Wirtshaus-Renovierung in 30 Tagen – die Wittmann-Brüder packen an
In nur 30 Tagen renovieren Julian, Thomas und Jonas Wittmann eine Gaststätte in Obergeislbach. Mit dabei ist ein Kamerateam vom BR.
Lengdorf– Wie lange braucht man, um eine Gaststätte zu eröffnen? Mit Umbau, Möbel- und Personalsuche mehrere Monate, würden viele spontan sagen. Die Wittmann-Brüder aus Lengdorf wollen all das in nur 30 Tagen schaffen. Julian, Thomas und Jonas Wittmann bauen gerade in Obergeislbach eine Haus um, in dem schon vor über 20 Jahren ein Restaurant war. Die Maßnahme wird von einem TV-Team begleitet und hat einen ernsten Hintergrund. Die Brüder wollen auf das Wirtshaussterben hinweisen und selbst erfahren, warum immer mehr Gasthäuser schließen.
Die Wittmanns verbindet man im Landkreis schon mit so manchem verrückten Projekt. 2018 fuhren Thomas (28) und Julian Wittmann (31) mit ihren Zündapps von ihrer Heimatgemeinde Lengdorf nach Las Vegas. Daraus entstand der Kinofilm „Ausgrissn“. Von Mitte Januar bis Mitte April waren die Beiden wieder unterwegs. In Indonesien drehten sie für einen neuen Kinofilm, die Doku „Gangerls Glück“ (Bericht folgt). Und kaum waren sie wieder zurück, startete auch schon das Projekt Wirtshaus mit Unterstützung ihres jüngeren Bruders Jonas (19).
Es ist das erste große gemeinsame Projekt der drei Brüder. Sie verstehen sich gut und haben alle eine kreative Ader. Julian ist Drehbuchautor und Kabarettist, lebt mit Frau und Kind in München. Thomas wohnt in Isen, arbeitet als Regisseur und Schauspieler. Und auch Jonas stand schon in Serien vor der Kamera. Im September startet der junge Lengdorfer seine Ausbildung zum Kaufmann für Marketingkommunikation.

Erfahrungen in der Gastronomie haben sie auch selbst gesammelt. Seit 2023 betreibt Julian mit seiner Partnerin Viktoria in München das Kunstcafé „Junger Peter“ als befristeten Pop-Up-Laden. Jonas hat bereits im Service mitgeholfen.
Auf dem Land ist den Brüdern aufgefallen, dass die Anzahl der Gaststätten immer weiter sinkt. Warum eigentlich? Und was kann man dagegen tun? Ein Freund schlug vor, dass die Wittmanns selbst ein Wirtshaus eröffnen und das filmen könnten. „Naiv wie wir sind, haben wir gesagt: Das machen wir“, erinnert sich Julian Wittmann lachend. Schnell gab es für die Idee auch eine Filmförderung und vom Bayerischen Rundfunk (BR) ein Filmteam.
Bei einer Zündapp-Tour durchs Isental sahen sich die Brüder nach leer stehenden Flächen um. Fündig wurden sie im Lengdorfer Ortsteil Obergeislbach. Gemäß Julians Informationen, wurde hier vor über 50 Jahren von der Dorfgemeinschaft ein Wirtshaus gebaut, weil vor allem die Schützen eine Unterkunft benötigten. Der Wirt wanderte jedoch irgendwann aus, danach war dort mal eine Pizzeria. Vor über 20 Jahren erfolgte dann die Umnutzung in Wohnraum.
Mit den Wittmann-Brüdern hat die Immobilie neue Pächter gefunden, die den ursprünglichen Zweck des Gebäudes wieder ins Leben rufen wollen. Für die Wieder-Inbetriebnahme haben sie sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: In nur 30 Tagen, also bis 29. Juni, soll alles fertig sein. Beim Besuch der Heimatzeitung ist gerade Halbzeit.
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Vor Ort herrscht Baustellen-Stimmung: Es ist laut und staubig, mittags gibt es Leberkäs und Pizza. Während sich die Eltern der drei jungen Männer anfangs wunderten („Was wollt ihr denn noch alles machen?“), sprach sich das Vorhaben in Obergeislbach herum. Heimische Handwerker helfen begeistert mit. In den ersten 15 Tagen ist schon einiges passiert. Der verwilderte Biergarten wurde von Gebüsch und Unkraut befreit. Zum Vorschein kam dort sogar ein verlassener Pkw. Drinnen wurden Wände herausgerissen, Türen und Fenster eingesetzt.
„Wir arbeiten an allen Ecken und Enden, und es kommen immer wieder neue Herausforderungen“, sagt Thomas Wittmann. Auch ein Fliesenleger, der sich auf einen Instagram-Aufruf meldete, war schon da. Und sogar aus Baden-Baden kam ein „Ausgrissn“-Fan, um zu helfen. Die Brüder sind sehr dankbar für die Unterstützung. Für den Umbau haben sie sich eigentlich nur ein Budget von etwa 7000 Euro vorgenommen. „Das wird wohl aber schon noch mehr“, vermutet Julian. „Ohne die Firmen und Helfer hier wäre es aber noch teurer“, ergänzt Thomas und lobt: „Der Dorfzusammenhalt ist schön.“
Immer dabei ist das Filmteam. Für die ARD-Mediathek entstehen eine mehrteilige Serie sowie eine Doku für die BR-Sendung „Unter unserem Himmel“, die voraussichtlich im September zu sehen ist.
Die positive Einstellung des Trios ist bemerkenswert. Zwei Wochen vor der Eröffnungsveranstaltung fehlt nämlich noch die komplette Einrichtung. Während des Interviews erhält Julian eine Nachricht aus Oberfranken. Eventuell erhalten sie aus Marktredwitz eine Spüle. Möbel, Eckbänke, Biertische, Beleuchtung, Geschirr – all das fehlt noch. „Wer also alte Möbel hat, die in ein Wirtshaus passen, kann sich gerne melden“, sagt Julian Wittmann.
Untereinander haben sich die drei Brüder die Aufgaben etwas aufgeteilt. „Handwerken ist nicht so unsere größte Stärke“, sagt Thomas lachend, „aber wir helfen natürlich immer mit“. Er und Jonas haben bei der IHK einen Gastwirte-Kurs belegt. Der Jüngste kümmert sich zudem um den Instagram-Kanal „wittmann_brueder“, während Julian fürs TV Gastwirte aus der Region interviewt.
Der Älteste macht sich außerdem Gedanken über die Zukunft der Gaststätte, denn selbst Wirt sein ist nicht Ziel ihres Projekts. „Wir wollen in den 30 Tagen alles so herrichten, dass dort wieder ein richtiges Wirtshaus aufmachen kann“, erklärt Julian Wittmann. Nun will er Möglichkeiten wie Vereinsgründung, Aktiengesellschaft oder Genossenschaft prüfen.
Wie schwierig das Thema Auflagen ist, haben die Wittmanns am eigenen Leib erfahren. Wenn man, wie in ihrem Fall, auch noch eine Umnutzung der Räumlichkeiten beantragen muss, seien Umbau und Eröffnung innerhalb von 30 Tagen nicht zu schaffen. Deswegen habe man den Eröffnungstag als Veranstaltung angemeldet, sagt Thomas Wittmann. Danach müsse man die langfristige Genehmigung abwarten.
Eröffnung
ist am Samstag, 29. Juni, um 10 Uhr mit einem Weißwurstfrühstück. Mittag werden in der Maurerstraße 5 ein vegetarisches und ein Fleisch-Gericht serviert. Später gibt es Kaffee und Kuchen sowie einen Auftritt vom Oimara.