Angebot aus Moskau - Putin offen für Friedensgespräche? Mit dem Vorstoß will Kreml-Chef drei Ziele erreichen
Kurz vor Weihnachten reiste der slowakische Ministerpräsident Robert Fico noch zu einem schnellen „Arbeitsbesuch“ nach Moskau und traf den russischen Präsidenten Wladimir Putin. Man wollte, so die offizielle Verlautbarung durch den Kreml, über „die internationale Lage“ sprechen.
Nun, keine Woche später, überrascht Putin mit der Ankündigung, für Friedensverhandlungen mit der Ukraine grundsätzlich offen zu sein. Der slowakische Regierungschef habe ihm sein Land als Ort für diese Verhandlungen angeboten.
„Wenn es so weit kommt, warum nicht?“, sagte der Kreml-Chef am Donnerstagabend zu Journalistinnen und Journalisten nördlich von Sankt Petersburg.
Warum geht Putin mit diesem Angebot an die Öffentlichkeit?
Die Russlandexpertin Susanne Schattenberg hält Putins Aussage aber kaum für ein ernstzunehmendes Gesprächsangebot. „Friedensverhandlungen sind ein sehr sensibles Unterfangen, das Diplomaten gewöhnlich sorgsam hinter verschlossenen Türen anbahnen“, sagt die Osteuropahistorikerin dem Tagesspiegel.
Zwar traue sie Fico zu, sich dem Kreml-Chef als Vermittler angeboten zu haben. Die entscheidende Frage sei aber, warum Moskau mit diesem Angebot an die Öffentlichkeit geht: „Dass der Kreml dies im Anfangsstadium publik macht, heißt eindeutig, dass er kein Interesse an Friedensgesprächen hat.“
Das scheinbare Gesprächsangebot passt gut in die bisherige Taktik des Kremls
Putin bekräftigte am Donnerstag auch, dass Russland trotz „Verhandlungsangebot“ an seinen Kriegszielen in der Ukraine festhält. Immer wieder behauptete Russlands Machthaber in den vergangenen Jahren, dass er das überfallene Nachbarland „demilitarisieren“ und „entnazifizieren“ wolle – diese Ziele dienten ihm gleichermaßen als Propaganda und Rechtfertigung für den völkerrechtswidrigen Angriff.
Für die Ukraine würde das unter anderem bedeuten, sich von einer Nato-Mitgliedschaft zu verabschieden und ihre Truppen aus den Regionen Saporischschja, Cherson, Donezk und Luhansk zurückzuziehen – auch aus ukrainisch kontrollierten Gebieten. Diese müssten als Teil Russlands anerkannt werden.
„Putin braucht diese ‚Gespräche‘ nur, um die westlichen Staaten zu entzweien und der Ukraine westlichen Nachschub abzuschneiden“
Das scheinbare Gesprächsangebot passe gut in die bisherige Taktik des Kreml-Chefs, sagt Susanne Schattenberg. „Er braucht diese ‚Gespräche‘ nur, um die westlichen Staaten zu entzweien und der Ukraine westlichen Nachschub abzuschneiden.“
Insbesondere mit der nahenden Rückkehr Donald Trumps ins Weiße Haus ist unklar, wie es mit der US-Hilfe für die Ukraine weitergehen wird.
Im Wahlkampf hat der ehemalige und künftige US-Präsident immer wieder behauptet, den Krieg in Europa innerhalb weniger Tage beenden zu können, und kritisierte die militärische und finanzielle Unterstützung für die Ukraine als zu teuer. Viele fürchten seitdem ein Ende der amerikanischen Milliardenhilfen.
West-Länder für „Friedensgespräche“? Dann hat Putin drei Ziele erreicht
Doch Putin geht es bei seinen Worten auch um eine Reaktion in Europa. Denn sobald sich mehrere EU-Länder für scheinbare „Friedensgespräche“ aussprechen, hätte der Kreml-Chef gleich drei Ziele erreicht:
1. Er würde laut Schattenberg beweisen, dass der Westen nicht standhaft ist.
2. Die militärische Unterstützung für die Ukraine würde möglicherweise abnehmen.
3. Und der Druck europäischer Staaten auf die Ukraine, sich Russland zu beugen, würde enorm steigen.
Zumindest in Deutschland scheint das zu wirken. In einer repräsentativen Umfrage des ZDF Anfang Dezember befürwortet eine knappe Mehrheit der Deutschen, dass der Westen die Ukraine dazu drängen sollte, Gebietsverluste zu akzeptieren, um den Krieg so zu beenden.
Zugleich, erklärt Susanne Schattenberg, dient dem Kreml-Chef sein angebliches Friedensangebot, um innen- wie außenpolitisch zu punkten.
„Er benutzt es entscheidend als Propagandamittel, um auf die Bevölkerungen Europas einzuwirken, die an Friedensverhandlungen glauben und nun sagen können: Seht, Putin ist doch für Frieden, nur die EU ist dagegen“, sagt sie.
Es ist vollkommen unzweifelhaft, dass Putin keinen Frieden schließen wird, solange er wie jetzt auf dem Vormarsch ist.
Damit mische sich Russlands Machthaber in europäische Wahlkämpfe ein. Ende Februar wird in Deutschland der Bundestag neu gewählt, insbesondere das Bündnis Sahra Wagenknecht als auch die rechte AfD versuchen bei Wählerinnen und Wählern zu punkten, indem sie Friedensverhandlungen mit Russland statt Waffenlieferungen an die Ukraine fordern.
„Ein Kriegsende ist für Putin derzeit nicht erstrebenswert“
Für Susanne Schattenberg ist es dagegen klar, dass Wladimir Putin kein echtes Interesse an einem Ende des Krieges in der Ukraine hat. „Es ist vollkommen unzweifelhaft, dass Putin keinen Frieden schließen wird, solange er wie jetzt auf dem Vormarsch ist.“
Zudem habe er sowohl die Wirtschaft als auch seine eigene Legitimation derart am Krieg ausgerichtet, dass „ein Kriegsende für ihn derzeit nicht erstrebenswert ist“.
Ganz offensichtlich will er die Einheit der Europäischen Union nicht nur testen, sondern diese durch derartige Provokationen unterminieren.
Es ist nicht das erste Mal, dass Moskau mit einem angeblichen Friedensangebot lockt. Erst im Sommer präsentierte Putin – nur einen Tag vor der ukrainischen Friedenskonferenz in der Schweiz – ähnliche, für die Ukraine unannehmbare Forderungen. Auch zuvor überraschte der Russlands Präsident immer wieder mit scheinbaren Verhandlungsofferten.
Doch ernsthaft einem Frieden interessiert, war Putin der Osteuropahistorikerin Susanne Schattenberg zufolge nie. Vielmehr würde er seine Grenzen immer wieder neu ausreizen wollen. „Ganz offensichtlich will er die Einheit der Europäischen Union nicht nur testen, sondern diese durch derartige Provokationen unterminieren.“
Von Maxi Beigang
Das Original zu diesem Beitrag "Putin gibt sich offen für Friedensgespräche: „Er braucht das, um die westlichen Staaten zu entzweien“" stammt von Tagesspiegel.