Das 40-Milliarden-Euro-Loch: Ampel-Koalition droht am Haushalt 2025 zu zerbrechen

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Ein Haushaltsloch von etwa 40 Milliarden Euro droht. Bis Anfang Juli muss die Regierung wissen, wie es weitergeht. Bricht daran die Koalition?

Berlin – Was kostet es, die Ampel-Koalition fortzuführen? Vermutlich mindestens 40 Milliarden Euro. Ungefähr so viel muss Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit der Ampel-Koalition bei den Ausgaben des Bundes kürzen, um das drohende Haushaltsloch der Regierung für 2025 zu schließen.

Finanzminister Christian Lindner (FDP) hält sich indes offen, ob das Kabinett den Bundeshaushalt 2025 bis zum geplanten Stichtag Anfang Juli beschließt. „Der 3. Juli wäre der übliche Termin. […] Deshalb orientieren wir uns weiter an diesem Datum. Entscheidend ist aber eine gute Lösung, eine zukunftsweisende Lösung und keine schnelle“, sagte Lindner am Mittwoch im Deutschlandfunk. „Die Gespräche sind sehr intensiv, denn wir haben es mit außergewöhnlichen Beratungen zu tun“, betonte der Liberale. Es gehe nicht nur um den Haushalt, sondern auch um Maßnahmen für eine mögliche Wende in der deutschen Wirtschaft. 

Finanzminister Christian Lindner (von links, FPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Kanzler Olaf Scholz (SPD) müssen mit ihren Parteien schnell eine Lösung finden.
Finanzminister Christian Lindner (von links, FPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Kanzler Olaf Scholz (SPD) müssen mit ihren Parteien schnell eine Lösung finden. © Kay Nietfeld/dpa

40 Milliarden Euro zu wenig vorhanden: Sparen an der Verteidigung?

Nach dem vernichtenden Ergebnis für alle drei Parteien bei der Europawahl könnte die Haushaltsdebatte jetzt zum letzten Sargnagel für die Koalition werden. Das Überleben der Regierung Scholz könnte davon abhängen, ob es den Parteien gelingt, sich ohne größere Auseinandersetzungen auf einen Haushalt zu einigen.

Die Verhandlungen sind schwierig. Verschiedene Ministerien und Ressorts wollen und können laut eigenen Aussagen die Sparvorgaben Lindners nicht einhalten. Wie etwa das Verteidigungsministerium unter Boris Pistorius (SPD). „Der Kollege Pistorius zeigt leider nur die Option auf, Sicherheit durch Schulden zu schaffen. Den Bürgern werden so immer mehr dauerhafte Zinslasten aufgehalst“, sagte FDP-Chef Lindner der dpa. Pistorius reagierte scharf und berief sich auf die Verfassung: „Wenn die Schuldenbremse Verfassungsrang hat, dann hat der Schutzanspruch der Bürgerinnen und Bürger gegenüber dem Staat, sie zu schützen, erst recht Verfassungsrang“, sagte Pistorius zu Lindners Worten. „Verteidigung ist Verfassungsauftrag. Dazu zählt die Aufstellung von Streitkräften zur Verteidigung.“

SPD-Parlamentarier: „Entweder wir kriegen das jetzt hin oder wir lassen es bleiben“

Am Mittwoch ruderte Lindner dann in Sachen Verteidigung zurück: „Wir werden in den nächsten Jahren sogar mehr tun müssen für die Landes- und die Bündnisverteidigung.“ Stattdessen sprach er sich erneut dafür aus, im Sozialbereich zu sparen. „Insbesondere ist die Aufgabe, mehr Menschen aus dem Bürgergeld in Arbeit zu bekommen. Es ist ja den Bürgerinnen und Bürgern nicht erklärbar, dass wir Milliardenausgaben, steigende Milliardenausgaben haben für das Bürgergeld“, sagte der Finanzminister.

Der Ausgabenstreit in Sachen Verteidigung ist aber nur eins der Felder, die die Regierung derzeit händeln muss. Regierungssprecher Steffen Hebestreit ging noch Anfang der Woche laut dpa von einem Beschluss Anfang Juli aus. Man sei in den Gesprächen im Zeitplan. Er würde nicht davon ausgehen, dass es massive Verschiebungen des Zeitplans gebe. 

„Entweder wir kriegen jetzt unsere Sache auf die Reihe, oder wir lassen es bleiben“, sagte Tim Klüssendorf, SPD-Parlamentarier im Finanzausschuss, gegenüber dem Nachrichtenportal Politico. Innerhalb der regierenden Parteien bestehe Verständnis darüber, dass ein erneuter massiver Streit über den Haushalt die Koalition zerreißen werde.

Haushalts-Affäre beruht auf Urteil des Bundesverfassungsgerichts

Im vergangenen Jahr sorgte bereits ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts für Unmut, das ein 60-Milliarden-Euro-Loch in die Staatsfinanzen riss. Das Urteil beschränkte die Möglichkeit der Regierung, Geld aus Sonderfonds abzuheben. Diese hatte man eingerichtet, um die verfassungsmäßige Schuldenbremse zu umgehen, die das Haushaltsdefizit des Bundes außer in Notzeiten auf 0,35 Prozent des BIP begrenzt. Die Folgen dieses Urteils beschäftigt die Ampel noch immer und zwingt sie zu drastischen Kürzungen der Ausgaben für 2025.

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), Linder und Scholz sind nun im Zugzwang. Nach dem Tiefschlag der Europawahlen müssen sie jetzt liefern – und das noch vor der Sommerpause des Parlaments von Juli bis August. Die Opposition, allen voran die CDU, setzt auf das Versagen der Ampel, um so ihre Forderungen nach Neuwahlen weiter zu untermauern.

Doch angesichts der unterschiedlichen politischen Prioritäten innerhalb der Koalition scheint es unwahrscheinlich, dass ein Abkommen zustande kommt, mit dem alle zufrieden sind. Der linke Flügel der SPD und die Grünen wollen eigentlich weitere Kürzungen im sozialen Bereich verhindern, während die FDP strickt an der Schuldenbremse festhält. Scholz steht dabei auf Lindners Seite.

Bruch der Ampel-Koalition: Scharfe Kritik und Rufe zur Einigkeit

„Fast die Hälfte des Bundeshaushalts ist letztlich für Sozialausgaben und Rentenzuschüsse blockiert, sodass der Spielraum für Einsparungen sehr begrenzt ist“, sagt Moritz Schularick, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft. Ein zweistelliger Milliardenbetrag an Einsparungen sei ohne eine Kürzung der Sozialausgaben nicht zu erreichen. „Einen Sparhaushalt auf Kosten des sozialen Zusammenhalts im Land kann und wird es nicht geben“, sagte SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert Anfang des Monats der dpa. Eine Einigung auf den Haushalt, fügte er hinzu, sei ein „kurzfristiger Test“, ob die Koalition noch zusammenarbeiten könne.

„Es ärgert mich, dass die SPD keine Gelegenheit auslässt, die Einhaltung der Schuldenbremse immer wieder infrage zu stellen“, sagte die FDP-Abgeordnete Claudia Raffelhüschen im Gespräch mit Politico. Raffelhüschen sitzt im Haushalts- und Finanzausschuss. „Um sie abzuschaffen, bräuchte man eine Zweidrittelmehrheit im Parlament, die wird es nicht geben.“

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) ruft währenddessen zur Einigkeit der Koalitionspartner auf: „Der größte Gefallen, den wir den Feinden der liberalen Demokratie im In- und Ausland tun könnten, wäre, wenn eine andere europäische Demokratie in vorgezogene Wahlen gehen würde.“

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