„Absoluter Herrscher“: Streit im Weißen Haus offenbart Trumps Taktik
Ein Gespräch zwischen Donald Trump und Wolodymyr Selenskyj ist vor laufenden Kameras eskaliert. Ein Experte erklärt, inwiefern das zu Trumps Taktik passt.
Die Eskalation des Gespräches zwischen dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und US-Präsident Donald Trump hat weltweit für Aufsehen gesorgt. Vielen stellt sich dabei die Frage: Warum legen Trump und seine Regierungsmitglieder ein Verhalten an den Tag, das aus europäischer Sicht derart unmöglich erscheint? „Donald Trump entspricht zu einhundert Prozent dem Typus des charismatischen Herrschers“, erklärt der Soziologe Dirk Kaesler BuzzFeed News Deutschland von IPPEN.MEDIA.
Die sogenannte charismatische Herrschaft ist ein Konzept des Soziologen Max Weber, das er im Jahr 1919 geprägt hat. Der US-Präsident verkörpere charismatische Herrschaft in Reinform, sagt Kaesler. Ein Merkmal der charismatischen Herrschaft sei, dass sein Führungsstil auf Loyalitäten und persönlichen Verbindungen basiere. Trump denke in Kategorien von Freunden und Feinden. „Er benötigt eine Entourage von Menschen, die ihm unterwürfig begegnen. Seine Herrschaft beruht auf der Hingabe seiner Anhänger und Gefolgsleute“, erklärt der Soziologe.
Soziologe: Trump verkörpere charismatische Herrschaft in Reinform
Ein Beispiel ist sein Vizepräsident J.D. Vance: 2016 hatte er Trump noch als „Idioten“ bezeichnet und ihn scharf kritisiert, „heute sitzt er auf Trumps Couch und spielt seinen persönlichen Kampfhund.“ Vance war Selenskyj beim Treffen im Weißen Haus besonders aggressiv angegangen. „Die Macht einer charismatischen Herrschaft funktioniert nur, wenn der Herrscher Menschen um sich versammelt, die ihm loyal ergeben sind“, sagt Kaesler.
Das Risiko einer charismatischen Herrschaft bestehe darin, dass das Charisma mit Misserfolg schwinde, und somit auch der Herrschaftsanspruch. Eine legale Herrschaft hingegen könne nur durch formale Mechanismen wie ein Misstrauensvotum beendet werden. Eine solche Herrschaftsform bestehe zum Beispiel aktuell in Deutschland. Olaf Scholz sei das Gegenteil von Trump: Scholz „verkörpert den modernen Staatsdiener – sachlich, rational, aber ohne jede charismatische Ausstrahlung.“
Experte: Trump hat im Gespräch mit Selenskyj „Machtposition demonstriert“
Donald Trump stehe momentan vor einem Problem, was Russlands Krieg gegen die Ukraine angeht: Er müsse seinen Wählern erklären, wieso er seine Versprechungen nicht einhalten könne. „Trump hatte angekündigt, den Ukraine-Krieg in 24 Stunden zu beenden, doch stattdessen zieht sich die Situation in die Länge“, sagt der Experte BuzzFeed News Deutschland. Beim Treffen mit Selenskyj habe Trump seine Machtposition unmissverständlich zur Schau gestellt. „So agiert nur ein absoluter Herrscher gegenüber Menschen, die er als untergeordnet betrachtet“, erklärt der Experte.

Ein charismatischer Herrscher müsse alles tun, um eine grundsätzliche Niederlage zu vermeiden. „Wenn er keinen Erfolg vorweisen kann, ist seine Herrschaft gefährdet. Aus diesem Grund versucht Trump nun, die Versprechen seines Wahlkampfs einzulösen“, sagt der Experte.
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Kaesler ist sich sicher: „Nichts an diesem Treffen war spontan. Noch nie hatte die Presse so lange Zugang zum Oval Office wie bei diesem Gespräch. Noch nie liefen die Kameras ‚zufällig‘ so lange mit.“ Und weiter: „Mit dem Besuch Selenskyjs wollte Trump demonstrieren: ‚Seht her, es liegt nicht an mir! Es liegt an diesem Mann, der nicht einmal einen Anzug trägt.‘“ Trump habe Selenskyj sogar beschuldigt, den Krieg mit Russland begonnen zu haben, um sich selbst als Held zu inszenieren, der die Situation löst. Dabei handelt es sich bei dem Krieg in der Ukraine um einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg.