Münchner Kammerspiele blicken in die Spielzeit 2024/25: „Wir bleiben sinnlich und politisch“

  1. Startseite
  2. Kultur

KommentareDrucken

„Wir wollen ein Ort für zeitgenössische Theaterkunst sein“, sagt Barbara Mundel. Gestern präsentierte die Intendantin die Pläne für ihre fünfte Spielzeit an den Münchner Kammerspielen. © Judith Buss Fotografie

Samuel Koch wechselt an die Münchner Kammerspiele; Michel Friedman erhält eine Gesprächsreihe: Intendantin Barbara Mundel hat ihre fünfte Spielzeit in München vorgestellt.

Den Preis für den albernsten Inszenierungstitel in der kommenden Spielzeit haben sich die Münchner Kammerspiele bereits heute gesichert. Die ungeschriebene Regel ignorierend, keine Witze über Namen zu machen, kündigt Intendantin Barbara Mundel die Uraufführung „Oh Schreck!“ für 24. Januar 2025 an: Die „Vampirkomödie“, geschrieben und eingerichtet von Jan-Christoph Gockel, sei inspiriert von Friedrich Wilhelm Murnaus Stummfilmklassiker „Nosferatu“ (1922) mit – oho! – Max Schreck in der Titelrolle. Die Biografie des Schauspielers, der von 1919 bis zu seinem Kino-Erfolg an den Kammerspielen auftrat, soll ebenfalls in die Arbeit einfließen. Dass in der Produktion indes mehr als ein Scherz stecken könnte, macht ein Satz klar, den Hausregisseur Gockel dann im eingespielten Video sagt: „Der Vampir ist die vielleicht menschlichste Figur in Murnaus Film.“

Die Münchner Kammerspiele eröffnen die „TamTam Treppenbar“

„Oh Schreck!“ ist eine von 16 Premieren, die Mundel jetzt im Werkraum ihres Theaters für die Saison 2024/25 vorgestellt hat. Und diese dritte Spielstätte, die kleinste Bühne des Hauses an der Maximilianstraße, soll von Herbst an in „neuem Licht“ erstrahlen. Unter der künstlerischen Leitung von Hannah Saar werden dann „Grenzen verwischt und Experimente gewagt“ – mit Gesprächen, Performances, Tanz, Musik und Literatur. Der Weg zum Werkraum (und retour) führt vom 18. September an durch die „TamTam Treppenbar“, die bietet, was sie im Namen trägt: Getränke und Stufen. Geöffnet hat sie mittwochs bis samstags von 21 Uhr an; hier endet und beginnt (oder umgekehrt?) der Münchner (Theater-)Abend.

Eröffnet wird die fünfte Spielzeit der Intendanz Mundel am 19. September mit der Uraufführung „Mia san Mia“ von Marco Layera. „Obwohl der Spruch bairisch ist, kommt er mir sehr vertraut vor“, berichtet der chilenische Regisseur, der bereits im Haus probt: „Nicht weil ich Fußball-Fan bin, sondern weil es mich an Aussagen erinnert, die ich von klein auf in meinem Land höre.“ Layera will sich in seiner Produktion mit dem „Bau von Identitäten“ beschäftigen.

Dies und die Frage nach der Herkunft ist Motor aller Inszenierungen, die zum Spielzeitstart auf dem Programmzettel stehen: So wird etwa der ukrainische Regisseur Stas Zhyrkov „Sie kam aus Mariupol“ für die Bühne adaptieren. Natascha Wodin erzählt in ihrem dicht gewebten, großartigen Roman die Geschichte ihrer Mutter, die als Zwangsarbeiterin nach Nazi-Deutschland kam (Premiere: 20. September).

Michel Friedman lädt zu einer eigenen Gesprächreihe

Ebenfalls eine persönliche Geschichte, die weit über das individuelle Schicksal hinausweist, ist der 2022 erschienene Text „Fremd“ von Michel Friedman (Lesen Sie hier unser Interview mit Michel Friedman). Der Publizist und Moderator spürt darin seiner Familiengeschichte und dem eigenen Aufwachsen im Land der Täter nach. Katharina Bach wird den Monolog auf der Bühne gestalten. Friedman selbst wird an den Kammerspielen regelmäßig zu einer Gesprächsreihe einladen, um mit „wichtigen politischen Köpfen der Gegenwart“ über aktuelle Fragen zu diskutieren. Zum Auftakt im September kommt Pianist Igor Levit.

Neu ins Ensemble der städtischen Bühne wechselt Samuel Koch, jener Schauspieler, der sich 2010 in der ZDF-Sendung „Wetten, dass..?“ schwer verletzte. Er habe „knapp 200 Pro-Argumente“ für den Umzug nach München, verrät der 36-Jährige sehr charmant: Neben der Isar und der schönen Architektur seien es die Menschen am Theater, die er bei seinen Gastauftritten in „Hungry Ghosts“ (nächste Vorstellung: 9. Juli) und „In Ordnung“ (wieder am 20. Juni) habe kennenlernen dürfen: „Die versuchen und wagen etwas – damit kann ich mich identifizieren.“ Letzteres gilt offenbar auch fürs Publikum der Kammerspiele. 60 Prozent Auslastung werde man am Ende der aktuellen Spielzeit erreichen, rechnet Mundel vor; 25 Prozent der Zuschauerinnen und Zuschauer seien jünger als 30. „Es wird langsam Zeit, dass wir nach vier Jahren endlich ankommen.“

Auch interessant

Kommentare