Klimawandel verändert Polarregion - und die Sicherheitslage an der Nato-Nordflanke
Klimawandel verändert Polarregion - und die Sicherheitslage an der Nato-Nordflanke
Russland baut Militärbasen in der Arktis, China erhöht seine Präsenz am Nordpol. Die Nato ist unter Zugzwang, sagen Experten – Schuld ist der Klimawandel.
Oslo – Das vermeintlich ewige Eis ist am Ende wohl doch vergänglich. Diese Erkenntnis wird immer offenkundiger, das Eis an den Polen schmilzt als Folge des Klimawandels. Was paradox klingen mag: Dadurch interessieren sich immer mehr Staaten für die Arktis – auch und vor allem militärisch. Wissenschaftler aus Norwegen wollen jetzt in einer von den USA gesteuerten Studie ergründen, welche neuen Bedingungen für militärische Aktivitäten am Nordpol herrschen. Russland hat dort nämlich schon längst neue Militärbasen errichtet – was die Sicherheitslage an der Nato-Nordflanke verändert.
Klimawandel verändert Sicherheitssituation an Nato-Nordgrenze zu Russland
Tobias Etzold vom Norwegian Institute of International Affairs (Nupi) ist federführend bei dem multinationalen Forschungsprojekt namens Climarcsec. Das Akronym steht für „Climate Change, Arctic security and Future Operations“ (Klimawandel, Sicherheit in der Arktis und künftige Operationen). Militär-Vertreter und Forscherinnen und Forscher aus Deutschland, Kanada, Schweden, Finnland und weiteren Ländern wirken daran mit. „Dabei geht es vor allem um sicherheitspolitische und militärische Fragen“, erklärt Etzold. Aber auch um wirtschaftliche Erwägungen, die damit zusammenhängen. „Es gibt einen Rückgang des Eispanzers sowohl an Land als auch im Meer, bedingt durch den Klimawandel. Das sorgt für ganz andere wirtschaftliche Voraussetzungen in dem Gebiet“, so Etzold.

China baut Präsenz in der Arktis aus
So werden manche Ressourcen wie Öl, Gas oder Seltene Erden, die Hunderttausende von Jahren unter dem Eis verborgen waren, jetzt erst zugänglich. Das könnte die Arktis zu einem potenziell hochinteressanten Industrieraum der Zukunft machen. So baut etwa China seit Jahren eine Präsenz in den Nordpolargebieten auf, um sich Zugänge zu den Mineralvorkommen und neuen Schifffahrtswegen zu sichern.
Russland errichtet Militärbasen in der Arktis: Nato unter Zugzwang
Westliche Staaten wollen da nicht ins Hintertreffen geraten – zumal Russland bereits Tatsachen schafft. „Russland ist schon seit Jahren in der Arktis militärisch aktiv, hat Stützpunkte aus dem Kalten Krieg wiederbelebt.“ Auch werden neue Basen gebaut, das Land will Präsenz zeigen und Claims abstecken. Ein weiterer Punkt: Die Eisregion galt immer als natürlicher Schutzwall zwischen Russland und den Nato-Staaten – für beide Seiten. Doch weil das Eis schmilzt, gibt es neue potenzielle Routen für Streitkräfte.
„Der Klimawandel hat auch Einfluss auf die militärischen Möglichkeiten sowie Herausforderungen in der Polarregion“, sagt Tobias Etzold. Deshalb habe die Arktis an strategischer Bedeutung deutlich gewonnen. „Die westlichen Staaten wie die USA und Kanada hatten das lange nicht auf dem Schirm. Jetzt sind sie aber unter Zugzwang.“
Sicherheitslage durch Ukraine-Krieg deutlich verschlechtert
Zumal die Sicherheitslage an der Nato-Nordflanke deutlich schwieriger geworden ist, wie Verteidigungsexperte Robin Allers von der Hochschule für Verteidigung (FHS) zuletzt gegenüber IPPEN.MEDIA erklärt hatte. Denn die Nato-Staaten und damit auch Bündnispartner Norwegen stehen seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine vor ganz neuen Herausforderungen. „Die direkte Bedrohung an der Grenze ist nicht unbedingt größer geworden. Aber die gesamte Sicherheitssituation hat sich verschlechtert“, so Allers. Das habe Auswirkungen auf die Gebiete, für die Norwegen als Nato-Land eine besondere Verantwortung trage. „Immerhin ist der Norden Norwegens als nördliche Grenze der Nato am nächsten an den nuklearen Kapazitäten Russlands auf der Kola-Halbinsel.“

Auch deshalb hat Norwegens Militär seine Aktivitäten seit Beginn des Ukraine-Kriegs deutlich erhöht. Zuletzt haben die Norweger immer wieder russische Bewegungen im Meer an der russisch-norwegischen Grenze beobachtet, U-Boote und auch Drohnen gesichtet. „Von einer akuten militärischen Bedrohung kann man noch nicht unbedingt sprechen, aber man will gerüstet sein für den Fall, dass es eben doch zu einem militärischen Konflikt kommt“, so Tobias Etzold vom norwegischen Thintank Nupi. (pen)