Verstoß gegen EU-Wahlrecht: Kommission verklagt Tschechien und Polen
Der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshof ist der Meinung, Polen und Tschechien verstoßen gegen das EU-Wahlrecht und unterstützt die EU-Kommission mit der Klage.
Luxemburg – Die EU-Kommission hat gegen Polen und Tschechien eine Vertragsverletzungsklage vor dem Gerichtshof der Europäischen Union eingereicht. Der Grund: Die Gesetze der beiden Länder erlauben es EU-Bürgern aus anderen Mitgliedsstaaten nicht, den nationalen Parteien beizutreten. Dies verstoße gegen das EU-Wahlrecht, zitierte die Nachrichtenagentur AFP den Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), Jean Richard de La Tour. Wann ein Urteil zu erwarten ist, blieb zunächst unklar.
Zum Hintergrund: Gesetze in beiden Ländern gestatten nur eigenen Staatsangehörigen das Recht, Mitglied einer politischen Partei zu werden. Die EU-Kommission sieht es jedoch als problematisch an, wenn Parteien Bürger anderer EU-Staaten ausschließen, da es das aktive Wahlrecht dieser EU-Bürger beeinträchtigt – also ihr Recht, selbst als Kandidaten an Wahlen teilzunehmen. Bei Kommunalwahlen und den Europawahlen sind inzwischen aber EU-weit alle EU-Bürger wahlberechtigt. Das Nachrichtenportal Euroactiv schreibt, nach Ansicht der Europäischen Kommission komme dies einer Diskriminierung auf Basis der Staatsangehörigkeit gleich.
EU-Wahlrecht: Kommission stellt bereits 2020 ein Schreiben aufgrund der Rechtsverletzung
Die Kommission leitete das aktuelle Vertragsverletzungsverfahren gegen Tschechien im Jahr 2012 und gegen Polen im Jahr 2013 ein. In ihren Antworten gaben beide Länder an, dass ihre nationalen Gesetze mit dem EU-Recht übereinstimmen würden. Zuletzt hatte die Kommission 2020 ein Schreiben zu diesem Thema an Prag gerichtet. Nachdem keine Gesetzesänderungen in dieser Angelegenheit angekündigt wurden, beschloss die Kommission nun, den Gerichtshof der Europäischen Union anzurufen.

Dort legte zunächst der Gutachter seine sogenannten Schlussanträge vor. Laut Medienberichten betonte der Gutachter, dass der Ausschluss der EU-Bürger aus anderen Ländern von einer Parteimitgliedschaft dazu führe, dass sie nur als unabhängige Kandidaten zu einer Wahl antreten könnten. Dies verringere ihre Chancen erheblich.
Möglicher Verstoß gegen EU-Wahlrecht: Tschechien wartet auf das Gerichtsurteil
Das Argument, die Mitgliedschaft von EU-Ausländern in politischen Parteien könne die „nationale Identität“ Polens oder Tschechiens beeinträchtigen, ließ der Gutachter nicht gelten. Das abschließende EuGH-Urteil wird nun in einigen Monaten erwartet. Dabei sind die Richter in Luxemburg nicht an die Schlussanträge gebunden. Laut der AFP würden sie ihnen aber in den allermeisten Fällen folgen.
Der Vertreter der Tschechischen Republik beim Europäischen Gerichtshof, Martin Smolek, erklärte am Donnerstag gegenüber der tschechischen Presseagentur (ČTK), Prag prüfe, wie es reagieren solle und dass es das Gerichtsurteil abwarten werde.
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In Polen dürfte das erneute Scharmützel mit der EU weiter für Unruhe sorgen. In Polen ist die politische Situation ohnehin seit mehreren Wochen angespannt aufgrund der andauernden Proteste gegen die Inhaftierung zweier prominenter PiS-Politiker. Die Europäische Kommission verklagte sowohl Polen als auch Tschechien vor dem Europäischen Gerichtshof auch für andere Rechtsverletzungen. So lautete der Vorwurf 2017 – die Länder würden mangelnde Bereitschaft zu Aufnahme von Flüchtlingen leisten. (afp/jek)