Vor allem Minderjährige von sexualisierter Gewalt betroffen: Beratungsstelle legt neue Zahlen vor

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Unter den Opfern von sexualisierter Gewalt, die 2024 von der Beratungsstelle erfasst wurden, sind viele Minderjährige. © Patrick Pleul/dpa

Es waren vor allem Kinder und Jugendliche, die 2024 als Betroffene von sexualisierter Gewalt in die Statistik der Beratungsstelle „Netz gegen sexuelle Gewalt“ eingegangen sind. Von den insgesamt 78 Betroffenen waren 47 – also etwa 60 Prozent – unter 18 Jahre alt.

Das „Netz gegen sexuelle Gewalt“ mit Sitz in Weilheim verfolgt als Verein das Ziel, Opfer von sexualisierter Gewalt zu begleiten und zu stärken – egal, ob bei Misshandlungen in der Ehe oder bei Kindesmissbrauch. Seine Anlaufstelle ist aber nicht nur für diese Zielgruppe gedacht. Zu den Menschen, die sich im vergangenen Jahr beraten ließen, gehörten neben 38 Betroffenen auch 38 Angehörige und 40 pädagogische Fachkräfte, die sich wegen nachgewiesener oder vermuteter sexualisierter Gewalt an das Team gewandt hatten.

Bei den 78 Betroffenen (2023: 72), die in der Statistik erfasst wurden, erfolgte nicht in allen Fällen eine persönliche Betreuung. Das gilt vor allem für Kinder. Der Anteil Minderjähriger an den Betroffenen ist mit rund 60 Prozent weiter hoch, allerdings nicht so hoch wie 2023 (etwa 74 %).

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Auch 17 der 31 erwachsenen Opfer, die das „Netz gegen sexuelle Gewalt“ in seiner Bilanz aufführt, haben bereits im Kindesalter Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt gemacht. „Traumatisierungen können von Betroffenen oftmals erst Jahre bzw. Jahrzehnte später aufgedeckt werden“, heißt es dazu im Jahresbericht. Von den insgesamt 78 Betroffenen sind zwar 61 Mädchen oder Frauen. Doch das Team der Beratungsstelle will ausdrücklich auch Männern zur Seite stehen. Zum Thema „Sexuelle Gewalt bei Jungen und Männern“ organisierte es – wie berichtet – 2024 einen Fachtag, an dem etwa 80 Fachkräfte aus dem Oberland teilnahmen.

Täter kommen meist aus engem Umfeld

Die in der Jahresstatistik erfassten mutmaßlichen Täter sind meist männlich und im Erwachsenenalter. Sie kommen überwiegend aus dem sozialen Nahraum der Opfer, oft sogar aus deren Familien. Dies sei ein zusätzlicher „hoher Belastungsfaktor für alle Betroffenen“, insbesondere für die im Kindesalter, so das „Netz gegen sexuelle Gewalt“. Denn für die gesunde psychosoziale Entwicklung eines Kindes müsse die Familie „ein Ort der Sicherheit, des Schutzes und der Geborgenheit“ sein und dürfe nicht „zum Ort der Gefahr und Bedrohung“ werden.

Das Team des „Netzes gegen sexuelle Gewalt“: (v.l.) Christina Auer, Fachberaterin und Fachreferentin; Dr. Rautgunde Lammerer, 1. Vorstandsfrau; Elisabeth Carr, Fachberaterin; Ulrike Leimig, 2. Vorstandsfrau; Constanze Off, Fachberaterin und Fachreferentin; Monika Reindl, Beirätin; Martha Rauscher-Stähler, Büroleitung;. Fehlend: Michael Kosler, Fachreferent und Fachberater; Angelika Flock, 3. Vorstandsfrau.
Das Team des „Netzes gegen sexuelle Gewalt“: (v.l.) Christina Auer, Fachberaterin und Fachreferentin; Dr. Rautgunde Lammerer, 1. Vorstandsfrau; Elisabeth Carr, Fachberaterin; Ulrike Leimig, 2. Vorstandsfrau; Constanze Off, Fachberaterin und Fachreferentin; Monika Reindl, Beirätin; Martha Rauscher-Stähler, Büroleitung. Fehlend: Michael Kosler, Fachreferent und Fachberater; Angelika Flock, 3. Vorstandsfrau. © „Netz gegen sexuelle Gewalt“

Dass Anlaufstellen wie die des „Netzes gegen sexuelle Gewalt“ wichtig sind, zeigen Zahlen des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd für 2023. Es wurden 1516 Sexualdelikte verzeichnet. Das sind 58 mehr als im Jahr davor (+ 4 %). Zur größten Zunahme kam es bei den Sexualdelikten im Bereich „Vergewaltigungen, sexuelle Nötigung und sexuelle Übergriffe“ (+ 14,8 %). Das „Netz gegen sexuelle Gewalt“ gibt angesichts solcher Zahlen zu bedenken, dass bei sexualisierter Gewalt mit einer hohen Dunkelziffer zu rechnen sei.

Präventions- und Fortbildungsangebote sehr gefragt

Eine „andauernde hohe Nachfrage“ verzeichnete die Fachberatungsstelle 2024 bei ihren Präventions- und Fortbildungsangeboten. Vor allem das Interesse am Programm „Trau dich!“ für Grund- und weiterführende Schulen und an einer Mulitplikatorenschulung für Fachkräfte überstieg laut Jahresbericht die Kapazitäten der Einrichtung. So musste trotz einer Vergrößerung des Honorarkräfteteams eine Warteliste für Anfragen erstellt werden.

Der telefonische oder persönliche Erstkontakt zur Beratungsstelle an der Lohgasse 3 in Weilheim ist in der Regel montags bis donnerstags von 8.30 bis 14 Uhr möglich. Beratungstermine werden individuell vereinbart und können auch außerhalb der genannten Zeiten stattfinden. Das „Netz gegen sexuelle Gewalt“ ist unter 0881/92792294 telefonisch erreichbar. Es richtet sich hauptsächlich an Menschen aus den Landkreisen Weilheim-Schongau und Garmisch-Partenkirchen. Diese beiden Landkreise beteiligten sich auch 2024 an der Finanzierung der Einrichtung – genauso wie das Bayerische Sozialministerium. Durch Mitgliedsbeiträge und Spenden sowie Bußgeldzuweisungen generierte der Verein die erforderlichen Eigenmittel.

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