Nach der Bundestagswahl: SPD unter GroKo-Druck – „Keineswegs sicher, dass eine Koalition herauskommt“

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Die Wahl hat Union zwar gewonnen, die eigentliche Arbeit fängt jetzt erst an. Experten mahnen die Parteien der Mitte zu Einheit und Eile in den Koalitionsverhandlungen.

Die Weltpolitik steht nicht still – während Deutschland womöglich noch über Wochen politisch gelähmt ist. Bundeskanzler in spe Friedrich Merz hat den Warnschuss offenbar gehört. Das starke Abschneiden der in Teilen rechtsextremistischen AfD sei „nun wirklich das letzte Warnzeichen an die politischen Parteien der demokratischen Mitte, in Deutschland zu gemeinsamen Lösungen zu kommen“, sagte Merz.

GroKo-Verhandlungen nach der Bundestagswahl: „Mehr Trennendes als Gemeinsamkeiten“

Politikwissenschaftler mahnen Union und SPD zu Disziplin und Eile, eine arbeitsfähige Regierung zu bilden. „Es gibt einen Einigungszwang. CDU/CSU und SPD stehen unter diesem gesellschaftlichen Druck, der sie zusammenschweißen könnte“, sagt der Politikwissenschaftler Uwe Jun von der Uni Trier unserer Redaktion.

Gleichzeitig seien beide Parteien inhaltlich in fast allen Themen weit voneinander entfernt. „Es gibt mehr Trennendes als Gemeinsamkeiten. Die CDU hat ihre Prioritäten unter Friedrich Merz in den Themen Migration, Wirtschaft und Sozialpolitik weiter nach rechts verschoben, was eine Kompromissbildung schwieriger macht. Es war für die SPD einfacher sich mit einer Kanzlerin Merkel zu einigen, als es das mit einem Kanzler Merz sein wird, der durch sein Verhalten der letzten Wochen bei vielen Sozialdemokraten Vertrauen verloren hat.“

Experte zur Koalitionsbildung: „Eine Einigung bis Anfang Mai wäre schon ein Erfolg“

Jun hält eine Einigung bis Ostern, Merz‘ erklärtes Ziel, daher für unrealistisch. „Eine Einigung bis Anfang Mai wäre schon als Erfolg zu werten“, sagt der Sprecher des Arbeitskreises Parteienforschung der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft.

Ähnlich sieht es der Politikwissenschaftler Hendrik Träger von der Universität Leipzig. „Ich glaube, dass alle Parteien das Verantwortungsbewusstsein haben, schnell eine Regierung bilden zu wollen, aber es gibt zahlreiche Unwägbarkeiten, die dem entgegenstehen könnten“, sagt er.

Hauptgrund für die Verzögerung wird Träger zufolge die SPD. Er rechnet mit Personaldebatten bei den Sozialdemokraten. „Die SPD hat ihr historisch schlechtestes Ergebnis und wird personell nicht so weitermachen können wie bisher. Da reicht es nicht, dass Olaf Scholz im Kabinett Merz keine Rolle spielen wird – auch die Parteiführung aus Klingbeil, Esken und Miersch muss überlegen, warum sie es nicht geschafft hat, Olaf Scholz davon zu überzeugen mit dem beliebteren Boris Pistorius als Kanzlerkandidat in den Wahlkampf zu gehen.“

Darüber hinaus brauche die angekündigte Mitgliederbefragung Zeit. „Die SPD wird nicht gegen den Willen der Parteibasis entscheiden können, als Juniorpartner in eine Große Koalition zu gehen - zum vierten Mal in 20 Jahren - weil sie fast immer als Verlierer daraus hervorgegangen ist“, so Träger.

Merz‘ CDU und die SPD in einem Boot? Parteien müssen ihre roten Linien klären

Auch inhaltlich müssen die Partei ihre roten Linien und ihre Kompromissbereitschaft klären. „Es wird zu Zugeständnissen kommen müssen. Dabei müssen auch die Parteigremien einbezogen werden“, glaubt Träger.

Auch Jun sieht hier Debatten auf die Sozialdemokraten zukommen. „Die SPD muss abwägen zwischen ihrer staatspolitischen Verantwortung und den Interessen ihrer Wählerschaft. Es ist aber keineswegs sicher, dass am Ende eine Koalition dabei herauskommt“, glaubt er.

So läuft die Regierungsbildung nach der Bundestagswahl

Der Bundestag muss laut Grundgesetz spätestens am 30. Tag nach der Wahl zur konstituierenden Sitzung zusammentreten. Das wird am 25. März passieren. In dieser Sitzung endet die Amtszeit von Bundeskanzler Olaf Scholz und seinen Ministern. Trotzdem bleibt die alte Regierung geschäftsführend so lange im Amt, bis ein neuer Bundeskanzler gewählt ist. Das geht erst dann, wenn sich die Koalitionsparteien geeinigt haben. Denn der Bundeskanzler muss mit einer absoluten Mehrheit der Stimmen im Bundestag gewählt und dann vom Bundespräsidenten ernannt werden.

Bei der letzten Bundestagswahl 2021 hat die Regierungsbildung zweieinhalb, bei der Wahl 2017 sogar fünf Monate gedauert. „Wir müssen uns darauf einstellen, dass es auch jetzt ein langwieriger Prozess wird“, befürchtet Träger.

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