Wolfratshauser Liste diskutiert über Straßennamen in Waldram

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An die Kardinäle Michael von Faulhaber (1869-1952) und Joseph Wendel (1901-1960) erinnert im Wolfratshauser Stadtteil Waldram jeweils eine Straße. Vor allem Faulhaber (links) ist seit geraumer aufgrund seiner unklaren Rolle im sogenannten Dritten Reich umstritten. © Montage/Sabine Hermsdorf-Hiss

Die Debatte um die Umbenennung von Straßen in Waldram geht weiter. Die Wolfratshauser Liste stellte das Thema in ihrem Sonntagsgespräch zur Diskussion.

Wolfratshausen – In seiner Julisitzung hatte der Stadtrat die Entscheidung über einen Antrag der SPD/FDP-Fraktionsgemeinschaft vertagt. Er sah vor, dass „Stadtarchivar Simon Kalleder die bisherigen Erkenntnisse und Untersuchungsergebnisse zur Verwicklung in den Missbrauchsskandal der katholischen Kirche und der Unterstützung des nationalsozialistischen Regimes in Deutschland der Kardinäle Wendel und Faulhaber“ zusammenstelle. Eine Umbenennung wurde in dem Antrag der Fraktionsgemeinschaft nicht gefordert – trotzdem keimt das Thema in Diskussionen immer wieder auf.

Stadträte warnen vor bürokratischem Aufwand

Stadtarchivar Kalleder konnte indes keine gesicherten Erkenntnisse zu Verfehlungen von Kardinal Michael von Faulhaber und Kardinal Joseph Wendel nachweisen (wir berichteten). Damit erscheint auch eine Umbenennung von zwei Waldramer Straßen unwahrscheinlich, zumal sie von den betroffenen Anwohnern nicht gewünscht wird.

Die Wolfratshauser Liste stellte das Thema dennoch in ihrem Sonntagsgespräch im Gasthof zur Post zur Diskussion. Der Ort erschien passend, liegt die Wirtschaft doch direkt an der Faulhaberstraße und die Einfahrt zur Kardinal-Wendel-Straße nur zwei Gehminuten davon entfernt. Die beiden Stadträte Dr. Manfred Fleischer und Richard Kugler gaben zunächst zu bedenken, dass eine Umbenennung für die Anwohner mit einigen bürokratischen und finanziellen Unannehmlichkeiten verbunden wäre. So müssten beispielsweise Führerschein, Personalausweis und Reisepass für sie neu ausgestellt werden. Dabei sei die Bewertung von historischen Quellen gerade bei Kardinal Faulhaber komplex. „Er hat in seinem Leben viel gesagt und geschrieben“, erklärte Fleischer. Die Auswertung von 30 000 Tagebuchseiten, die der Gründer des Spätberufenenseminars St. Matthias größtenteils in der nicht mehr gebräuchlichen Gabelsberger-Stenografie verfasst hatte, könne sich jedoch noch sehr viele Jahre hinziehen.

In Waldram stört sich kaum jemand an den Straßennamen: Da ist kein Leidensdruck und Änderungswille bei den Bürgern zu erkennen.

Verfehlungen ließen sich dabei – wenn überhaupt – nur ansatzweise erkennen. „Faulhaber war weder ein Nazi noch ein Pädophiler“, stellte Kugler klar. Ebenso wie bei Kardinal Joseph Wendel könne ihm allenfalls zur Last gelegt werden, dass er von sexuellem Missbrauch in kirchlichen Einrichtungen wusste und die Täter nicht mit der nötigen Strenge verfolgt habe. Kugler sprach von einer „überzogenen Debatte“, Fleischer gar von „Vergangenheitsstürmerei“. Zudem befürchten beide, dass nun auch andere Wolfratshauser Straßennamen infrage gestellt werden und ein großer Verwaltungsaufwand entstehe. „Was machen wir dann mit der Ludwig-Thoma-Straße?“, wollte Kugler wissen. Der bekannte bayerische Autor verfasste bekanntermaßen nicht nur Lausbubengeschichten, sondern auch antisemitische Hetzartikel im Miesbacher Anzeiger.

Faulhaber war weder ein Pädophiler noch ein Nazi.

Der in Waldram lebende Anwalt Christian Metzger wunderte sich ebenso über die Debatte. „In Waldram stört sich kaum jemand an den Straßennamen: Da ist kein Leidensdruck und Änderungswille bei den Bürgern zu erkennen“, stellte er fest. Fleischer gab ihm recht. „Die Bürger wurden vor dem Antrag nicht gefragt“, gab er zu bedenken. Im vergangenen Jahr hatte zumindest eine Waldramerin eine Umwidmung gefordert: Die Grünen-Stadträtin Assunta Tammelleo forderte öffentlich, den Namen Faulhaber von den Straßenschildern im Ortsteil zu verbannen.

Nach dem Weltkrieg gab es mehrere Namen

Allerdings räumte Hermann Paetzmann ein, dass es in der jungen Waldramer Geschichte schon viele sinnvolle Straßenumbenennungen gab. So wurde Beispiel der Adolf-Hitler-Platz nach dem Zweiten Weltkrieg zum Roosevelt-Square und dann erst zum Seminarplatz. Im Fall der beiden Kardinäle sei eine Änderung jedoch nicht notwendig.

ph

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