsten Exponat fragt, nimmt Siegfried Kuhnke beherzt seine Frau in den Arm und sagt „Hier!“ Die beiden haben sich 1952 in München kennen und lieben gelernt. Sie absolvierte in einem Modehaus am Liebfrauendom ihre Ausbildung, während der in Danzig geborene Siegfried Kuhnke mit hanseatischem Geschäftssinn seiner Leidenschaft für Kunst und Dekoration nachging. 1957 wurde geheiratet.
Der Weg in die Selbstständigkeit begann 1966, als sie in München-Nymphenburg ein Haus kauften, es renovierten und ein Geschäft für Kunst und Antiquitäten eröffneten. Siegfried Kuhnke hatte sich im Lauf der Zeit ein profundes Fachwissen angeeignet, sammelte und verkaufte mit Erfolg Gemälde, antike Skulpturen und Kunsthandwerk von der Gotik bis zum Jugendstil.
Die Hofmarkmühle saniert
Nach der Premiere mit einem eigenen Stand auf der Deutschen Kunst- und Antiquitätenmesse im Haus der Kunst war das Paar jahrzehntelang Aussteller auf Messen im In- und Ausland. Im Kunstblock neben dem Münchner Conti-Hotel führte es über zehn Jahre lang ein Ladengeschäft. Aufgrund seines umfangreichen Wissens über Metall- und speziell Kupferarbeiten wurde Siegfried Kuhnke Vereidigter Sachverständiger der Industrie- und Handelskammer (IHK) für München und Oberbayern im Fachgebiet „Unedle Metalle“.
Bei Ausflügen ins Umland verliebte sich das Paar in den Pfaffenwinkel. In Pähl kaufte es die renovierungsbedürftige Hofmarkmühle an der Kirchstraße, sanierte sie von Grund auf und betrieb dort ab 1994 das Geschäft mit der Kunst. In der Mühle eröffnete und verpachtete es zudem das Restaurant „Müllers Lust“ und dekorierte es im Bezug zur ehemaligen Mühle mit historischen Werkzeugen und Einbauten. Das gefiel auch Pähls Bürgermeister Simon Sörgel, der hier seine Hochzeit feierte.
Im Pähler Ortsteil Fischen entdeckten die Kuhnkes einen verfallenen Gutshof an der Herrschinger Straße. Sie erwarben ihn und machten daraus ein echtes Juwel. Nach der Gründung einer Stiftung eröffneten sie 2006 auf 700 Quadratmetern das weltweit einzige Museum für Kupferkunst, die sie jahrelang gesammelt hatten. Neben prähistorischen Fundstücken und prachtvollen sakralen Gegenständen aus dem späten Mittelalter zeigt die Privatsammlung mitteleuropäisches Gebrauchsgerät vom 17. bis zum 19. Jahrhundert. Wertvolle barocke Küchengerätschaften dokumentieren den arbeitsreichen Alltag in den Klosterküchen.
Küchenherd aus Schloss Possenhofen
Einmalig ist die umfangreiche Sammlung von Koch- und Backgeschirr aus Herrscherhäusern, verschiedenen Schlössern des Königshauses Hannover sowie aus der kaiserlich-königlichen Hofküche zu Wien, die neben der Familie des Kaisers täglich bis zu dreitausend Personen verköstigen musste. Die Besucher staunen über die rotgoldenen Artefakte wie Töpfe, Pfannen, Bräter, Schüsseln, Siebe, Trichter, Schöpfer, Kannen, Krüge, Eimer, Speisewärmer, Gugelhupf-Formen und vieles mehr.
Vor der Verschrottung gerettet haben die Kuhnkes den riesigen Küchenherd aus dem Schloss Possenhofen am Starnberger See, auf dem man der kleinen Sisi, der späteren Kaiserin von Österreich, ihren geliebten Kakao zubereitet hat. Nach diversen Besitzerwechseln des Schlosses landete der Herd irgendwann im gegenüber liegenden Gasthof Schauer, wo er nach der Schließung dahinrostete. „Gegen Abholung“ bekam ihn das Kupfermuseum. Aus dem eisernen Herdrahmen mit vier Meter langer umlaufender Messing㈠reling und einer Glasplatte wurde ein Tisch, auf dem jetzt Kupfer-Kochgeschirr aus Sisis Zeit präsentiert wird. Zwölf der Original-Backofentüren zieren die Backstein-Wand dahinter.
In all den Jahren war Evelyn Kuhnke eine große Stütze für ihren Mann und half ihm, seine Träume umzusetzen, wie Tochter Madlon von Kern betont. Die promovierte Kunsthistorikerin leitet das Museum und wird auf Wunsch der Eltern die Stiftung fortführen. Sie freut sich, wenn ihre rüstigen Eltern fast jeden Tag im Museum vorbeischauen. Vater Siegfried übernimmt oft spontan die Führungen und erklärt den Besuchern beispielsweise, warum nur noch relativ wenige Exemplare der früher üblichen Kupfergerätschaften existieren: Im ersten und Zweiten Weltkrieg hat man die Bevölkerung zur Herausgabe ihres Kupfergeschirrs gezwungen, um daraus Geschosshülsen herzustellen. Im Gegenzug erhielten die Einlieferer aus Eisenguss gefertigtes Kochgeschirr mit patriotischen Widmungen. Wie auf einer Pfanne von 1916: „Der deutschen Hausfrau Opfersinn gab Kupfer für das Eisen hin.“
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Ausstellungsfläche heuer erweitert
Was den meisten Besuchern in einer Vitrine im Eingangsbereich des Museums ins Auge sticht, ist eine Kupfermünze von 1923, dem Jahr der Hyperinflation. Das „Notgeld der Provinz Westfalen“ mit einem Nominalwert von „5 Millionen Mk“ wird heute von Sammlern nur noch mit einem zweistelligen Eurobetrag bewertet.
In diesem Jahr wurden die Ausstellungsräume um 200 Quadratmeter im Erdgeschoss erweitert. Im renovierten ehemaligen Rossstall erstrahlt jetzt historisches Küchengeschirr aus der Zeit der letzten beiden Könige von Hannover. Auch im Obergeschoss hat sich einiges getan. Die Kupferobjekte wurden neu arrangiert und mit originalem Gebrauchsgut aus Zinn, Messing und Bronze ergänzt. Das „Objekt des Monats November“ ist eine zusammenklappbare verzinnte Kupfer-Zeltlaterne aus dem Iran von Anfang des 19. Jahrhunderts. Es warf damals mystisch-romantische Schattenspiele an die Zeltwand der Nomaden irgendwo in der Wüste.
Museumsleiterin von Kern hat übrigens eine Idee für ein besonderes Geschenk zu Weihnachten, obwohl das Museum eigentlich Winterpause hat: eine exklusive Familien- oder Gruppenführung ab sechs Personen mit dem Bildband „Das rote Gold“ als Zugabe. Damit man in Zeiten von Mikrowelle und Thermomix über die aufwendige Speisenzubereitung von früher mal richtig staunen kann. Anmeldung über info@kupfermuseumfischen.de

