Schongauer gibt Landwirtschaft auf – Traditionshof bleibt dank neuem Pächter erhalten
Wieder einer weniger: Zum Jahreswechsel hat Markus Wühr seine Landwirtschaft offiziell aufgegeben. Die gute Nachricht: Ein anderer Schongauer Landwirt hat sie übernommen.
Schongau - Wie lange es die Landwirtschaft in der Lechvorstadt bereits gibt, lässt sich nicht mehr genau datieren. Das Wohnhaus des Hofs, in dem heute 21 Wohnungen und der Veranstaltungsraum „Gerbersaal“ untergebracht sind, wurde im Jahr 1724 von der Familie Weinmüller, ihres Zeichens Rotgerber, erbaut. 1839 wechselte der Besitz zu Zachäus Wiedemann, dessen Sohn Johann 1886 auch eine Dreschtenne ins Kataster eintragen ließ.
Im Jahr 1918 wechselte der Besitzer erneut: Das Anwesen war ab dieser Zeit Gutshof der Haindl‘schen Papierfabriken. Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs verwaltete Kommerzienrat Anton Holzhey das Gehöft, bevor Anton Loderer als Verwalter eingesetzt wurde. Ihm folgte, 16 Jahre später Josef Wühr – der Vater von Markus Wühr.

„War Landwirt mit Leib und Seele“ - Von Kindesbeinen an auf Bauernhof geholfen
Von Kindesbeinen an half Markus Wühr auf dem Bauernhof mit, erlernte den Beruf des Landwirts und pachtete im Jahr 1992 zusammen mit seinem Vater den Hof als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Seit 1999 war er dann alleiniger Pächter des „Haindl´schen Fabrikguts“. Daran änderte sich auch nichts mit der Übernahme des Haindl-Werks durch die finnische UPM-Kymmene-Gruppe im Jahr 2001. Denn das Fabrikgut ging in den Privatbesitz von Ehrenbürger Fritz Holzhey über, der die Landwirtschaft weiterbetrieb. Mit Wühr als Pächter.
„Ich war Landwirt mit Leib und Seele“, blickt Markus Wühr zurück. „Sonst hätte ich auch nicht so lange durchgehalten.“ Denn Durchhaltevermögen brauchte er auch, als im Jahr 2013 ein verheerender Großbrand den Stall verwüstete. Drei Jahre dauerte der Wiederaufbau, der aber nicht mehr in der Lechvorstadt, sondern in der Staffelau entstand.
Während dieser Zeit stellte Wühr zudem auf einen Bio-Betrieb mit Heumilch um. Noch eine Herausforderung. Auch eine bürokratische. „Die Arbeitsbelastung wurde immer höher. Und ich war mit meiner Frau Johanna quasi alleine für alles verantwortlich“, sagt er.
Nach elf Jahren zum ersten Mal Urlaub
Ein Nachfolger aus der eigenen Familie war nicht in Sicht, da alle drei Kinder andere berufliche Wege eingeschlagen hatten. So reifte in Wühr der Entschluss, den Beruf des Landwirts aufzugeben. „Im August 2023 waren Johanna und ich für drei Tage im Urlaub am Bodensee. Das erste Mal nach elf Jahren. Da fiel meine innere Entscheidung.“
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Sieben Tage die Woche zu jeder Zeit einsatzbereit zu sein, zu spät zum Heiligabend mit der Familie zu kommen, „weil eine Kuh kälbert“, und sich „nebenbei“ noch mit der immer mehr werdenden Bürokratie rumzuschlagen – das wollte er nicht mehr. Vor einem Jahr teilte er seinen Entschluss Besitzer Fritz Holzhey mit.
„Natürlich haben Sorgen die Entscheidung begleitet: Bekomme ich mit 58 Jahren noch einen anderen Job? Denn im Rentenalter bin ich ja noch nicht. Und wer übernimmt meine Kühe?“, waren die Fragen, die er sich stellte. Denn das war für ihn klar: Seine Kühe sollten zusammenbleiben.
Vom Landwirt zum Haustechniker
In beiden Fällen war Markus Wühr das Glück hold: Er bekam einen Job als Haustechniker bei der Peitinger Firma „ept“, seine Frau Johanna eine Stelle bei der städtischen Forstverwaltung. Und seine Kühe wurden von einem Landwirt aus Reichling übernommen. Am 15. Oktober vergangenen Jahres wurden sie abgeholt.
„Am Wochenende davor haben wir noch alle Tiere fotografiert. Und der Abtransport war dann gar nicht so schlimm, wie wir befürchtet haben“, erzählt Wühr. Auch wenn er bis heute ab und zu von ihnen träumt.
Hat er es bereut, die Landwirtschaft aufgegeben zu haben? „Nein“, ist seine klare Antwort. Ihm gefällt seine neue Aufgabe. „Sie ist abwechslungsreich und oft nicht planbar, genau wie vorher“, sagt er und lacht. Und nicht zu vernachlässigen sei natürlich auch die gewonnene Freizeit: „Das war heuer das erste Mal, dass ich mit meiner Frau zu einem Krimi-Dinner gehen konnte.“ Und rechtzeitig zum Inthroball, bei dem sein Sohn Michael zum Faschingsprinzen gekrönt wurde.
Pacht-Nachfolger schnell gefunden
Die Sorge um die Pacht-Nachfolge des Hofs hat sich ebenfalls schnell in Luft aufgelöst: Michael Bader, Wührs Nachbar in der Lechvorstadt, trug sich schon seit zehn Jahren mit dem Gedanken, seine Landwirtschaft zu erweitern. Aussiedeln, wie es korrekt heißt. Denn der Platz an seinem Hof in der Perlachstraße, dem alten „Henkershaus“, ist begrenzt.

Da kam das Angebot von Fritz Holzhey, die Stallungen und landwirtschaftliche Flächen von Wühr zu übernehmen, gerade recht. „Das hat sich gut getroffen, da wir jetzt endlich die Anbindehaltung aufgeben können“, freut sich Bader. Der Stall in der Staffelau ist bereits ein Laufstall, der im „alten“ Hof wird zu einem umgebaut, sobald das Jungvieh auf der Weide ist.
Rund 80 Milchkühe, Kälber und Jungvieh gehören dann zum Bader-Hof sowie knapp 100 Hektar landwirtschaftliche Fläche. Wie schafft er das? „Die Bezeichnung Familienbetrieb wird bei uns großgeschrieben“, sagt Tochter Anna und lacht. Denn sowohl die Eltern Michael und Ursula, als auch alle vier Kinder helfen tatkräftig mit.
Ganze Familie packt auf Bauernhof mit an
Helena, Anna und Benedikt gehen zwar hauptberuflich andere Wege, aber sie leben noch zu Hause beziehungsweise „in Rufweite“. Und der 24-jährige Ferdinand tritt in die Fußstapfen seines Vaters: Er hat seit vergangenem Jahr seinen Landwirtschafts-Meisterbrief und wird den Hof irgendwann übernehmen. Nachfolge gesichert. Und das bereits in vierter Generation. Seit 1927 betreiben die Baders die Landwirtschaft in der Lechvorstadt.
Zwei Fahrsilos haben sie bereits im „Aussiedler-Hof“ neu gebaut, neue Außenliegeboxen für die Milchkühe folgen im Frühjahr. Die haben sich bereits gut eingewöhnt und genießen den „Wellnessbereich“ im Laufstall.
Und auch alle fleißigen Helfer der Familie Bader freuen sich über den Umzug in den modernen Stall. „Die Stallarbeit ist lange nicht mehr so anstrengend wie davor. Danach ist man nicht mehr komplett platt“, sagen sie und lachen. Auch die Baders betreiben einen verifizierten Bio-Landwirtschaftsbetrieb, allerdings ohne Heumilch. „Wir sehen unsere Neustrukturierung als Investition in die Zukunft.“ Und diese gestaltet sich hoffentlich für eine der letzten fünf Landwirtschaften in Schongau rosig.