„Eskalation der Tonlage“: Politiker kritisieren parteiübergreifend Asyl-Plakate im Raum Holzkirchen

  1. Startseite
  2. Lokales
  3. Holzkirchen
  4. Warngau

Kommentare

Scharf kritisiert: die Plakate der Asyl-Gegner. © TP

Als „geschmacklos“, „äußerst problematisch“ und „provokativ“ ordnen Politiker aus der Region die Plakate der Asyl-Gegner ein. Der Markt Holzkirchen hat Anzeige erstattet.

Warngau/Holzkirchen – Für die Botschaft hätte das Bild allein gereicht, doch die Gruppierung, die hinter den Bannern steht, wollte offenbar keinen Zweifel aufkommen lassen: „Nein zur Asyl-Massenunterkunft in Warngau/Holzkirchen“ steht in roten Lettern neben einem überfüllten Schiff, das durch ein zerberstendes Warngauer Ortsschild pflügt. An Bauzäunen montiert, ist diese Szene an vielen Staats- und Bundesstraßen im Landkreis-Norden zu sehen. Nach der Traktorrallye in Sachsenkam, wo sich Warngauer Asyl-Gegner mit schwarz angemalten Gesichtern und Schwimmflügeln einen zweifelhaften Auftritt ohne erkennbare Ironie geleistet hatten, finden Politiker vor Ort deutliche Worte zu den Plakaten.

Klaus Thurnhuber

Als unmittelbar betroffener Bürgermeister der Gemeinde Warngau ordnet Klaus Thurnhuber (FWG) auf Anfrage ein, die Bildsprache auf den Plakaten „schürt Angst“. Der Text „polarisiert“. Die Folge sei eine „schlechte Außenwirkung“, auch im Bezug auf den Tourismus. Eine Einordnung der Gruppierung lässt der Bürgermeister offen – ebenso wie die Frage, ob er die Plakate als Hetze bewerten würde. Eine Volksverhetzung im Sinne des Strafgesetzbuchs sieht er als „nicht einwandfrei gegeben“ an.

Christoph Schmid

Das sei juristisch zu bewerten, sagt auch Amtskollege Christoph Schmid (CSU). „Ich finde das Plakat persönlich aber eher geschmacklos“, so der Holzkirchner Bürgermeister. „Es spielt mit der Metapher von Menschen, die auf einer Fahrt durchs Meer ums Leben kommen.“ Weil auf den Plakaten kein Verantwortlicher im Sinne des Presserechts benannt ist und die Plakate gegen ihre Plakatierverordnung verstoßen, habe die Marktgemeinde Anzeige bei der Polizei erstattet. Ob privater oder öffentlicher Grund, spiele keine Rolle, sobald die Plakate in den öffentlichen Raum wirken, erklärt Schmid. Welchen Eindruck die Plakate dabei auf Holzkirchner mit Migrationshintergrund haben, darüber mache er sich Sorgen.

Olaf von Löwis

Wie Schmid kritisiert auch Landrat Olaf von Löwis (CSU) die Bildsprache, die „äußerst problematisch“ sei. „Sie verstärkt negative Assoziationen mit Migration und Asyl.“ Die Symbolik suggeriere eine Bedrohung und Überflutung, „die so nicht der Realität entspricht“. Ausdrücke wie „unkontrollierte Massenmigration“ seien stark verallgemeinernd und polarisierend. „Sie suggeriert eine Situation, in der Migrationsströme außer Kontrolle geraten sind und bedient damit Ängste und Vorurteile.“ Es sei entscheidend, dass alle Beteiligten ihre Anliegen auf respektvolle und konstruktive Weise äußern. „Es ist wichtig, dass wir als Gemeinschaft gemeinsam für eine offene und inklusive Gesellschaft eintreten und uns gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit engagieren.“

Karl Bär

Grünen-Bundestagsabgeordneter Karl Bär ergänzt: „Auf den Plakaten wird aus hilfsbedürftigen Menschen eine finstere Bedrohung mit zerstörerischer Kraft.“ Das sei falsch und dieses Narrativ gefährlich, weil es den Eindruck vermittle, man müsse sich wehren, anstatt zu helfen. Die Plakate würden eine faktisch falsche Geschichte erzählen, so Bär. „Hinter jeder und jedem, die übers Meer nach Europa fliehen, steckt ein Mensch mit einer fürchterlichen Geschichte, der Hilfe braucht.“ Containerdörfer seien dabei für alle besser als Turnhallen.

Alexander Radwan

Als „Eskalation der Tonlage“ wertet auch CSU-Bundestagsabgeordneter Alexander Radwan die Plakate. „Den Ton, in dem die Textpassagen verfasst sind, teile ich nicht.“ Er halte wenig davon, eine legitime Diskussion über ein Problem, das die Menschen bewegt, derart zuzuspitzen, so Radwan. „Wenn auf diese Weise formuliert wird, dann führt das nur dazu, dass nicht mehr über die Sache diskutiert wird.“

Ilse Aigner

Auch CSU-Landtagsabgeordnete Ilse Aigner sagt: „Ich befürchte, dass Darstellungen wie diese die differenzierte Diskussion zunehmend erschweren.“ Die Bildsprache empfinde sie als provokativ, „pauschale Formulierungen“ trügen wenig zur Lösungsfindung bei. „Allerdings sehe ich auch großen Handlungsbedarf bei der Regulierung der Zuwanderung insbesondere auf Bundes- und Europaebene.“ Sie spreche sich in aller Deutlichkeit gegen Hass und Hetze jeglicher Art aus, betont die Landtagspräsidentin. „Fakt ist aber auch, dass unsere liberale Demokratie von Meinungsfreiheit und -pluralismus lebt.“ Ob die Plakate bereits Hetze oder eine Volksverhetzung darstellen, will Aigner nicht bewerten. nap

Schnell am Siedepunkt war die Stimmung auch bei der Bürgerversammlung zur Asyl-Unterkunft. Dort schlugen dem Landrat Wut und Hohn entgegen.

Eine Auswahl aller wichtigen Geschichten aus Ihrer Region erhalten Sie in unserem kostenlosen Newsletter regelmäßig und direkt per Mail. Melden Sie sich hier an für Tegernsee, hier für Miesbach und hier für Holzkirchen.

Auch interessant

Kommentare