Änderung bei Anbindehaltung: Für Kleinbetriebe „der Anfang vom Ende“

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Glückliche Kühe auf der Lerchkogel-Alm: Sehr viel freier Auslauf, ein anspruchsvolles Gelände und höchste Futterqualität lassen die Jungrinder dort zu sehr gesunden und robusten Tieren werden. © Bannier

Der Bundesrat positioniert sich an diesem Freitag zum Thema Anbindehaltung. Nicht nur die Almbauern sehen Probleme auf sich zukommen.

Bad Tölz-Wolfrashausen – Auf dem Bauerntag hatte Bundesagrarminister Cem Özdemir den Kabinettsentwurf zum Tierschutzgesetz noch als „faires Angebot“ an die Tierhalter bezeichnet. Doch nun will eine Mehrheit im Agrarausschuss der Länder die Daumenschrauben noch weiter anziehen. Sie fordert noch kürzere Übergangsfristen und drastische Verschärfungen für Rinderhalter mit Anbindehaltung. Schon an diesem Freitag will sich der Bundesrat dazu abschließend positionieren. Für viele Rinderhalter ist der Vorschlag der Länder, den Bayern nicht unterstützt, ein weiterer Schock. Denn gefordert wird eine Halbierung der zehnjährigen Übergangsfrist auf maximal fünf Jahre und auch eine Halbierung der Obergrenze auf 25 Rinder über sechs Monate. Außerdem muss demnach der Winterauslauf nicht nur zweimal pro Woche ermöglicht werden, sondern mindestens zwei Stunden pro Tag. An diese Empfehlungen der Länder sind Bundesregierung und Bundestag aber nicht gebunden.

Einschränkungen bei Anbindehaltung sind für Almwirtschaft Problem

Für die Almwirtschaft sind Einschränkungen bei der Anbindehaltung ein besonders großes Problem. Das sagte Almfachberaterin Susanne Krapfl vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Holzkirchen vor wenigen Tagen am Rande einer Exkursion auf die Lerchkogel-Alm im Vorkarwendel. Eine Obergrenze von 50 (oder sogar 25) Rindern sieht Krapfl auch deshalb als zu niedrig an, weil gerade die Almbauern sehr viel Nachzucht benötigen, um ihre Almen überhaupt bestoßen zu können. „Man darf die Betriebe, die sich die große zusätzliche Arbeit mit der Almwirtschaft weitab ihrer Höfe machen, nicht mit jenen Betrieben gleichsetzen, die eine ganzjährige Anbindehaltung betreiben“, betonte sie. Denn was die Almbauern leisteten, das sei „keine Anbindehaltung, sondern eine Sommerweide-Kombihaltung“.

Winterauslauf ist oft schwer umsetzbar

Dabei beweiden die Bergbauern bei dieser extensiven Form der Landwirtschaft ganz besonders sensible Grünflächen im Gebirge, die unbestritten einen extrem hohen ökologischen Wert haben und ohne Beweidung verloren gehen würden. Auch sieht Krapfl noch strengere Vorgaben für den Winterauslauf als schwer umsetzbar an, weil das für viele kleine Nebenerwerbslandwirte aufgrund ihrer anderweitigen Berufstätigkeit kaum machbar sei.

Alm sei für diese Tiere ein „Paradies auf Erden“

Für Bezirksalmbauer Stefan Heiß (Demmelbauer) aus Lenggries/Wegscheid, der seine Jungrinder von Juni bis Ende September auf der benachbarten Demmel-Alm hält, würde das neue Tierschutzgesetz für viele Kleinbetriebe den „Anfang vom Ende“ und somit auch eine Aufgabe der Milchviehhaltung bedeuten. Zudem sei auch der geforderte häufige Winterauslauf ein großes Problem: „Wo sollen sie denn laufen, wenn sich ihr Hof noch mitten im Dorf befindet und draußen viel Schnee liegt?“, fragt Heiß.

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Die Jungrinder der Almbauern würden im Durchschnitt drei Sommer lang auf die Weide kommen, bevor sie zum ersten Mal kalben. Das Leben auf der Alm sei für diese Tiere ein „Paradies auf Erden“. Das wüssten die erfahrenen Tiere und würden sich beim Umzug auf die Bergweide geradezu euphorisch verhalten. Sie würden in dieser alpinen Kulturlandwirtschaft „mehrere Monate lang ein Leben in größtmöglicher Freiheit genießen dürfen und haben dort eine extrem hohe Futterqualität“, betont der Bezirksalmbauer. Beides lasse sie auch zu „besonders stabilen, gesunden und robusten Tieren mit einer höheren Lebenserwartung“ werden. Die Umstellung auf die Laufstallhaltung wird nach Ansicht von Heiß „langfristig nicht vermeidbar sein“. Aber jetzt schon den Kleinbetrieben das Messer an die Gurgel zu setzen, sei Blödsinn. „Wie sollen die denn eine schnelle Umstellung stemmen?“ (Rainer Bannier)

Kreistag berät über Resolution

In seiner Sitzung am 22. Juli wird sich auch der Kreistag mit dem Thema Anbindehaltung befassen. Hintergrund ist ein Antrag von Stefan Fadinger (CSU). Der Kreisrat, Gaißacher Rathauschef und Bürgermeistersprecher im Landkreis bringt ihn auch im Namen all seiner Amtskollegen ein. „Alle Bürgermeister unseres Landkreises haben sich dafür ausgesprochen und tragen das Vorgehen mit, unseren Bauern mit dieser Resolution zur Hilfe zu kommen“, heißt es im Antrag. Die Resolution richtet sich gegen das Verbot der im Voralpenraum noch häufig praktizierten Kombihaltung. „Auch in unserem Landkreis sind viele kleine bäuerliche Familienbetriebe betroffen, und ein zweimal wöchentlicher Auslauf vor allem im Winter ist nicht umsetzbar.“ Ähnliche Resolutionen haben auch die Landkreise Garmisch-Partenkirchen und Weilheim-Schongau bereits auf den Weg gebracht. In dem dreiseitigen Schreiben an Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir werden Nachbesserungen im Referentenentwurf gefordert, aber auch Konsequenzen aufgezeigt, wenn man vom derzeitigen Weg nicht abrückt. Diese reichen vom Höfe㈠sterben bis zum Verlust von Biodiversität durch das Fehlen von Sommerweidehaltung.

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