Habeck fordert Abschaffung der Einspeisevergütung – auch für bestehende Solar-Anlagen?

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Es klingt erstmal paradox, ist aber wahr: Deutschland hat zu viele Solaranlagen installiert. Die Netze werden aufgrund der starren Einspeisevergütung oft überlastet.

München – Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist in der Zeit der Ampel-Koalition so schnell vorangekommen, wie nie zuvor. Das hat auch mit dem russischen Angriffskrieg zu tun: Durch die Energiekrise haben viele Bürgerinnen und Bürger angefangen darüber nachzudenken, wie sie autarker werden können. Die Installation von Photovoltaikanlagen ist eine offenkundige Lösung.

Solarboom in Deutschland überlastet das Netz: EEG-Förderung setzt falsche Anreize

Der Ausbau ist aber nicht uneingeschränkt positiv. Denn die Stromnetze sind nicht so schnell ausgebaut worden, wie PV- und Windkraftanlagen installiert wurden. Die Folge: Immer wieder kommt es vor, dass Deutschland zu viel Strom produziert und die Netze überlastet werden. Das ist auch ärgerlich, denn den Strom könnte man gut zu anderen Zeiten gebrauchen – zum Beispiel während der gefürchteten Dunkelflauten.

Das Problem ist auch: Der Anreiz zum Einspeisen des selbst produzierten Stroms ist aktuell zu groß. Ursprünglich wurde die feste Einspeisevergütung für PV-Strom eingeführt, um die Installation einer Anlage attraktiv zu machen. Also: Wer eine PV-Anlage hat und den erzeugten Strom ins Netz einspeist, erhält einen festen Betrag – egal, wie viel der Strom wirklich wert ist. In den Jahren 2000 und 2001 gab es pro Kilowattstunde eingespeistem Strom 50,62 Cent – und das garantiert 20 Jahre lang. 2008 lag die EEG-Vergütung dann bei 46,75 Cent/kWh, ebenfalls 20 Jahre lang. Wer also damals eine PV-Anlage installierte, bekommt heute immer noch 46,75 Cent pro kWh Strom.

Einspeisevergütung wurde abgesenkt: Trotzdem zahlt der Steuerzahler Milliarden

Die Vergütung wurde schrittweise reduziert, heute gibt es nur noch 8,03 Cent pro kWh. Aber diese festen Fördersätze sind zum Problem geworden, wie eingangs erläutert. In den Zeiten, in denen es zu viel Strom im Netz gibt, speisen private PV-Anlagenbesitzer den Strom immer noch ein, da er ja weiterhin vergütet wird – obwohl der Strom aufgrund der großen Menge und der niedrigen Nachfrage so gut wie wertlos ist. 2024 hat das dazu geführt, dass der deutsche Staat 17,8 Milliarden Euro für die EEG-Förderung ausgegeben hat. Dieser Betrag wird in den kommenden Jahren weiter steigen, wenn nicht gegengesteuert wird.

Die Ampel-Koalition hatte noch vor ihrem Ende ein Gesetz vorgelegt, das vorgesehen hat, die Einspeisevergütung in Zeiten negativer Strompreise abzuschaffen. Statt des staatlich gesicherten Preises pro Kilowattstunde wollte man künftig nur noch der Bau neuer Anlagen bezuschussen. Die Vergütung des Stroms sollte somit vollständig über den Markt geregelt werden. Es sollten auch die Betreiber von kleineren Anlagen zur Direktvermarktung ihres Stroms verpflichtet werden. Mit dem Bruch der Ampel wurde das Gesetz aber nicht mehr beschlossen.

Untersuchungsausschuss zum Atomausstieg
Habeck beim U-Ausschuss zum Atom-Ausstieg (Archiv). © Kay Nietfeld/dpa

In einem Interview mit der Passauer Neuen Presse (PNP) hat Grünen-Kandidat und Wirtschaftsminister Robert Habeck nun wieder dafür plädiert, die EEG-Vergütung schnell zu beenden. „Wir brauchen eine bessere Vermarktungslösung. Wer Strom ständig in ein überlastetes Netz einspeist, erhält dann weniger Geld – das ist Marktwirtschaft.“ Er spricht sich dafür aus, die garantierten Preise zu senken, um den Anreiz zu vermehrtem Einspeichern von überschüssigem Strom zu erhöhen. Dieser könne dann in den Abendstunden genutzt werden. Er sagt nicht klar, ob er damit auch Bestandsanlagen meint.

Durch die Absenkung „überlegen sich viele, ihre Solaranlagen nicht nur nach Süden, sondern auch nach Osten und Westen auszurichten, um zu profitableren Zeiten Strom zu erzeugen“, erklärt Habeck weiter.

Habeck sticht gegen Bayern: Debatte um Strompreiszonen sorgt für Ärger

Im Interview mit der PNP konnte sich Habeck auch nicht den Seitenhieb in Richtung Bayern verkneifen. Denn 2025 will die Europäische Union darüber entscheiden, ob Deutschland in zwei Strompreiszonen aufgeteilt werden sollte, damit die Preise besser auf die tatsächliche Versorgung im Land abgestimmt sind. Das würde bedeuten: Im Norden und Osten, wo viel grüner Strom erzeugt wird, würde eine Strompreiszone mit niedrigeren Preisen sein, im Süden und Westen hingegen gäbe es höhere Preise, da dort weniger Erneuerbare installiert sind. Das bereitet Bayern große Sorgen – höhere Strompreise wären fatal für die heimische Wirtschaft.

„Bayern hat den Ausbau erneuerbarer Energien durch die 10H-Regel lange blockiert. Das rächt sich. Der Norden zahlt höhere Strompreise – aus Solidarität mit Bayern“, so Habeck zu diesem Thema. Er sagt auch, dass er sich für den Erhalt der einheitlichen Strompreiszone einsetzen würde. „Aber der Ärger im Norden ist natürlich da, wenn Bayern sich weiterhin der Verantwortung entzieht.“

Egal, wie die nächste Wahl ausgehen wird: Deutschland steht vor tiefgreifenden Veränderungen im Strommarkt. Die Abschaffung der EEG-Vergütung ist dabei sehr wahrscheinlich. Tut sie das nicht, steigt die Belastung für den Haushalt – also den Steuerzahler – weiter an. Das kann sich keine Bundesregierung leisten. Die große Frage wird aber lauten: Wird die Preisgarantie auch für bestehende Anlagen gebrochen?

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