Millionen können gespart werden: Hochwasserschutz soll auf den Prüfstand
Der geplante Hochwasserschutz Angerbach kommt wohl auf den Prüfstand: Auf Antrag der ÖDP will sich Weilheims Stadtrat mit möglichen Alternativen auseinandersetzen – in der Hoffnung, viele Millionen Euro zu sparen.
Weilheim – Es braucht unbedingt Hochwasserschutz am Angerbach, daran herrscht kein Zweifel. Fest steht aber auch, dass sich die Stadt Weilheim eigentlich gar nicht leisten kann, was da in den nächsten 20 Jahren geplant ist. Auf über 90 Millionen Euro beläuft sich die jüngste Kostenschätzung für die vorgesehenen Maßnahmen an dem Bach, der bei Eberfing entspringt, durch Marnbach und Deutenhausen fließt und dann zum Weilheimer Stadtbach wird. Zwar stehen Fördermittel von gut 43 Millionen Euro im Raum, doch über 48 Millionen müsste die Stadt Weilheim als Hauptnutznießer selbst aufbringen.
Sind wirklich Bauwerke mit bis zu sieben Meter hohen Dämmen nötig?
Geplant ist unter anderem der Bau dreier Rückhaltebecken (eines bei Eberfing, zwei auf Weilheimer Flur). Für jenes bei Marnbach sind bis zu sieben Meter hohe Dämme avisiert – was vor Jahren bereits zu viel Kritik geführt hat. Die Bedarfsberechnung dafür, erklärte ÖDP-Stadtrat Gerd Ratter in der jüngsten Sitzung des Weilheimer Bauausschusses, beruhe auf hydrologischen Studien, die davon ausgehen, dass alles Wasser oberflächlich abfließen muss. Doch diese Zahlen gehörten hinterfragt, so Ratter, und die Sickerfähigkeit der Böden müsse verbessert werden. In diesem Sinne beantragte die zweiköpfige ÖDP-Stadtratsgruppe, Alternativen zum geplanten technischen Hochwasserschutz zu prüfen – zum Beispiel durch Humusaufbau (siehe unten).
Landwirte sollen „von Anfang an ins Boot geholt“ werden
Er glaube nicht, dass es gänzlich ohne technische Maßnahmen gehe, sagte Bürgermeister Markus Loth (BfW) dazu im Bauausschuss, zumal die vorgeschlagenen Alternativen seitens der Wasserbehörden teilweise noch nicht anerkannt seien. Dennoch sei der Antrag „vom Grundsatz her nicht falsch“, so der Rathaus-Chef, auch angesichts der gewaltigen Kosten, die Weilheim für das aktuell Geplante stemmen müsse. Es sei „sicher richtig, Experten dazu anzuhören“. Auch das Wasserwirtschaftsamt, fügte Loth an, müsste „eigentlich höchstes Interesse daran haben, das zu untersuchen“.
„Das, was jetzt geplant ist, können wir uns niemals leisten“, meinte Klaus Gast (CSU): Für die vorgesehenen Maßnahmen am Angerbach sei die Kostenschätzung binnen 25 Jahren von acht auf über 90 Millionen Euro gestiegen, „da ist typischer Gigantismus entstanden“. Auch seien „immer wieder Fehler in den Gutachten“ bemängelt worden. Kurzum, so Gast: „Wir sollten uns da wirklich Alternativen überlegen und den Resetknopf drücken“; noch habe man dafür auch genug Zeit. Lediglich für die vergleichsweise kleinen Maßnahmen auf Eberfinger Flur sei die Planung schon zu weit gediehen, hieß es im Ausschuss: Über diese müsse man in Weilheim auch „froh sein“.
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Feedback von Landwirten erfragen
Was die weiteren Projekte betrifft, sei es „gut, über Alternativen nachzudenken“, befand auch Rupert Pentenrieder (BfW), der Stadtratsreferent für Landwirtschaft: „Humusaufbau kann da viel bringen“, wobei dies im Wald leichter und auf landwirtschaftlichen Flächen schwieriger zu bewerkstelligen sei. Bevor man für alternative Planungen Geld ausgebe, brauche man deshalb „ein Feedback der Landwirte, ob sie den Weg mitgehen“.
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Auch die Grünen-Vertreter plädierten dafür, „die Landwirtschaft von Anfang an ins Boot zu holen“ – und nannten den Antrag „grundsätzlich eine sehr gute Idee“: „Schauen wir, wie wir da eine kostengünstigere und auch sinnvollere Lösung kriegen“, so Alfred Honisch. Humusaufbau wäre „auch klimatisch sinnvoll“, ergänzte Stefan Emeis als Umweltreferent des Stadtrates. Doch fehle ihm „noch jede Idee“, wie das im gesamten Einzugsgebiet des Angerbachs gelingen könne.
Mehr Informationen erhofft man sich nun von Fachleuten, die bei „Life Future Forest“ im Kreis Landsberg federführend sind: einem europaweit bedeutenden Modellprojekt, das über nachhaltigen Waldumbau Klimaresilienz und „biologischen Hochwasserschutz“ fördert. Dort wurden auch Anreizsysteme für Landwirte entwickelt. Weilheims Bauausschuss hat einstimmig beschlossen, die Experten in den Stadtrat einzuladen – und sein „grundsätzliches Einverständnis“ mit dem ÖDP-Antrag erklärt.
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Die mögliche Alternative am Angerbach
Zum rein technischen Hochwasserschutz durch Rückhaltebecken gibt es nach Überzeugung der ÖDP-Stadtratsgruppe eine Alternative: die Verbesserung der Bodenqualität von landwirtschaftlichen Nutzflächen und Wäldern, zum Beispiel durch Humusaufbau. Dadurch würden Böden versickerungsfähiger – was den Oberflächenabfluss von Niederschlagswasser im Einzugsgebiet möglicher Überschwemmungen reduziere. So würden Hochwasser vermieden oder zumindest verringert.
Weitere positive Folgen seien unter anderem eine Erhöhung des Grundwasserspiegels, eine erhöhte Verdunstung und damit Kühleffekte durch die Pflanzen, Verbesserungen der Trinkwasser- sowie der Bodenqualität und damit der landwirtschaftlichen Erträge, eine Steigerung der Biodiversität und der Erhalt der bestehenden Landschaftsstruktur (weil etwa Dammbauten vermieden werden). Die ÖDP geht davon aus, dass dieser Ansatz auch deutlich kostengünstiger ist.
Im übrigen verhindere der aktuell geplante technische Hochwasserschutz Angerbach – wofür unter anderem drei Rückhaltebecken mit bis zu sieben Meter hohen Dämmen vorgesehen sind – die Überschwemmungsbereiche nicht vollständig, wie es in dem Antrag heißt: „Im Falle von Starkregen-Ereignissen westlich davon versagen die Schutzmaßnahmen komplett.“ Die Alternative der Bodenverbesserung werde etwa im Landkreis Landsberg erprobt: im Projekt „Life Future Forest“ zur Anpassung der Wälder an den Klimawandel. Führende Experten von dort werden nun in eine der nächsten Stadtratssitzungen in Weilheim eingeladen.