Die Flut in Petershausen kommt mitten in der Nacht: „Ich hatte noch nie im Leben solche Angst“

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Das mit Heizöl verunreinigte Wasser wird von der Ölwehr in IBC-Container gepumpt und abtransportiert. Fotos: HAB © hab

Die Flut traf Petershausen hart, überschwemmte Keller und zerstörte Existenzen über Nacht. Aus der Not heraus entstand eine beeindruckende Welle der Hilfsbereitschaft. Ein Schicksalsschlag, der die Bewohner näher zusammenbringt.

Petershausen – Die Flut kam mitten in der Nacht. Das Hochwasser hat in Petershausen viele Keller überschwemmt, einige Menschen haben ihr Zuhause verloren. Doch nicht nur die Wassermassen sind ein Problem. Ausgelaufenes Heizöl macht die Lage noch schlimmer. Doch wer vor Ort unterwegs ist, merkt schnell: Hier lässt sich niemand unterkriegen. Alle helfen zusammen, so gut es geht.

Reichte nicht: Der aus Sandsäcken gestapelte Damm am Heimweg wurde überschwemmt.
Reichte nicht: Der aus Sandsäcken gestapelte Damm am Heimweg wurde überschwemmt. © hab

Drei Stunden lang wartet Sonja Otte im Dunklen mit ihrem eineinhalb Jahre alten Sohn Anton auf das Boot, das sie in Sicherheit bringen soll. Es ist Samstag nach Mitternacht, als Wassermassen die Wohnung ihrer Familie fluten. Binnen zehn Minuten sind die Räume im Untergeschoss bis zur Decke vollgelaufen. Ein Schlauchboot der Feuerwehr bringt sie gegen zwei Uhr morgens in Sicherheit. Sie hat nur eine Tasche dabei. Darin: Windeln für ihren Sohn.

70 bis 80 Haushalte vom Hochwasser in Petershausen betroffen

70 bis 80 Haushalte sind laut Feuerwehr von dem Hochwasser in Petershausen betroffen. Wer am Montag durch die Baumsiedlung geht, sieht überflutete Gärten und notdürftig ausgeräumte Keller. Überall stinkt es nach ausgelaufenem Heizöl. Im besonders betroffenen Gebiet am Heimweg, das direkt an der Glonn liegt, traf das Hochwasser die Anwohner mit voller Wucht.

Am Montag steht Sonja Otte vor dem Haus am Heimweg in Petershausen. Die Straße verläuft parallel zur übergelaufenen Glonn, die Menschen, die dort leben, hat das Hochwasser am schlimmsten getroffen. Die Feuerwehr evakuierte viele von ihnen – erst mit Radladern, dann mit Booten. Als Sonja Otte von der Nacht von Samstag auf Sonntag erzählt, zittert sie, hat Tränen in den Augen. „Ich hatte noch nie in meinem Leben so viel Angst“, erklärt sie. Erst kam das Wasser nur ganz langsam, dann ging alles super schnell, alles war überflutet.“ Dort, wo eigentlich der Eingang zu ihrer Wohnung ist, ist am Montagnachmittag noch immer: nur Wasser. Trotzdem hatten Sonja Otte und ihre Familie Glück: Sie war bereits in Sicherheit einen Stock höher, dort, wo die Schwiegereltern leben, als das Wasser kam. Freunde hatten zuvor stundenlang versucht, das Haus vor dem Hochwasser zu schützen. Doch schnell war klar: Hier gibt es nichts zu retten. Doch die Freunde helfen anders, sie bieten der Familie sofort ein vorübergehendes Zuhause an, stehen bereits einen Tag später wieder zur Stelle, um zu helfen. Sonja Otte ist überwältigt. „Wenn ich noch Tränen vergieße, dann nicht mehr wegen dem Zuhause, das wir verloren haben, sondern nur, weil ich von der ganzen Hilfsbereitschaft so gerührt bin.“

Zusammenhalt im Ort ist enorm

Der Zusammenhalt im Ort ist enorm. Innerhalb kürzester Zeit formierte sich über eine Whatsapp-Gruppe eine Hilfsgemeinschaft. 350 Petershauser sind Mitglied. Viele bieten alle möglichen Arten an, den Betroffenen zu helfen, erzählt Alexandra Hahn. Sie zieht gerade zusammen mit anderen Frauen einen Bollerwagen mit Getränken und Müsliriegeln durch die schlimm betroffenen Straßen. Sie weiß: „Hier helfen alle zusammen. In der Gruppe haben sofort Menschen Unterkünfte oder einfach eine heiße Dusche angeboten. Wieder andere erledigen Besorgungen.“ Die Gruppe hat eine Versorgungsstation eingerichtet, mittags gibt es dort zum Beispiel warmes Essen für jeden, der möchte. Die Stimmung ist trotz der verheerenden Lage vor Ort: hoffnungsvoll. Menschen, bei denen gerade der Keller ausgepumpt wird, machen Witze mit den Feuerwehrleuten. Monika Moosdiele (81), deren Keller komplett vollgelaufen war, zuckt mit den Schultern. „Jammern nützt ja nichts, da muss man jetzt durch. Dann kann ich das genausogut mit einem Lächeln.“ Sie ist dankbar für den Zusammenhalt in ihrer Nachbarschaft. Jeder hilft hier jedem. „Mein Enkel hat noch drei andere Nachbarn mit Pumpen versorgt.“

Große Hilfsbereitschaft: Alexandra Hahn (l.) und Marion Karmann verteilen Essen und Getränk.
Große Hilfsbereitschaft: Alexandra Hahn (l.) und Marion Karmann verteilen Essen und Getränk. © hab

Doch in vielen Häusern ist längst nicht nur das Wasser das größte Problem, es ist das ausgelaufene Heizöl. Denn die gefluteten Keller wurden teilweise durch das austretende Heizöl verunreinigt. In vielen Gärten und Pfützen ist deshalb an der Oberfläche ein leichter Ölfilm zu sehen. Das heißt, das Wasser kann nicht einfach ins Grundwasser abgepumpt werden, sondern muss von der Ölwehr in spezielle IBC-Container umgefüllt und abtransportiert werden. „Das Schlimmste ist der Gestank“, erzählt Michaela Lippmann, die in der Baumsiedlung wohnt. Auch ihr Keller wurde Samstagnacht vom Hochwasser überflutet. Das Wasser stieg in ihrem Haus sogar bis in den Wohnbereich. Deshalb werden sie und ihr Mann jetzt vorübergehend bei Freunden unterkommen. Der Geruch des Heizöls sei einfach zu stark. Doch auch Haushalte, die keine Ölheizung haben, sind von der Verschmutzung betroffen. „Bei uns ist das Öl vom Nachbarn in den Keller gelaufen“, erzählt Jens Ullmann. Er und seine Frau mussten in der Nacht von Samstag auf Sonntag tatenlos mit ansehen, wie der Pegel in ihrem Keller immer weiter anstieg. „Bis zur obersten Kellerstufe, dann hat es endlich aufgehört“, sagt er. An Schlaf war in dieser Nacht nicht zu denken. Zu groß war die Angst, dass das Wasser doch noch den Wohnbereich fluten könnte.

Viele haben nun Existenzängste

Viele, deren Zuhause unter Wasser steht, haben nun Existenzängste. Während am Montag ununterbrochen die Pumpen läufen und Menschen Möbel aus ihren Kellern tragen, hat Gerhard Moosdiele bereits einen Termin bei seiner Bank, will klären: Was übernimmt die Versicherung? Auch Sonja Otte hat finanzielle Sorgen. Hoffnung, Geld von einer Versicherung zu bekommen, hat sie: keine. „Uns versichert ja hier keiner“, erklärt sie verzweifelt. Für sie steht nach den Ereignissen am Wochenende fest: Dort, wo ihr Traumhaus steht, will sie nicht mehr wohnen. Aus Angst. „Ich will das nie wieder erleben müssen!“

Die Gemeinde hat eine Nummer und eine Mailadresse eingerichtet, an die sich Menschen, die Hilfe brauchen oder anbieten wollen, wenden können: 0 81 37/57 41 5 und hilfenetz@petershausen.de.

Spenden

Wer den Hochwasseropfern in Petershausen helfen möchte, kann dies mit einer Spende an die Ketter der helfenden Hände tun.

Sparkasse: DE29 7005 1540 0380 9731 15; Volksbank: DE68 7009 1500 0000 0199 50.

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