GNTM-Star Marie Nasemann an der Bayerischen Staatsoper: Seifenoper im Nationaltheater

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Auf der Bühne im Nationaltheater: Marie Nasemann und Eidin Jalali in der ARD-Serie „For the Drama“. © ARD

Die ARD-Serie „For the Drama“ spielt in der Bayerischen Staatsoper. In der Hauptrolle ist Marie Nasemann zu sehen, die einst als Kandidatin bei „Germany‘s Next Topmodel“ mitmachte. Unsere Kritik:

Ist Oper wirklich so übertrieben und realitätsfern, wie Verächter dieser wunderbaren Kunstform gern behaupten? Oder sind manche der dort verhandelten Geschichten womöglich doch näher an unserem Leben, als wir auf den ersten Blick vermuten? Diese These stellt nämlich die Mini-Serie „For the Drama“ auf, die ARD Kultur gemeinsam mit der Bayerischen Staatsoper realisiert hat. Unter dem Motto „Real-Life-Fiction“ werden in diesem hippen Format dokumentarische Aufnahmen aus den Werkstätten und dem Theateralltag mit einem filmreifen Beziehungsdrama verwoben.

Die ARD drehte „For the Drama“ während der „Fledermaus“-Proben

Gedreht hat das Team um Regisseur Ingo J. Biermann dafür im Winter 2023 während den Proben zu Barrie Koskys turbulenter Neuinszenierung der „Fledermaus“. Wobei man neben den Protagonisten der Produktion wie Diana Damrau oder Georg Nigl auch zwei weiteren Menschen begegnet, die auf dem Besetzungszettel der Operette offiziell nicht gelistet waren.

Die Namen von Rosa und Gabriel erinnern da nicht gerade zufällig an die Hauptfiguren der Operette. Denn das von Marie Nasemann und Eidin Jalali verkörperte Pärchen darf in diesem Fernsehdreiteiler als fiktive Zweitbesetzung nicht nur den Stars über die Schulter schauen, sondern findet sich beim Rollenstudium plötzlich selbst in Liebesnöten. Just in dem Moment, als der glutenfreie Gabriel seiner Rosa einen Heiratsantrag machen will, hört er aus ihrer Garderobe ein verdächtiges Stöhnen. Und auch wenn die Affäre sich – getreu dem Theaterklischee – übers Fenster aus dem Staub gemacht hat, ist das Vertrauen gebrochen. Dass kurz darauf ein positiver Schwangerschaftstest ins Spiel kommt, macht die Sache natürlich nicht einfacher.

Germany?s next Topmodel - Finale
Maria Nasemann im Jahr 2009 im Finale von „Germany‘s Next Topmodel“. © Felix Heyder/dpa

Ziel der Macher war es, „die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschwimmen zu lassen“ und ein Format zu schaffen, das „Hochkultur emotional erfahrbar“ machen soll. Die Trennlinien im Endprodukt fallen aber doch relativ scharf aus. Obwohl Nasemann und Jalali die Ängste und Wünsche ihrer Figuren glaubwürdig vermitteln, erinnert das Umfeld nämlich oft eher an eine RTL-zwei-Soap. Auch weil die zum Teil von den Darstellerinnen und Darstellern improvisierten Dialoge nicht immer zünden wollen. Wenn etwa der von Wilson Gonzales Ochsenknecht verkörperte Pförtner der Frau seines Lebens anbietet, ihrer Karriere zuliebe die Kinderbetreuung zu übernehmen.

Am besten funktionieren überraschenderweise die Interviews mit dem realen „Fledermaus“-Team. Da philosophiert unter anderem GMD Vladimir Jurowski über die Figuren im Stück und leistet damit gleichzeitig seinen Beitrag zur Paartherapie von Rosa und Gabriel. Und auch Intendant Serge Dorny bekommt nach Axel Ranischs „Orphea in Love“ natürlich seinen zweiten Auftritt als Edelstatist.

Am Ende lässt einen dieses Experiment aber ein wenig ratlos zurück. Wenn man während der finalen Aussprache zwischen Rosa und Gabriel im Hintergrund den „Fledermaus“-Ohrwurm „Oh je, oh je, wie rührt mich dies“ vernimmt, könnte das eine augenzwinkernde Pointe sein. Doch was den Blick in die Zukunft der beiden angeht, lässt sich eher Barrie Kosky zitieren, der im Gespräch mit Gabriel zugibt: „Als Regisseur interessiert mich nicht, was passiert, nachdem der Vorhang unten ist.“ Was sich vor dem Schlussakkord abspielt, ist ab heute in der ARD-Mediathek zu sehen. Linear läuft „For the Drama“ am 29. Juni 2024 auf 3sat und am 7. Juli 2024 im BR Fernsehen.
Tobias Hell

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