Wagenknecht will Ergebnis prüfen lassen: Drohen Neuwahlen? Das sagen Experten

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Weil offenbar viele Auslandsdeutsche bei der Bundestagswahl nicht abstimmen konnten, erwägt das knapp gescheiterte BSW eine Prüfung des Ergebnisses.

Berlin – Die letzte Auseinandersetzung zwischen Sahra Wagenknecht und dem Bundesverfassungsgericht ist noch nicht lang her. Kurz vor der Bundestagswahl wollte sich die BSW-Chefin in die Wahlsendung „Wahlarena“ klagen, scheiterte aber. Jetzt erwägt Wagenknecht den nächsten Gang nach Karlsruhe – wegen des hauchdünn verpassten Einzugs in den Bundestag. Kommt es tatsächlich zu einer Neuwahl?

Rund 13.400 Stimmen fehlten dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) am Ende der Auszählung. Mit 4,972 Prozent schrammte die Partei denkbar knapp am Einzug in den Bundestag vorbei. Grund genug für Wagenknecht, das Ergebnis anzuzweifeln. Die Vorsitzende kündigte am Montag (24. Februar) an, das Wahlergebnis prüfen zu lassen: Wenn eine Partei „aus dem Bundestag fliegt, weil ihr 13.400 Stimmen fehlen“, und es zugleich Hinweise darauf gebe, dass „in relevanter Zahl Menschen nicht teilnehmen konnten, stellt sich schon die Frage nach dem rechtlichen Bestand des Wahlergebnisses“, erklärte Wagenknecht in Berlin.

BSW erwägt, Wahlergebnis der Bundestagswahl überprüfen zu lassen

Die frühere Linken-Politikerin bezog sich mit ihrer Aussage auf Unstimmigkeiten bei der Stimmabgabe für Menschen im Ausland. Rund 230.000 Auslandsdeutsche – die Bundeswahlleiterin nannte als Zahl mehr als 210.000 – hätten sich zur Wahl registriert, von ihnen habe jedoch „offenbar nur ein Bruchteil“ teilnehmen können, führte Wagenknecht aus. Im Vorfeld der Bundestagswahl beklagten tatsächlich viele im Ausland lebende Deutsche, dass sie ihre Briefwahlunterlagen nicht oder zu spät bekommen hatten.

Nach der Bundestagswahl - Bundespressekonferenz.
Nach dem Scheitern bei der Bundestagswahl erwägt das BSW eine Prüfung des Wahlergebnisses. © Sören Stache/dpa

Aber reicht das aus, um eine Bundestagswahl zu kippen? Juristen sind da skeptisch. „Dass nicht wenige Stimmen der Auslandsdeutschen erst zu spät ankommen und nicht mitgezählt werden, ist ein schwerer Wahlfehler“, sagte Volker Boehme-Neßler, Professor für öffentliches Recht an der Universität Oldenburg, t-online.de. Entscheidend sei aber, ob der Fehler „mandatsrelevant“ sei - also die Sitzverteilung im Bundestag beeinflussen könnte.

Juristen sehen geringe Erfolgsaussichten für Wagenknecht-Partei

Das BSW müsste, wenn es den eigenen Kandidatinnen und Kandidaten verwehrt wurde, von den Auslandsdeutschen gewählt zu werden, innerhalb von zwei Monaten nach der Wahl Einspruch beim Wahlprüfungsausschuss des Deutschen Bundestages einlegen. Dort würde der Antrag geprüft. Ein Wahlfehler würde nur dann vorliegen, wenn erwiesen wäre, dass das BSW mit den Stimmen aus dem Ausland über die Fünf-Prozent-Marke gekommen wäre.

„Bei einem so knappen Wahlausgang ist die Möglichkeit eines mandatsrelevanten Wahlfehlers gegeben“, betonte Boehme-Neßler. Dass die Gültigkeit der Bundestagswahl gefährdet ist, glaubt Michael Brenner, der Mitglied des Bundeswahlausschusses ist, dennoch nicht. „Ein geltend gemachter Wahlfehler müsste auch mandatsrelevant sein. Das wird kaum nachweisbar sein“, sagte er ZDFheute.

Verfassungsrechtler: Wiederholung der Bundestagswahl „sehr unwahrscheinlich“

Auch Boehme-Neßler sieht wenig Chancen auf eine Wiederholung der Wahl. Das Verfassungsgericht versuche grundsätzlich, „Wahlfehler zu reparieren, anstatt eine Wahl komplett aufzuheben“, sagte er t-online.de. Denkbar sei, verspätete, aber rechtzeitig abgeschickte Stimmen nachträglich zu zählen. Er könnte sich vorstellen, dass das Gericht „so den Wahlfehler reparieren würde“.

„Für sehr unwahrscheinlich“ hält auch Hermann Heußner, Professor für Verfassungsrecht an der Hochschule Osnabrück, eine Wahlwiederholung - „wenn man davon ausgeht, dass die Partei auch bei den Auslandsdeutschen in etwa fünf Prozentpunkte holt“. Der Zeitung Welt sagte er weiter: „Das BSW müsste bei Auslandsdeutschen deutlich stärker abgeschnitten haben als im Inland, um auf die fehlenden Stimmen zu kommen - davon gehe ich nicht aus.“

Beschwerde gegen Wahlergebnis setzt langwierigen Prozess in Gang

Sollte sich das BSW zu einem Einspruch entschließen, setzte es einen langwierigen Prozess in Gang. Eine Entscheidung dürfte das Bundesverfassungsgericht frühestens 2026 fällen. Das Gericht werde abwägen, „ob es wert ist, das Land ins Chaos zu stürzen“, sagte Boehme-Neßler. Denn es lege sehr großen Wert auf einen stabilen, arbeitsfähigen Bundestag.

Angenommen, Union und SPD einigen sich auf eine Koalition, wäre das der Fall. Sollte das Bundesverfassungsgericht allerdings nachträglich eine Korrektur des Wahlergebnisses veranlassen, wäre die mögliche künftige Regierung plötzlich mit dem Umstand konfrontiert, keine Mehrheit zu haben. (mt/mit Material von afp)

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