„Ich erzähle ihm immer noch alles“

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Die Ähnlichkeit ist verblüffend, aber auch das Talent hat David Dietl von seinem Vater geerbt. © fkn

Mit Serien wie „Kir Royal“ oder „Monaco France“ schuf der Münchner Filmemacher und Autor Helmut Dietl Fernsehperlen von unschätzbarem Wert. An diesem Samstag (22. Juni 2024) wäre er 80 Jahre alt geworden. Ein Geburtstag, den sein Sohn David – ebenfalls Regisseur – gern noch mit ihm gefeiert hätte.

Als „Der ganz normale Wahnsinn“ das erste Mal im Fernsehen gezeigt wurde, war er gerade erst geboren, bei der Premiere vom „Monaco Franze“ ein Kindergartenkind. Heute ist David Dietl 44 Jahre alt und geht neben den großen Fußstapfen seines berühmten Vaters Helmut Dietl seinen eigenen Weg als Filmemacher. Dass die Münchner Regielegende 2015 seinem Krebsleiden erlag, schmerzt immer noch. „Doch der Dialog mit ihm ist nie abgerissen“, sagt David Dietl im Gespräch mit unserer Zeitung.

Sie waren noch ganz klein, als Ihr Vater große Erfolge feierte. Wann haben Sie zum ersten Mal seine Arbeit bewusst wahrgenommen?

Das war bei den Dreharbeiten zu „Schtonk!“. Ich war zehn oder elf Jahre alt und durfte meinen Vater am Set im Trockendock in Hamburg besuchen, wo er gerade eine Szene mit Götz George drehte. Das war für mich sehr beeindruckend. Da habe ich zum ersten Mal verstanden, was mein Vater eigentlich macht. Fünf Jahre später habe ich dann schon in den Sommerferien bei „Rossini“ mein erstes Filmpraktikum in seinem Team absolviert – und seine ganzen Serien natürlich im Nachhinein geguckt.

Aus der Sicht des Filmemachers, der Sie heute sind: Welche seiner Arbeiten mögen Sie am liebsten?

Sowohl „Kir Royal“ als Serie als auch „Schtonk!“ als Film. Ich fand diese Schaffensphase meines Vaters sehr außergewöhnlich, weil er auf eine wirklich besondere Art und Weise Gesellschaftssatire mit Unterhaltung gepaart hat. Er konnte relevante Themen bissig, lustig, aber auch liebevoll erzählen. Das war eine Mischung, die es davor noch nicht gab.

Dabei hat er erschreckend genau hingeschaut...

Seine Genauigkeit und Akribie waren seine Stärke. Schon beim Drehbuchschreiben haben Patrick Süskind und er jedes Wort, jeden Buchstaben, jedes Komma umgedreht und exakt platziert. Deshalb war ihm auch so wichtig, wie etwas gesagt und betont wird. Gleichzeitig hatte er eine bedingungslose Liebe zu seinen Schauspielerinnen und Schauspielern. Die hat er auf Händen getragen – bei aller Strenge, die er an den Tag legen konnte.

Keine Schwächen?

Doch, immer dann, wenn er meinte, sein Ensemble gegen die Unruhe verteidigen zu müssen, die naturgemäß an so einem Filmset herrscht. Zu seinem Team konnte er recht barsch sein. Wenn jemand die Konzentration gestört hat, war er unerbittlich. Ich kannte diese Strenge im Privaten nicht von ihm.

Helmut Dietl kurz vor seinem 70. Geburtstag - neun Monate später starb er
Helmut Dietl kurz vor seinem 70. Geburtstag © BR

Welches emotionale Erbe hat er Ihnen hinterlassen?

Menschlich hat er mir die Liebe zum Leben mitgegeben. Das Bewusstsein, das Leben in vollen Zügen zu genießen. Er war ein großer Charmeur, unterhaltsam, aber auch immer beobachtend. Als Vater war ihm Ehrlichkeit wichtig. Er hat immer zu mir gesagt: Du kannst alles ausprobieren und machen, aber sei ehrlich und aufrichtig – zu anderen, aber auch zu dir selbst.

Sie haben früh selbst Regie geführt. Wie wichtig war Ihnen seine Meinung?

Die war mir total wichtig. Weil man als Kind ja eigentlich immer die eigenen Eltern stolz machen möchte. Mein Vater hat es sehr geschickt gemacht, sich nie aufgedrängt. Er sagte nur: Wenn du willst, zeig mir deine Arbeit, aber dann musst du auch damit umgehen können, dass ich dir meine Meinung sage. Das war durchaus hilfreich, aber auch schonungslos. In den letzten Jahren, in denen ich das Gefühl habe, als Regisseur gewachsen zu sein, finde ich es sehr schade, dass ich seine Meinung nicht mehr hören kann.

Tamara und Helmut Dietl beim Bayerischen Filmball
Seine Ehefrau Tamara begleitete Helmut Dietl bis zum Schluss. © dpa Picture-Alliance / Ursula Düren

Am Samstag wäre Ihr Vater 80 geworden. Geburtstage, das hat er im letzten Gespräch mit unserer Zeitung gesagt, mochte er nicht besonders, weil er als kleiner Bub so oft enttäuscht wurde. Wie hätte er diesen wohl gefeiert?

Am liebsten gar nicht. Zu seinem 70. haben wir uns noch im kleinsten Familienkreis in Elmau getroffen. Das war sehr schön und unaufgeregt – so, wie er es mochte. Ähnlich hätten wir wohl auch seinen 80. verbracht. Für mich war sein Geburtstag tatsächlich immer etwas kompliziert, weil meine Mutter am selben Tag geboren ist. Beide haben sich ja schon früh getrennt, und so war ich an diesem Tag immer hin- und hergerissen.

Was hätten Sie ihm denn noch gern geschenkt oder gesagt?

Er war schwer zu beschenken. Lange Jahre hat er von mir Sachen bekommen, die mit Film zu tun hatten. Das hat ihn – wie ich im Nachhinein erfahren habe – gar nicht interessiert. (Lacht.) Auch meine selbst gemachte Kunst, erst Bilder, dann Fotografien, ist in irgendwelchen Ecken verstaubt. Heute würde ich ihm wahrscheinlich eine neue Biografie schenken, weil er wahnsinnig gern gelesen hat und Biografien liebte. Und was ich ihm gern gesagt hätte? Erst heute morgen war ich auf dem Weg nach Bogenhausen auf dem Friedhof, wo ich ihn regelmäßig besuche. Es ist schön, diesen Ort zu haben. Weil ich ihm das, was ich ihm sagen will, immer noch erzähle. Der Dialog ist nie abgerissen.

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