Es ist ein tragisches Unglück: Eine demente Frau ist nachts aus einem Balkonfenster gestürzt und gestorben. Die Enkelin will wissen, wie das passieren konnte.
Wolfratshausen - In den letzten Wochen ihres Lebens ging es ihrer Oma wieder gut. Seit einigen Monaten lebte die demente Frau in einem Pflegeheim. „Wir wollten, dass sie sicher ist“, sagt Kirstin Schindele, die Enkelin. Ende März ging ihre Oma nachts in den Wintergarten der Einrichtung im dritten Stock. Am nächsten Morgen fanden Passanten die Leiche der 81-Jährigen auf dem Gehweg. Die demente, blinde Frau kam bei einem Sturz aus dem Fenster im dritten Stock ums Leben. „Es gibt keinerlei Hinweise auf ein Fremdverschulden“, sagt der Pressesprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd, Alexander Huber. Die Kriminalpolizei hat die Ermittlungen – wie immer bei einer nicht natürlichen Todesursache – übernommen.
„Wir wissen vieles nicht“: 81-Jährige stürzt in Seniorenpark in den Tod
Für die Familie der Verstorbenen gibt es viele offene Fragen. Die drängendste: Wie konnte so ein Unfall in einem vermeintlich sicheren Pflegeheim passieren? „Wir wissen vieles nicht“, sagt Schindele. War das Fenster bereits geöffnet? Wann kam die Nachtwache am Wintergarten vorbei? Wieso hat niemand die Seniorin gesehen? Wenn Schindele über den tragischen Tod ihrer Großmutter spricht, hört man, wie wenig Verständnis sie dafür hat, wie es zum Fenstersturz kommen konnte.
„Man gibt die Oma nicht gerne in eine Einrichtung“, sagt sie. „Aber man tut es, weil man will, dass sie sicher ist.“ Vor dem Umzug in den Seniorenwohnpark sei die 81-Jährige öfter in ihrer Wohnung gestürzt, hatte sich dabei verletzt. „Wir wollten, dass sie irgendwo unterkommt, wo man sich um sie kümmern kann.“ Schindele wollte sich keinen Illusionen hingeben: „Ich habe nicht erwartet, dass jemand 24 Stunden am Tag Omas Händchen hält.“ Aber dass eine Demenzkranke mitten in der Nacht alleine in einem Gemeinschaftsraum aus einem Balkonfenster stürzen kann: „Das darf einfach nicht passieren“, findet die Enkelin – genau wie ihre Familie.
ASB äußert sich zum tragischen Todesfall: Bewohner dürfen nicht eingesperrt werden
Auf Anfrage unserer Zeitung äußert sich die Betreiberfirma. Die Geschäftsführung der „ASB Casa-Vital GmbH“ betont in einer schriftlichen Antwort: „Wir bedauern den Tod unserer Bewohnerin außerordentlich und haben den Angehörigen unser tief empfundenes Beileid ausgesprochen.“ Es handelt sich bei dem Wohnpark am Moosbauerweg um ein offenes Pflege-Heim, wie die Geschäftsführung betont. „Wir sind eine Einrichtung, die man – so wie das eigene Haus oder die eigene Wohnung – jederzeit verlassen kann“. Die Bewohner dürfen „selbstverständlich auch auf die Balkone gehen oder die Fenster öffnen“. Das zu untersagen oder die Schlafräume nachts abzusperren „würde sie in ihren Persönlichkeitsrechten beschneiden“ – und ist genau aus diesem Grund verboten.
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Das Pflegepersonal achte darauf, ob diese Wohnform für die Senioren tatsächlich geeignet ist: „Wenn wir erkennen, dass ein Bewohner in einer geschlossenen Einrichtung besser aufgehoben wäre, holen wir alle Beteiligten ins Boot: die Angehörigen, den Hausarzt, den Neurologen und auch das Amtsgericht, um für den Bewohner die bestmögliche Lösung und eine andere Unterbringung zu finden“, betont das Unternehmen. Menschen mit einer bekannten Tendenz zur Eigengefährdung „nehmen wir nicht auf“. Das sei ein Ausschlusskriterium.
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Sicherheit der Senioren: „Nachts werden Kontrollgänge gemacht“
Für die Sicherheit der Senioren werde im Rahmen des Möglichen gesorgt. „Nachts werden regelmäßig Kontrollgänge gemacht.“ Pro Stockwerk gibt es eine Nachtwache. Drei Mal je Nacht schaue sie nach dem Rechten. „Eine absolute Garantie, dass sich jeder Bewohner zu jeder Zeit in seinem Zimmer befindet, gibt es daher nicht.“ Vollständig ausschließen könne man so tragische Fälle wie den Todessturz im März nicht. „Eine 100-prozentige Sicherheit kann es nie geben“ Maßnahmen wie eine Videoüberwachung sind „rechtlich nicht gestattet und von uns auch nicht gewollt“, schreibt die Geschäftsführung.
Betreiber bietet psychologische Hilfe für Mitarbeiter an
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Nach dem Todessturz habe die Einrichtung Maßnahmen ergriffen. „Wir haben eine Teambesprechung einberufen und unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern psychologische Unterstützung angeboten. Sie alle nimmt der Vorfall sehr mit. Gemeinsam überlegen wir, was wir tun können, damit sich alle noch sicherer fühlen – Bewohnerinnen und Bewohner genauso wie Beschäftigte.“
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