Merz und die SPD: Bei diesen Punkten droht schon jetzt Koalitions-Krach

  1. Startseite
  2. Politik

Kommentare

Migration, Bürgergeld, Wirtschaftspolitik: Bevor es zu einer Koalition aus CDU/CSU und SPD kommt, müssen noch einige Punkte geklärt werden. Hier droht Ärger.

Nach der Bundestagswahl gibt es nur eine realistische Regierungsoption: Union und SPD. Weil die CDU/CSU ein Bündnis mit AfD und Linken ausschließt und eine Zweier- statt Dreierkoalition favorisiert, bleibt nur die Wiederauflage von Schwarz-Rot. Doch bis es zur sogenannten Großen Koalition kommt, müssen noch einige Punkte geklärt werden. „Union und SPD stehen sich in fast allen Politikbereichen eher konträr gegenüber“, sagt uns der Politikwissenschaftler Uwe Jun von der Universität Trier. „Es gibt mehr Trennendes als Gemeinsamkeiten.“ Bei diesen Punkten gibt es Stresspotential.

Bürgergeld-Streit nach Bundestagswahl? Begräbt die SPD ihr Herzensprojekt?

Wer Unionspolitiker im Wahlkampf nach den Bedingungen für eine Regierung gefragt hat, hörte immer auch ein Thema: Schluss mit dem Bürgergeld in der jetzigen Form. „Wir schaffen das sogenannte Bürgergeld ab“, heißt es im Wahlprogramm der CDU/CSU. Die Union will es durch eine „Neue Grundsicherung“ ersetzen, den Anspruch für Ukrainer stoppen und Leistungen generell streichen, „wenn jemand grundsätzlich nicht bereit ist, Arbeit anzunehmen“.

Die Ampel hatte das Bürgergeld in der vergangenen Legislatur eingeführt. Es war ein Herzensprojekt der SPD; federführend von Arbeitsminister Hubertus Heil, der auch nach der Bundestagswahl eine wichtige Rolle in der SPD einnehmen könnte und als Minister gehandelt wird. „Das Bürgergeld ist eine steuerfinanzierte Grundsicherung und kein bedingungsloses Grundeinkommen“, heißt es im Wahlprogramm der SPD. „An diesem Prinzip des Forderns halten wir fest.“

Bundestagswahl - Wahlparty SPD Hubertus Heil mit Boris Pistorius und Katja Mast
Reaktionen auf das SPD-Wahlergebnis: Auch Arbeitsminister Hubertus Heil (links) wirkte alles andere als zufrieden. © Kay Nietfeld/picture alliance

Allerdings scheint die SPD durchaus bereit, dem potenziellen Koalitionspartner hier entgegenzukommen. Sowohl Fraktionschef Rolf Mützenich als auch Kanzler Olaf Scholz haben im Wahlkampf erklärt, man könne bei den sogenannten Totalverweigerern sowie in Teilen auch bei Ukrainern, die das Bürgergeld missbrauchen, härter durchgreifen.

Nur: Sowohl Mützenich als auch Scholz verschwinden nach der Bundestagswahl aus der ersten SPD-Reihe. Inwiefern die SPD-Führung am Bürgergeld festhält, bleibt abzuwarten. Ganz abschaffen, wie Friedrich Merz, wird sie es wohl nicht wollen. Auch spricht sich die SPD für einen Mindestlohn von 15 Euro aus (aktuell liegt er bei 12,82 Euro). CDU und CSU wollen keinen „politischen Mindestlohn“ und orientieren sich hier an der Mindestlohnkommission, die aber wohl erst 2027 einen neuen Wert vorschlagen wird. Generell wollte Merz noch am Montag erste Gespräche mit der SPD-Spitze über eine Regierungsbildung führen. Bevor es zur Regierung kommt, müssen bei der SPD in der Regel auch die Mitglieder ihr Go geben.

69. Bundespresseball Friedrich Merz und Lars Klingbeil
Geht's bald ähnlich vertraut zu? Friedrich Merz und Lars Klingbeil, Parteichefs von CDU und SPD, hier auf dem Bundespresseball 2022. © Christoph Soeder/picture alliance (Archivfoto)

Migrationskurs nach der Bundestagswahl: Kommt die SPD der Union entgegen?

Auch in anderen Bereichen drohen Konflikte. So setzte die Union im Wahlkampf vor allem auf eine härtere Migrationspolitik, die mit dem linken Lager der SPD so nicht zu machen ist. Wie sehr man hier gesprächsbereit ist, hängt auch von der Aufarbeitung des Wahlergebnisses, dem schlechtesten aller Zeiten, ab.

Kommt man im Willy-Brandt-Haus zu der Erkenntnis, dass der SPD linke Aspekte im Wahlkampf gefehlt haben, wird es schwierig mit einem härteren Kurs in der Migrationspolitik. Immerhin hatte die SPD mehr als eine halbe Million Wähler in Richtung Linkspartei verloren. Aber: Noch mehr gingen zu AfD und Union. Weil sie eine strengere Asylpolitik wollen? Laut Nachwahlbefragungen war Migration das wichtigste Thema für die Menschen bei dieser Bundestagswahl.

Noch ist der Migrationskurs der SPD deutlich lockerer als der der Union. Die SPD stimmte geschlossen gegen Merz‘ Zustrombegrenzungsgesetz. Weil die Sozialdemokraten keine gemeinsame Abstimmung mit der AfD riskieren wollten – aber inhaltlich auch nicht in allen Punkten mitgingen. CDU und CSU wollen Asylbewerber an den deutschen Grenzen zurückweisen. Die SPD hält das für nicht vereinbar mit europäischem Recht und will, anders als die Union, obendrein am Familiennachzug festhalten.

Wirtschaftspolitik von Union und SPD: Ärger bei der Steuerfrage

In der Wirtschaftspolitik sind sich die Parteien im Ziel einig: Die Wirtschaft muss angekurbelt werden. Ein großer Hebel wären niedrigere Energiepreise etwa über die Senkung der Strompreise, hier scheint ein Konsens möglich zu sein. In der Steuerpolitik aber gibt es große Differenzen

Die Union setzt hier auf große Entlastungen, konnte aus SPD-Sicht bislang aber nicht schlüssig erklären, wie sie das finanzieren möchte – abgesehen von Einsparungen bei Bürgergeld und Migration sowie dem Hoffen auf Wirtschaftswachstum. Die SPD will vor allem Menschen mit geringem Einkommen entlasten und daher auch am Solidaritätszuschlag für Besserverdiener festhalten. Die Union will den Soli abschaffen. Unterschiede gibt es auch bei der Erbschafts- sowie der Vermögenssteuer, wo die SPD zusätzliche Abgaben „für Superreiche mit Vermögen über 100 Millionen Euro“ will. Die Union ist dagegen.

Neuer Newsletter „Unterm Strich“

Was? Exklusive Einblicke in den Politik-Betrieb, Interviews und Analysen – von unseren Experten der Agenda-Redaktion von IPPEN.MEDIA
Wann? Jeden Freitag
Für wen? Alle, die sich für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft interessieren
Wo? Direkt in ihrem E-Mail-Postfach
Wie? Nach einer kurzen Registrierung bei unserem Medien-Login USER.ID hier kostenlos für den Newsletter anmelden

Ukraine-Politik: Wie geht die neue Regierung mit Taurus-Lieferungen um?

Fraglich ist auch die Ukraine-Politik. Sowohl SPD und Union wollen das Land finanziell unterstützen. Differenzen gibt es bei den Waffenlieferungen. Merz hatte sich in der Vergangenheit öfter für die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern ausgesprochen. Im Wahlprogramm fehlt der Begriff zwar, aber in der Union gibt es nach wie vor Stimmen pro Taurus. Die SPD ist hier zurückhaltender; allen voran Olaf Scholz und Rolf Mützenich hatten sich dagegen ausgesprochen und das Taurus-Veto auch ins Wahlprogramm geschrieben.

Außerdem will die Union das von der SPD mitgerategene Cannabis-Gesetz abschaffen und lehnt, anders als die SPD, ein Tempolimit ab. Zudem hatten CDU und CSU die Zukunft des bundesweit gültigen Deutschlandtickets im Nah- und Regionalverkehr offen gelassen. Es geht vor allem um Finanzierungsfragen, nur noch bis Ende des Jahres sind die Bundesmittel von 1,5 Milliarden Euro gesichert. 

In einigen Punkten ist man dafür programmatisch ähnlich. Beide Parteien sprechen in ihren Programmen von einer Art Wehrpflicht und Bewegung gibt es auch in der Schuldenbremse, die Merz womöglich doch noch reformieren könnte. Insgesamt wird es aber schwierig in dieser „Großen Koalition“, die den Namen eigentlich gar nicht verdient. Laut Duden ist eine Große Koalition nämlich ein „Regierungsbündnis, das aus den beiden zahlenmäßig stärksten Parteien in einem Parlament besteht“. Das wäre CDU/CSU und AfD statt SPD.

Auch interessant

Kommentare