Versäumnisse in Bayern? Schuldzuweisungen nach Messerangriff in Aschaffenburg – Menschen trauern in Park

  1. Startseite
  2. Bayern

Kommentare

Nach der tödlichen Attacke in Aschaffenburg brodelt die politische Debatte. Schuldzuweisungen und Forderungen prägen den Wahlkampf.

Das Wichtigste in
dieser Nachricht

Aschaffenburg - Eine schockierende Gewalttat erschüttert Aschaffenburg, während der Bundestagswahlkampf in vollem Gange ist Es gibt schwere Vorwürfe zur Tat, aber auch mäßigende Stimmen.

Vorwürfe nach Messerangriff in Bayern: Versäumnisse im Freistaat?

Nach der tödlichen Messerattacke in Aschaffenburg, die während des Bundestagswahlkampfs stattfand, setzen sich die gegenseitigen Schuldzuweisungen fort. Wie schon Bundeskanzler Olaf Scholz sprach Bundesinnenministerin Nancy Faeser (beide SPD) im ZDF-„heute journal“ von Versäumnissen auch in Bayern. „Für die Abschiebungen sind die Länder vor Ort zuständig. Wir stellen fest, dass wir zu wenig Abschiebehaftplätze haben und ja, wir haben hier Vollzugsdefizite.“

(Übrigens: Unser Bayern-Newsletter informiert Sie täglich über alle wichtigen Geschichten aus Bayern. Jetzt nach einer kurzen Registrierung bei unserem Medien-Login USER.ID anmelden.)

Menschen trauern in Aschaffenburg – der Verdächtige ist in einer Psychiatrie. © picture alliance/dpa | Daniel Löb (2)

Konstantin von Notz von den Grünen erklärte in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“: „Der Täter war ausreisepflichtig und hätte nicht mehr im Land sein dürfen. Deutlich wird erneut: Wir haben es in erster Linie mit einem Vollzugsproblem zu tun, keinem gesetzgeberischen.“ Scholz betonte in der „Bild“ die Notwendigkeit eines „Mentalitätswandel in allen Behörden“, um die verschärften Gesetze umzusetzen.

Nach Messerattacke in Aschaffenburg: Herrmann weist Vorwürfe zurück

Bayerns Innenminister Joachim Hermann (CSU) wies Vorwürfe in den ARD-„Tagesthemen“ zurück. Zu der Frage, ob Abschiebungen besser in die Zuständigkeit des Bundes übergehen sollten, sagte er: „Wenn der Bund sagen würde (...), er will das alles übernehmen, hätte ich nichts dagegen - aber das ist keine Forderung, die wir an den Bund richten.“

Achim Brötel, Präsident des Landkreistags, kritisierte die politische Debatte. „Schuldzuweisungen helfen nicht weiter“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Abschiebungen müssten vereinfacht werden. „Bislang sind wir in unserem Land zu oft ohne wirkliche Handhabe gegenüber Personen, die ausreisepflichtig sind.“

Friedrich Merz, Unions-Kanzlerkandidat (CDU), verschärfte nach der Tat seine Forderung nach umfassenden Grenzabweisungen. Alice Weidel, AfD-Kanzlerkandidatin, bot ihm in einem offenen Brief an, dies noch vor der Bundestagswahl mit der Union im Parlament zu beschließen.

Rolf Mützenich, SPD-Fraktionschef, äußerte in der „Augsburger Allgemeinen“: „Punktekataloge, vermeintlich starke Worte, schnelle Forderungen werden weder dem Leid der Opfer noch den trauernden Eltern, Angehörigen und Freunden gerecht.“ Herbert Reul, Innenminister von Nordrhein-Westfalen (CDU), sprach im „Kölner Stadt-Anzeiger“ von „Nebelkerzen-Aktionismus, der keinem was bringt“.

Zwei Tote bei Messerattacke: Aschaffenburger trauern in Park

Am Donnerstagabend versammelten sich rund 3000 Menschen zu einem stillen Gedenken in dem Park, in dem ein zweijähriger Junge und ein 41-jähriger Mann am Mittwoch erstochen wurden. Drei weitere Personen erlitten schwere Verletzungen.

Nach tödlichem Angriff in einem Park in Aschaffenburg
Rund 3000 Menschen trauerten am Abend um die Opfer. © Daniel Vogl/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Der 28 Jahre alte Afghane, der dafür verantwortlich sein soll, wurde per Unterbringungsbefehl des Amtsgerichts Aschaffenburg in ein psychiatrisches Krankenhaus eingewiesen. Ihm wird zweifacher Mord, zweifacher versuchter Mord und gefährliche Körperverletzung vorgeworfen.

Messerangriff in Aschaffenburg: Verdächtiger in Psychiatrie

Der mutmaßliche Täter war der Polizei und Justiz bereits bekannt, unter anderem wegen Gewaltvorwürfen und psychischen Auffälligkeiten. Er soll in einer Polizeistation randaliert und dabei drei Polizisten verletzt haben. Seit Dezember vergangenen Jahres stand er unter Betreuung, schon vorher soll er zweimal polizeilich in eine Psychiatrie eingewiesen worden seien.

Ein laufendes Ermittlungsverfahren gegen ihn war laut Staatsanwaltschaft noch nicht abgeschlossen, da ein psychiatrisches Gutachten in Auftrag gegeben wurde. Dieser Auftrag wurde jedoch ausgesetzt, da die Zentrale Ausländerbehörde mitteilte, der Beschuldigte wolle freiwillig ausreisen. Zuvor hatte er nach Angaben von Bayerns Innenminister Herrmann wegen fehlender Kommunikation zwischen Behörden und einer verstrichenen Frist nicht abgeschoben werden können.

Euphrosyne Gouzoulis-Mayfrank, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, sagte dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (RND): „Allein aus der Tatsache, dass ein Mensch eine psychische Erkrankung hat, lässt sich keine Gefährdung ableiten.“ Wenn Psychiater und Therapeuten Hinweise darauf erhielten, dass ein Patient eine Gefahr für sich oder andere darstelle, könnten sie aber auch heute schon tätig werden.

Der Marburger Sozialpsychologe Ulrich Wagner hält nach den Attentaten der vergangenen Monate - zuletzt auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt - auch für möglich, dass es zu Nachahmungseffekten kommt. „Je häufiger man von solchen Taten liest, umso eher kopieren das andere“, sagte er der „Rheinischen Post“. „Aber die Probleme nicht zu diskutieren, wäre auch völlig falsch. Eine Lösung für dieses Dilemma gibt es nicht.“

Auch interessant

Kommentare

Liebe Leserinnen und Leser,
wir bitten um Verständnis, dass es im Unterschied zu vielen anderen Artikeln auf unserem Portal unter diesem Artikel keine Kommentarfunktion gibt. Bei einzelnen Themen behält sich die Redaktion vor, die Kommentarmöglichkeiten einzuschränken.
Die Redaktion