BLLV-Chefin im Kreis Freising: „Ältere Lehrkräfte stehen Vollzeit oft nicht mehr durch“
Lehrkräfte am Limit: Im Kloster Banz hat Ministerpräsident Markus Söder Vorschläge zum Lehrermangel gemacht. Das sagt BLLV-Kreisvorsitzende Kerstin Rehm den Vorschlägen.
Freising – Wo die Reise an Bayerns Grundschulen hingehen soll, wie man den Lehrerinnenmangel in den Griff bekommen möchte, dazu hat sich Bayerns Ministerpräsident Markus Söder in Banz geäußert. BLLV-Kreisvorsitzende Kerstin Rehm findet einiges davon gut. Und sie warnt davor, die Dienstälteren Lehrerinnen aus dem Blick zu verlieren.
Frau Rehm, Ministerpräsident Markus Söder möchte eine Stunde mehr Deutschunterricht pro Woche für Grundschüler. Sind Sie damit einverstanden?

Das ist eine hervorragende Idee, die wir Lehrkräfte schon lange intern diskutieren. Gut ist vor allem auch, dass der Ministerpräsident uns nicht noch eine Stunde zusätzlich aufdrücken will, sondern etwas anderes gestrichen werden soll.
Welches Fach könnte dafür „geopfert“ werden?
Meiner Ansicht nach wäre das das Fach Englisch in der 3. und 4. Klasse. Das ist eine Angelegenheit für weiterführende Schulen. An den Grundschulen sollte es um die Basics gehen. In den ersten Klassen ist das einfacher. Die arbeiten nach dem Prinzip des Grundlegenden Unterrichts. Da kann die Lehrkraft die Schwerpunkte je nach Bedarf setzen. Wir würden aber mit unserer Forderung noch weitergehen und in den 3. und 4. Klassen die zweite Englischstunde ebenfalls eintauschen – gegen ein Fach, in dem interkulturelle Verständigung, Friedenserziehung, Stärkung des Europäischen Gedankens und der verschiedenen Feste in Europa Thema sind. Da müsste die Sprachkultur mit rein und auch, wie man sich anderen gegenüber verhält.
Woran sehen Sie, dass es Nachbesserungsbedarf in der Sprachkultur gibt?
Das fängt oft schon beim Kontakt zu den Eltern an. Da fehlt im Schriftverkehr die Anrede, Bitte und Danke sind schon lange keine Selbstverständlichkeit mehr. Da spielt mit Sicherheit auch der zunehmende Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund eine Rolle, wo die sprachliche Kompetenz einfach fehlt.
Meine news
Es steht zudem im Raum, Lehrkräfte aus anderen Bundesländern anzuwerben. Ist das die rettende Idee?
Die rettende Idee, dank derer wir vom aktuellen Lehrerschwund hin zu einer ausreichend großen Personaldecke kommen, ist das sicher nicht. Dennoch ist es wichtig. Ich bin schon lange eine Verfechterin davon, das Ländertauschverfahren für Lehrkräfte zu erleichtern, sodass man leichter in ein anderes Bundesland wechseln kann. Es wäre der Beginn einer Reform in der Ausbildung der Lehrkräfte. Denn um das zu ermöglichen, müsste der Abschluss von Bachelor und Master bundesweit so modifiziert werden, dass es keine erheblichen Niveauunterschiede in den einzelnen Bundesländern mehr gibt. Das ist unerlässlich, um flexibler zu sein und den Berufsstand attraktiver zu machen. Zum einen kann man – durch gewisse Anreize – die Lehrer in Bundesländer holen, in denen der Mangel besonders groß ist. Zum anderen können gerade Frauen, die den Beruf ausüben, aktuell ihren Mann nicht oder zumindest nicht so einfach in ein anderes Bundesland begleiten und weiter unterrichten, falls er versetzt wird.
Und dann möchte der Ministerpräsident eine strengere Teilzeitregelung für Lehrkräfte, will das etwa an das Alter ihrer Kinder koppeln – sprich, je älter das Kind, umso weniger Teilzeitmöglichkeit. Was sagen Sie dazu?
In dieser Diskussion, die ja mit allen Beteiligten erst noch geführt werden muss, ist eines ganz wichtig: Hier dürfen die dienstälteren Kolleginnen, die ja zum Teil schon erwachsene Kinder haben, nicht vergessen werden. Auch sie müssen die Möglichkeit haben, in verschiedenen Teilzeitoptionen zu arbeiten und ihr Stundenmaß von derzeit 24 Stunden gegebenenfalls auch zu reduzieren. Denn gerade sie sind nach einem langen Berufsleben oft am Limit. Lehrkräfte sind hohen Belastungen ausgesetzt, stehen das körperlich und psychisch oft nicht mehr in Vollzeit durch. Die verpflichtende Stundenanzahl der Älteren müsste zurückgefahren werden. Im Bezug auf die jüngeren Lehrkräfte – 87 Prozent des Kollegiums ist weiblich – muss die Möglichkeit von Teilzeit weiter behalten werden, um Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen. Wenn man auch jüngeren Frauen die Teilzeitoptionen drastisch streicht, wird dieser Beruf für Frauen unattraktiv. Deshalb muss das alles auf freiwilliger Basis bleiben.
Was ist aus Ihrer Sicht unerlässlich?
Eine bessere Vergütung analog zu Realschul- und Gymnasiallehrern. Aktuell haben wir an den Grundschulen die höchste Unterrichtsverpflichtung und die schlechteste Bezahlung, bei zum Teil grauenvollen Arbeitsbedingungen wegen überbordender Aufgaben. Wenn der Beruf wieder machbar wird, dann wird es auch viel weniger Kolleginnen geben, die aus gesundheitlichen Gründen in Teilzeit arbeiten müssen.