Atomwaffen für Europa: Macron macht Merz ein Angebot – Kreml warnt vor Weltkrieg
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Frankreichs Präsident sieht in Russland eine Bedrohung für Europa und erwägt, den Pariser Atomschirm auszuweiten. Der Kreml nennt ihn einen „Geschichtenerzähler“.
Brüssel – Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat als Reaktion auf den Kurswechsel in der US-Außenpolitik seine Überlegungen zu einer gemeinsamen europäischen nuklearen Abschreckung bekräftigt. Er hatte dabei an eine Aussage des potenziellen Nachfolgers von Scholz – CDU-Chef Friedrich Merz – angeknüpft. „Als Antwort auf den historischen Aufruf des zukünftigen deutschen Kanzlers habe ich beschlossen, die strategische Debatte über den Schutz unserer Verbündeten auf dem europäischen Kontinent durch unsere Abschreckung zu eröffnen.“
Macron macht Merz ein Angebot: Der französische Nuklearschirm könnte auch Deutschland schützen
Macron hatte am Mittwoch (5. März) in einer Ansprache im französischen Fernsehen von der „russischen Bedrohung“ für Europa gesprochen. Er sagte zudem, dass die „Aggressivität“ Moskaus „keine Grenzen zu kennen scheint“. Macron bekräftigte noch einmal, dass Frankreich offen dafür sei, seine Atomwaffen auch zum Schutz seiner europäischen Partner einzusetzen. „Unsere nukleare Abschreckung schützt uns: Sie ist vollständig, souverän und durch und durch französisch“, sagte Macron in einer Rede an die Nation.

Außerdem sprach sich Macron für eine „strategische Debatte“ über die atomare Abschreckung in Europa aus. Zuvor hatte Macron mit CDU-Chef Merz, dem wahrscheinlichen künftigen Bundeskanzler, über eine Ausweitung des französischen Nuklearschirms gesprochen und ein Angebot des nuklearen Schutzes, das auch für Deutschland gelte, ausgesprochen.
Der voraussichtliche künftige Bundeskanzler Merz hat bereits angekündigt, Verhandlungen über eine nukleare Abschreckung mit Frankreich und Großbritannien führen zu wollen. Merz hatte dazu kurz vor der Bundestagswahl im ZDF-Morgenmagazin gesagt, man müsse mit den europäischen Atommächten Großbritannien und Frankreich über nukleare Teilhabe oder zumindest nukleare Sicherheit reden. Erforderlich wären vermutlich auch in diesem Bereich riesige Investitionen, weil die britischen und französischen Atomwaffen derzeit nur eine Art nationale Ergänzung zur US-Abschreckung über die Nato waren.
Trumps Amtsantritt verunsichert EU: Aktuell sind noch etwa 100 US-Atombomben in Europa stationiert
Erforderlich wären vermutlich riesige Investitionen, weil die britischen und französischen Atomwaffen derzeit nur eine Art nationale Ergänzung zur US-Abschreckung über die Nato waren. Die USA haben Expertenschätzungen zufolge noch etwa 100 Atombomben in Europa stationiert - einige davon sollen auf dem Fliegerhorst Büchel in der Eifel lagern. Im Ernstfall sollen sie von Kampfjets der Bundeswehr eingesetzt werden. Auch in Belgien, den Niederlanden, Italien und in der Türkei sollen noch US-Atombomben stationiert sein. Offizielle Angaben gibt es dazu nicht.
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Seit dem Amtsantritt Trumps wachsen die Zweifel daran, dass sich die Europäer noch auf den Schutz der USA verlassen können. Macron hatte Deutschland und anderen EU-Partnern bereits 2020 während der ersten Amtszeit des US-Präsidenten Gespräche über eine europäische Kooperation bei der atomaren Abschreckung angeboten. Bei der damaligen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) stieß er aber zunächst auf genauso wenig Resonanz wie bei Olaf Scholz.
Deswegen setzt Macron nun darauf, dass er mit Merz einen echten Verbündeten für seine Idee findet. Der war am Donnerstag (6. März) ebenfalls in Brüssel – aber nur zum Treffen der konservativen Staats- und Regierungschefs sowie Parteivorsitzenden vor dem Gipfel. Er äußerte sich nicht öffentlich. Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk begrüßte den Vorstoß Macrons. „Wir müssen diesen Vorschlag ernsthaft in Betracht ziehen, denn es muss eine unserer Prioritäten sein, alle unsere Fähigkeiten in Europa zu koordinieren und wirklich eine gut koordinierte Streitmacht aufzubauen“, sagte er. Auch der litauische Präsident Gitanas Nauseda sprach von einer „sehr interessanten Idee“, an die man „hohe Erwartungen“ habe.
Kreml kritisiert Macron: Er sei eine „Bedrohung“ für Russland und ein „Geschichtenerzähler“
Russland hat die Äußerung des französischen Präsidenten, die Ausweitung der nuklearen Abschreckung auf europäische Partner in Betracht zu ziehen, derweil scharf kritisiert. Einige führende russische Politiker werfen Macron vor, mit seiner Äußerung über eine russische Bedrohung den Westen an den Rand eines neuen Weltkrieges zu bringen. „Natürlich ist das eine Bedrohung für Russland“, sagte Außenminister Sergej Lawrow am Donnerstag. „Wenn er uns als Bedrohung ansieht (...) und sagt, dass es notwendig ist, eine Atomwaffe einzusetzen, und sich darauf vorbereitet, eine Atomwaffe gegen Russland einzusetzen, ist das natürlich eine Bedrohung.“

Auch Kreml-Sprecher Dmitri Peskow kritisierte Macron am Donnerstag. Dessen Äußerungen seien „äußerst konfrontativ“ gewesen, sagte er. „Man hat das Gefühl, dass Frankreich den Krieg fortsetzen will.“ Die russische Außenamtssprecherin Maria Sacharowa sagte, Macron mache jeden Tag „absolut widersprüchliche Aussagen“, die „losgelöst von der Realität“ seien. Der französische Präsident sei ein „Geschichtenerzähler“. Macron müsse sich bei seinen eigenen Landsleuten dafür entschuldigen, dass er sie „in die Irre geführt“ habe.
Experten zu Macrons Idee: Europäischer Atom-Schutzschild sei „schwierig“
Die Umsetzung eines europäischen Atom-Schutzschilds, wie Macron ihn vorgeschlagen hat, halten einige Experten für schwierig. Der Atomphysiker der britischen Universität Sussex, Norman Dombey, gab zu bedenken, dass insbesondere die britischen Atomwaffen in die US-Streitkräfte eingebunden seien. „Sowohl die Raketen als auch die Sprengköpfe hängen von den USA und US-Designs ab“, erklärte Dombey.
Andere Experten hoben zudem die deutlich geringere Größe der britischen und französischen Atomarsenale im Vergleich zu dem der USA hervor. Es sei fraglich, wie ernst Russland eine europäische Abschreckung ohne die Unterstützung der USA nehmen würde. (bg/dpa)