Zoff in Bergdorf: Detail bremst geplantes Asylheim und eine teure Pleite droht
Mitte Mai, die Bergwiesen in Gunzesried-Säge, auf 900 Metern in einem idyllischen Hochtal im Allgäu gelegen, sind wieder ergrünt, die Bäume frisch belaubt. Doch der Dorfsegen der Gemeinde mit ihren 79 Einwohnern hängt seit zwei Monaten schief. Der Grund: ein Streit über die Einquartierung von 45 Flüchtlingen in einem leerstehenden Berghotel.
Bürger protestieren mit Petition gegen Asylheim in Berghotel
Eigentlich hätten die ersten Flüchtlinge im "Heubethof" schon vor mehreren Wochen einziehen sollen. Doch als das zuständige Landratsamt Sonthofen Mitte März die Anwohner von Blaichach und dem dazugehörigen Ortsteil Gunzesried-Säge erstmals über die bevorstehende Unterbringung ins Bild setzte, formierte sich schnell heftiger Widerstand.
Zwei Wochen später reichten Bürger eine Petition mit 700 Unterschriften beim bayerischen Landtag ein, in der sie sich gegen die Unterbringung der Flüchtlinge aussprachen. Zu schlechte Integrationsmöglichkeiten für zu viele Flüchtlinge, lautete die Begründung unter anderem. Nach mehreren Rücksprachen setzte das bayerische Bauministerium eine Unterbringung aus, bis der Petitionsausschuss das Projekt neu bewertet habe.
Keine Nutzungsänderung für Asylheim beantragt
In der vergangenen Woche beschäftigte sich der Petitionsausschuss des Landtags mit dem Fall – doch ohne Ergebnis. "Wir mussten eine Entscheidung vertagen, da die Antragsteller eine umfangreiche Dokumentation zu baurechtlichen Aspekten vorgelegt haben, deren Prüfung einige Zeit in Anspruch nehmen wird", erklärte Joachim Konrad (CSU) gegenüber FOCUS online.
Laut Konrad, Mitglied des Petitionsausschusses, geht es dabei insbesondere um eine notwendige Änderung des Bebauungsplanes für das Gebiet, die die Nutzung des Heubethofs als Unterkunft in einem als Naturpark ausgewiesenen Gebiet zulasse. Dies sei bislang noch nicht erfolgt.
Info über Einzug von Flüchtlingen erst zwei Wochen vor Bezug - heftige Kritik am Landratsamt
Für heftigen Streit hatte im Vorfeld vor allem der zeitliche Umgang des Landratsamts mit der Bekanntgabe des Projekts gesorgt. "Wir hatten das Landratsamt bereits im Frühjahr 2024 gebeten, die Bürger über die geplante Einquartierung von Flüchtlingen im Heubethof zu informieren, was aus juristischen Gründen jedoch nicht vor Abschluss des Mietvertrages habe erfolgen können, wie man uns gesagt hatte", erklärte Blaichachs Bürgermeister Christof Endreß (CSU).
Doch obgleich der Mietvertrag dann im vergangenen November abgeschlossen worden sei, habe der Landkreis sich mit der Information der Blaichacher Zeit bis Mitte März gelassen. Die ersten Flüchtlinge hätten im Heubethof Anfang April einziehen sollen - nur zwei Wochen nach der Ankündigung.

Landratsamt weist Vorwurf der späten Information "entschieden zurück"
Landrätin Ines Baier-Müller (Freie Wähler) wies indes den Vorwurf einer verspäteten Information der Bürger "entschieden zurück". Die Abstimmung mit der Gemeinde habe stattgefunden, die Gemeinde habe dem Beschluss zu einer Unterbringung zudem im Juni 2024 zugestimmt, sagte Baier-Müller FOCUS online. Im "Anschluss" daran seien dann am 12. März 2025 - neun Monate später - die Einwohner bei einer Veranstaltung vor Ort informiert worden.
Bergdorf schließt sich Petition an
Zwar hat das Landratsamt laut Bürgermeister Endreß eingeräumt, dass die Lösung einer Unterbringung von bis zu 45 Flüchtlingen in einem winzigen Ort wie Gunzesried-Säge nicht "optimal" sei. Dies ergebe sich allein aus der dürftigen Infrastruktur und mangelnder Integrationsmöglichkeiten. Auch habe sich die Behörde offen gezeigt, was eine bevorzugte Unterbringung von Familien aus der Ukraine anginge. Im Gegensatz zu anderen Flüchtlingen hätten Ukrainer oft Arbeit und verfügten über ein Auto, was alles erleichtere.
"Doch eine Zusage, dass es deutlich weniger Flüchtlinge als geplant werden, die im Fall von Ukrainern auch autonomer wären, was wiederum die Akzeptanz in der Bevölkerung erhöhte, konnte man uns bisher nicht geben", moniert Endreß. Aus diesem Grund habe die Gemeinde Blaichach sich trotz des Beschlusses mit dem Landratsamt am Ende auch der Petition angeschlossen.
Flüchtlinge in Berghotel? Am Ende könnte peinliche Planungs- und Finanzpleite stehen
Die entscheidende Sitzung des Petitionsausschusses wird nach Angaben von Joachim Konrad nun im Juni stattfinden. "Aus jetziger Sicht gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder einigt sich das Landratsamt mit der Gemeinde auf einen Kompromiss. Der Ausschuss könnte aber auch zu dem Schluss kommen, dass sich unter den gegebenen Umständen eine Unterbringung nicht umsetzen lässt und deswegen im Heubethof auch nicht stattfinden wird."
Letzteres wäre nicht nur eine planerische Pleite, sondern auch eine finanzielle. Denn im Juni werden bereits drei Monatsmieten an den Eigentümer aus Steuergeldern bezahlt worden sein. Zur Höhe äußerten sich weder das Landratsamt noch das bayerische Bauministerium. Doch bei einer Unterkunft für bis zu 45 Bewohner dürften sie sich pro Monat auf vermutlich mehrere tausend Euro belaufen.
Da der Mietvertrag über fünf Jahre abgeschlossen wurde, bedeutete dies immense Kosten für nichts, sollte der Petitionsausschuss das Projekt verwerfen. Was wiederum den Anlass ad absurdum führen würde, der das Landratsamt überhaupt dazu angetrieben hat, nach neuen Unterkunftsmöglichkeiten für Flüchtlinge zu suchen. Es ging nämlich darum, Kosten für noch teurere Behelfsunterkünfte wie Zelte zu sparen.