Streit um neue Flüge aus Afghanistan nach Deutschland: Minister Herrmann fordert sofortigen Stopp
Deutschland hat wieder 155 Afghanen eingeflogen. Die Noch-Regierung verweist auf bedrohte Ortskräfte. Die Union hält das für vorgeschoben. Afghanistan-Flüge ja, aber bitte in die Gegenrichtung.
Berlin – Der Flug landete zunächst weitgehend unbemerkt in Berlin: eine Chartermaschine, 155 Fluggäste, Abflugort Islamabad. Doch einige Stunden nach der Landung am Dienstagmorgen wurde der Fall zum Politikum.
Weil es einer jener Flüge ist, mit denen die Bundesregierung gegen hohen politischen Widerstand weitere Afghanen ins Land holt. Kurz vor der Wahl und im Umfeld des Münchner Anschlags war das Programm ausgesetzt worden, jetzt landen wieder Flieger.
Deutschland holt Afghanen ins Land: Laut Regierung fliegen Ex-Helfer der Bundeswehr ein
Im Kern geht es darum, jene Ortskräfte nach Deutschland zu holen, die der Bundeswehr in den Jahren des gescheiterten Afghanistan-Einsatzes vor allem in Kabul, Kunduz und Masar-e-Sharif halten: als Dolmetscher, Ratgeber, Vermittler. Mit der Niederlage des Westens und der Machtergreifung durch die islamistischen Taliban sind viele dieser Helfer wohl in Lebensgefahr.
Angeblich geht es um rund 48.000 bedrohte Personen, nahe Angehörige eingerechnet, von denen 36.000 schon eingereist sind. Doch auch diese Zahlen sind umstritten.
Zudem waren im Dienstags-Flieger wohl nur fünf ehemalige Ortskräfte, berichtete die Welt. Der Rest: 80 Frauen und 61 Minderjährige, Menschenrechts-Aktivisten, eine Polizistin, ehemalige Beamte und ein Journalist, die im pakistanischen Islamabad auf ihre Reise nach Berlin warteten.
Flug aus Afghanistan nach Deutschland: Nouripour wehrt sich gegen Kritik an Regierung
Jeder von ihnen hat Papiere und eine Aufnahmezusage, wurde angeblich auch sicherheitsüberprüft – aber mit dem Argument „Ortskräfte“ hat das nicht mehr viel zu tun. Es geht um andere Aufnahmeprogramme, die „Menschenrechtsliste“ und ein Überbrückungsprogramm.
Meine News
Für die politische Debatte ist das brisant. SPD und Grüne müssen sich gegen den Vorwurf verteidigen, vor der Wahl die Flüge gestoppt zu haben und jetzt noch schnell vor dem Regierungswechsel und der erwartbar härteren Unions-Linie möglichst viele Afghanen ins Land zu holen.
„Unanständig“ sei dieser Vorwurf, sagt der frühere Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour: „Wir reden über Leute, die der Bundeswehr geholfen haben, den Deutschen in Afghanistan unter widrigsten Umständen geholfen haben als Lokale und deshalb gefährdet sind.“ Die SPD argumentiert ähnlich.
Herrmann gegen Flüge aus Afghanistan: „Sind sofort einzustellen“
Der Druck auf die Bundesregierung ist hoch, denn die Bundesländer haben unmissverständlich ein Ende der Aufnahmeprogramme verlangt. „Freiwillige Bundes-Aufnahmeprogramme wie das für Afghanistan sind sofort einzustellen“, sagt Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) unserer Redaktion: „Dies bedeutet damit auch einen sofortigen Visa-Stopp für Afghanistan sowie die Absage der noch geplanten Charterflüge im Rahmen des Aufnahmeprogrammes.“

Spätestens eine neue Regierung werde die Programme stoppen. Herrmann sagt: „Ich habe schon vor zwei Jahren auf den Widerspruch hingewiesen, dass die Bundesinnenministerin damals bei diversen ,Migrationsgipfeln‘ gefordert hat, die Migration aus Afghanistan zu ,begrenzen‘, anschließend aber mit neuen Aufnahmeprogrammen genau das Gegenteil in die Tat umgesetzt hat.“
Kosten für Aufnahme von Afghanen: Geht es um dreistellige Millionensumme?
Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) spricht von einer „bemerkenswerten Unverfrorenheit“ der Bundesregierung, die Flüge vor der Wahl „medienwirksam zu stoppen“, um sie dann nach der Wahl sofort wieder stattfinden zu lassen. Den Vorwurf der Trickserei mit dem Wahltermin weist die Bundesregierung zurück, verweist vage auf Terminverschiebungen, die etwa wegen der Lage in Islamabad und Kapazitäten an pakistanischen und deutschen Flughäfen erfolgen könnten.
Irritationen gibt es auch über die Kosten. Das Bundesinnenministerium spricht von bisher rund 25 Millionen Euro für die Aufnahme von besonders gefährdeten Afghanen. Die Welt berichtet, es gehe längst um mehrere hundert Millionen Euro. (cd)