Scholz/Faeser vs. Söder/Herrmann: Wer Aschaffenburg-Zoff verliert, droht sein Gesicht zu verlieren

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Rest-Ampel gegen Bayern: Dem Verlierer des Aschaffenburg-Zoffs droht der Gesichtsverlust

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Wer hat Schuld, dass der Aschaffenburg-Angreifer noch in Deutschland war? Scholz, Faeser, Söder und Herrmann werfen sich gegenseitig die Vorwürfe zu. Das könnte Konsequenzen haben.

Berlin – Erstaunen ging nach der brutalen Tat von Aschaffenburg mit zwei Toten am Mittwochabend durch das politische Deutschland. Plötzlich nannte Bundeskanzler Olaf Scholz den Angriff eines 28-jährigen Afghanen, bei dem ein Kind (2) und ein Mann (41) ihr Leben verloren, eine „unfassbare Terror-Tat“. Dabei hatte die Polizei zu diesem Zeitpunkt bereits verkündet, dass wohl kein extremistischer Hintergrund vorlag.

Zoff nach Aschaffenburg-Tat: Scholz greift zu radikalen Worten

Es reiche nicht zu reden, verkündete Scholz weiter, man müsse „sofort Konsequenzen“ ziehen. Der Kanzler berief auch flott eine Art Blitz-Gipfel mit den Chefs der Sicherheitsbehörden und Innenministerin Nancy Faeser ein. Ziel: Die Frage, was denn eigentlich rund um den Verdächtigen, der eigentlich bereits hätte ausreisen sollen, schiefgelaufen sei. Er sei es „leid, wenn sich alle paar Wochen solche Gewalttaten bei uns zutragen“.

Schieben sich nach Aschaffenburg die Schuld zu: Söder und Herrmann sowie Scholz und Faeser. © dpa | Daniel Vogl + dpa | Boris Roessler

Radikale Linie, deutliche Worte, das Vorhaben, etwaige Probleme nun endlich anzugehen: So manch einer vermutet hinter Scholz‘ Ausfall auch ein wenig Wahlkampftaktik für die anstehende Bundestagswahl 2025. Die politische Konkurrenz, allen voran Sahra Wagenknecht oder auch Christian Lindner, schossen hingegen deutlich gegen Scholz zurück, der ja schließlich in der Regierungsverantwortung nicht gehandelt habe. Und auch in Bayern ist man alles andere als begeistert von Scholz plötzlicher Radikalität.

Bayern lässt Scholz-Vorwürfe nicht unkommentiert: Söder wettert – „heuchlerisch“

In Bayern lässt man solche Vorwürfe aus Berlin erfahrungsgemäß nicht lange auf sich sitzen. Ministerpräsident Markus Söder legte am Donnerstag in einer Pressekonferenz bereits nach, nannte Sätze, wie sie nun von Scholz kamen, „heuchlerisch“ und einen „Hohn“. Gemeinsam mit Friedrich Merz kündigte er einen neuen Knallhart-Asylplan an.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann legte auf selbiger Pressekonferenz sogleich nach, nannte Scholz‘ Aussagen vom Vortag „weit von der Realität entfernt“, schob die Schuld flott mal wieder zurück gen Berlin. Er warf dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) Versagen vor. Die Behörde untersteht dem Innenministerium. Dies habe eine mögliche Abschiebung des tatverdächtigen Afghanen im Dublin-Verfahren nach Bulgarien verhindert.

Herrmann schiebt die Schuld zurück nach Berlin: „Verantwortung allein liegt beim Bamf“

Laut Herrmann hätte der Mann bereits 2023 abgeschoben werden können. Allerdings sei die angeordnete Abschiebung den zuständigen bayerischen Behörden um Wochen verspätet mitgeteilt worden, sodass die vorgegebene Frist nicht mehr einhaltbar gewesen sei. Das Bamf habe dann bis zum Dezember 2024 keine Entscheidung zum Asylantrag getroffen. „Die Verantwortung dafür allein liegt beim Bamf“, so Herrmann. Seine Empfehlung an Scholz: Der Kanzler solle sich „voll mit den eigenen Behörden beschäftigen“.

Das wiederum ließ man in Berlin nun nicht lange auf sich sitzen. In einem Statement am Donnerstagnachmittag startete Innenministerin Nancy Faeser dann schon mit ganz klaren Vorwürfen in Richtung Bayern. „Die bayerischen Behörden müssen erklären, warum der Täter trotz mehrfacher Gewaltdelikte noch auf freiem Fuß war“, sagte sie am Donnerstag. In Bayern seien offenbar „einige Dinge schiefgelaufen“. Sie erwarte, dass Abschiebungen, für die die Länder zuständig seien, auch tatsächlich funktionierten. In einem Interview mit dem „heute journal“ des ZDF sagte Faeser, es gebe in den Bundesländern „zu wenig“ Abschiebehaftplätze. Die Bundesregierung werde sich „angucken müssen“, ob es sinnvoller sei, Abschiebungen von den Behörden der Bundesländer auf andere Behörden zu verlagern.

Scholz und Faeser keilen gegen Bayern-Politiker zurück: „Offensichtlich Vollzugsdefizite“

Kanzler Scholz stieg direkt mit ein. „Es gibt offensichtlich Vollzugsdefizite, insbesondere in diesem Fall bei den bayerischen Behörden“, sagte Scholz am Rande eines Wahlkampftermins in Erfurt. Dann die direkte Breitseite gen Söder und Herrmann: Er werde „nicht akzeptieren, dass diejenigen, die ihre Aufgaben machen müssen, sich jetzt damit beschäftigen, davon abzulenken“. Im Interview mit der Nachrichtensendung MDR Aktuell legte Scholz mit seiner Kritik nach. Es sei „schwer verständlich, dass es nicht gelungen ist, den Täter, der jetzt diese furchtbare Tat begangen hat, aus Deutschland rauszubringen“.

Berlin und Bayern schieben sich nun also gegenseitig den Schwarzen Peter zu. Die Debatte um Abschiebungen – die Scholz und Faeser ja bereits nach der grausamen Tat von Mannheim vorantreiben wollten – nimmt jetzt mehr denn je Fahrt an. Geschuldet ist dies sicherlich auch in Teilen dem Wahlkampf-Geschachere der Parteien. Für die Seiten Scholz/Faeser und auch Söder/Herrmann ist jedoch höchste Vorsicht geboten.

Gefährlicher Kleinkampf zwischen Berlin und Bayern: Wer ihn verliert, droht sein Gesicht zu verlieren

Noch ist nämlich nicht final geklärt, wo genau das Versäumnis der nicht vorgenommenen Abschiebung des Aschaffenburg-Angreifers wirklich liegt. Die Schuldzuweisungen beider Seiten liegen jedoch schwer. Und politisch droht der ein oder andere, sein Gesicht zu verlieren. Nur wer, das ist die Frage. Den Migrations-Hardliner Söder, der sich mit seinen Forderungen auch offensiv in die Bundespolitik um CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz einmischt, würde ein Versäumnis seiner Behörden in Bayern schwer treffen. Die Auswirkungen auch auf die Zustimmung zur Union auf Bundesebene könnten durchaus in Mitleidenschaft geraten.

Auf der anderen Seite wanken Scholz und Faeser gleich im Doppelpack, sollte sich verfestigen, dass das dem Bund unterstellte Bamf hier die Versäumnis-Verantwortung trägt. Sowohl der Kanzler als auch die Innenministerin waren bereits nach dem Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt erneut in die Kritik geraten. Der Vorwurf, zu wenig gehandelt zu haben in der Migrationsfrage, wiegt weiter schwer. Und würde noch deutlich schwerer wiegen, wenn die grausame Tat von Aschaffenburg sich nun als Fehler ihrer Bundesbehörde herauskristallisieren sollte.

Aschaffenburg-Debatte bringt Fahrt in Abschiebe-Diskussion – Scholz‘ riskantes Wahlkampf-Spiel

Zugleich spielt Scholz auch ein riskantes Wahlkampf-Spiel. Seine emotionale wie deutliche Reaktion dürfte eventuell auch ein Kalkül haben, sich beim nun wohl wichtigsten Thema vor der Bundestagswahl als Durchgriffs-Kanzler zu positionieren. Der Schlag gegen Söder, der sich ja besonders gern als Ampel-Kritiker in die Bundespolitik einmischt und die eventuell verbundenen Auswirkungen auf die Bundes-CDU kommen dem SPD-Kanzlerkandidaten dann auch ganz gelegen. Fatal wird es allerdings, wenn seine Schuldzuweisungen sich als unrechtens herausstellen.

Doch egal, ob nun Bayern oder Berlin die Schuld trifft: Die Abschiebe-Debatte wird nun unaufhaltsam weitergehen. Erste Ministerpräsidenten fordern bereits deutlich mehr Abschiebe-Flüge. Ein Sicherheitsexperte erklär nach Aschaffenburg: „Das System erschafft Täter“. (han/dpa/AFP)

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