Kaum handlungsfähig, nach zwei Jahren gescheitert: Schweden zeigt Gefahren von Gegen-Rechts-Koalitionen
Für eine Mehrheitsregierung in Thüringen braucht die CDU das BSW. Das Beispiel Schweden zeigt indes laut Politikexperten: Erzwungene Koalitionen können fatale Folgen haben.
Erfurt – Nach den Landtagswahlen in Ostdeutschland ist vor den Koalitionsgesprächen. Die werden in Sachsen und erst recht in Thüringen kompliziert. In beiden Ländern hat die AfD Rekordgewinne eingefahren, ist in Thüringen jetzt stärkste Kraft im Landtag, und in Sachsen zweitstärkste. Und die Wagenknecht-Partei BSW zieht in beide Landtage ein, hat aus dem Stand Ergebnisse im zweistelligen Prozentbereich geholt.
Das stellt die etablierten Parteien vor eine harte Probe. Denn traditionelle Bündnismodelle sind vor allem in Thüringen damit nicht möglich. CDU-Chef Mario Voigt, der sich anschickt, Ministerpräsident zu werden, hatte im Vorfeld betont, dass er stabile Verhältnisse will. Für eine Mehrheitsregierung braucht er neben der SPD das BSW – eine Koalition mit der Linken schließt die Thüringen-CDU kategorisch aus.
Wahl in Sachsen und Thüringen: Wagenknecht-Partei BSW ist bei Koalitionsfragen die Katze im Sack
Die Wagenknecht-Partei ist allerdings eine Katze im Sack, das Programm ist zwar unklar, im Grundsatz gibt es aber deutliche Unterschiede zum CDU-Selbstverständnis. Eine solche Koalition könnte arg ruckeln, sagt der Politologe Lukas Stötzer von der Uni Witten-Herdecke.
Welche Folgen das haben kann, zeige die Regierung in Schweden. „Dort hat man gesehen, dass eine erzwungene, aber nicht gut funktionierende Regierung, die um jeden Preis rechte Einflüsse verhindern soll, auch Risiken birgt“, so Stötzer. Dort hatte sich 2019 nach monatelangen Verhandlungen eine rot-grüne Koalition herauskristallisiert, die als kaum handlungsfähig halt und nach zwei Jahren scheiterte.
Beispiel Schweden: Politik ist mit den Rechtsnationalisten „sehr viel restriktiver“
Den rechtsextremen Schwedendemokraten, deren Einflussnahme man um jeden Preis hatte verhindern wollen, gingen 2022 dann als zweitstärkste Kraft aus den Wahlen hervor und sind seitdem Unterstützer einer konservativ-liberalen Minderheitsregierung. Heißt: Sie haben jetzt Einfluss auf die Regierung. Das ist bereits spürbar: „Man sieht in Schweden, dass die Politik sich verändert, wenn Rechtsnationalisten zumindest mehr indirekte Macht ausüben“, sagte Nordeuropakenner Tobias Etzold vom Norwegian Institute of International Affairs (Nupi) in Oslo vor einigen Wochen im Gespräch mit IPPEN.MEDIA. „Die Politik ist insgesamt sehr viel restriktiver geworden, vor allem bei der Migrations- und Integrationspolitik. Die Klimapolitik ist zuletzt hingegen ziemlich vernachlässigt worden, Schweden wird seine Klimaziele bis 2030 verfehlen“, so Etzold.
Auch in den ostdeutschen Bundesländern könnten Koalitionen zwischen Parteien, die programmatisch nur bedingt zusammenpassen, den Rechtsextremen Aufwind geben, glaubt Politologe Lukas Stötzer: „Bei vielen Themengebieten sehe ich nicht, dass CDU und BSW übereinkommen können.“ Es gebe stark unterschiedliche Ansichten, etwa wenn es um die Frage geht, welche Kompetenzen der Staat hat, wie sehr er eingreifend einwirken soll oder eben nicht.
Koalition mit BSW in Thüringen: Wagenknecht wird sich immer wieder einmischen
Zudem gilt es als durchaus wahrscheinlich, dass sich Namensgeberin Sahra Wagenknecht immer wieder ins Landesgeschehen einmischen wird. Schon im Vorfeld der Wahlen machte sie deutlich, dass sie sich in potenzielle Koalitionsgespräche einbringen möchte. Thüringens CDU-Chef Mario Voigt indes sagte immer wieder klar, dass Gespräche für ihn nur ohne Wagenknecht denkbar seien. Keine guten Vorzeichen, glaubt Stötzer: „Eine Koalition, die sich nicht einig ist und keine gemeinsamen Projekte durchbringt, ist für eine starke Opposition wie die AfD in Thüringen klar von Vorteil.“
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Minderheitenregierung wie in Sachsen-Anhalt als Alternative
Eine gangbare Alternative wäre eine Minderheitenregierung, so der Experte: „Alle demokratischen Parteien würden dann zum Beispiel im Fall von Thüringen eine CDU-Regierung unterstützen. Auf Landesebene gibt es dafür eine gewisse Tradition. In Sachsen-Anhalt etwa hat das schon einmal gut funktioniert.“ Von 1994 bis 2002 hatte die SPD in dem Bundesland im sogenannten Magdeburger Modell unter Duldung der PDS regiert. „Eine Minderheitenregierung mit einer klaren Ausrichtung kann vorteilhafter sein als eine erzwungene Mehrheitsregierung, die nicht stabil ist“, sagt Stötzer.
Wie schadhaft instabile Koalitionen sein können, sehe man in der Ampel-Regierung im Bund, die seit ihrem Start tief zerstritten ist. „Thüringen und Sachsen sind auch ein Labor für den Bund“, so Stötzer – womöglich ließe sich testen, wie gut eine Minderheitenregierung tatsächlich funktionieren könne.