Die Stadt Kempten will Vereine bei der Sicherung von Veranstaltungen nicht alleine lassen

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Darf und kann es öffentliche Kulturveranstaltungen wie den Tag der Chöre in Zukunft geben? Eine öffentliche Diskussion darüber wurde in Kempten gerade gestartet. © Fischer

Die Kosten für Sicherheitsmaßnahmen bei öffentlichen Veranstaltungen bedeuten für deren Ausrichter eine immer größer werdende Hürde. Als Folge kommt es häufig zu Absagen.

Kempten – Die Stadt habe erkannt, dass sie mit den Folgen der Entwicklung, die mit der Love-Parade-Katastrophe anfing, die Vereine nicht allein lassen dürfe, erklärte Oberbürgermeister Thomas Kiechle im Ausschuss für öffentliche Ordnung. „Wir wollen eine lebendige Innenstadt und unsere Traditionsfeste erhalten“, betonte er.

Was kann die Stadt übernehmen und wo lassen sich die Kosten anderswo einsparen, seien schwierige Fragestellungen in der Zeit der Haushaltskonsolidierung. „Wenn der einzelne Veranstalter alles selbst schultern muss, wird es keine Veranstaltungen mehr geben“, behauptete der OB. Kiechle möchte im Rahmen der Haushaltsberatungen entsprechende Entscheidungen treffen. Vorher soll es zum Thema eine offene Diskussion geben. Das Gespräch im Ausschuss stelle in diesem Prozess den Auftakt dar.

Das richtige Maß zu finden, ist schwierig

Nadine Briechle, Leiterin des Rechts- und Standesamtes, hob hervor, dass die Verwaltung jede einzelne Veranstaltung genau anschauen müsse. Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wirkten bereits bei den Vorbereitungen unterstützend mit und suchten den Weg, den man miteinander im Guten gehen könne. Es sei aber nicht leicht, das richtige Maß zu finden. Um zu vertretbaren und gleichzeitig für die Besucherinnen und Besucher sicheren Lösungen zu kommen, werde man externe Expertise einholen.

Es sei schwer abzuschätzen, was eine realistische oder aber nur eine gefühlte Gefahr darstelle, betonte Gerti Epple (Grüne). Man sollte auf die Machbarkeit achten und darauf, dass man bei den Maßnahmen nicht nur auf-, sondern auch abschichte. Viele städtische Plätze müsse man neu bewerten und überlegen, ob man Veranstaltungen eventuell anderswo machen könne oder für den Faschingsumzug einen anderen Weg finde.

Forderung: Auch die Gefährder in Blick nehmen

„Wir dürfen uns als Gesellschaft von einzelnen Personen in unserer Freiheit nicht einschränken lassen“, sagte Dr. Dominik Spitzer (FDP). Die Attentate der letzten Zeit hätte man verhindern können. Es müsse eine Handhabe geben, um gegen Gefährder vorzugehen. „Damit sie uns nicht auf die Füße fallen.“ Dazu gehöre auch, dass das BKH an die Behörden entsprechende Signale sende. Er rät zu Investitionen in Sicherheitsmaßnahmen „mit Augenmaß“. Es gebe auch einfache Lösungen, die man in Baden-Württemberg bereits erfolgreich einsetze.

Den Bereich der Versammlungen müsse man aus dieser Diskussion ausklammern, antwortete Briechle auf die Frage von Thomas Landerer (FW). Die werden von der Polizei und der Versammlungsbehörde begleitet. Wenn man dort die gleichen Maßstäbe wie bei Veranstaltungen ansetzen würde, gäbe es keine Demonstrationen mehr.

„Habe ich für diese konkrete Veranstaltung das denkbare und mögliche Gefahrenpotenzial abgeschätzt?“, diese Frage müsse man sich stellen, sagte der Oberbürgermeister. In Magdeburg stelle die Staatsanwaltschaft die gleiche Frage an die Verantwortlichen. Die Erfahrungen aus den vergangenen Anschlägen müssten berücksichtigt werden.

Trotzdem dürfe man die Mauern nicht höher ziehen als notwendig. Es gebe auch normale Lebensrisiken. Man könne nicht mehr so denken wie vor fünf oder zehn Jahren, fügte Briechle hinzu. Die Sicherheitslücken müssten in gesundem Maß geschlossen werden. Das koste Geld, was die Veranstalter nicht mehr allein aufbringen könnten.

Gefahrenabwehr bei Veranstaltungen: Stadt Kempten im Dilemma

„Das Dilemma erkennen alle“, fasste Stadtdirektor Wolfgang Klaus zusammen. Einerseits wolle man eine lebendige Veranstaltungskultur haben, andererseits müsse man für die genehmigten Events die Verantwortung tragen. „Wenn wir was wollen, müssen wir es auch können und dürfen.“ Es gebe ein allgemeines Lebensrisiko, da hafte niemand. Die Stadt dürfe sich jedoch nicht haftbar „versündigen“. Wo liege aber die Grenze? Das wolle die Verwaltung von Externen beurteilen lassen. Die Haftung und die Verantwortung könne sie sich weder von einer Versicherung noch durch einen politischen Beschluss abnehmen lassen.

Der Ausschuss entschied sich einstimmig dafür, eine externe Expertise einzuholen.

Ist Kempten kriegstüchtig?

Nach dem Beschluss stellte Peter Wagenbrenner (CSU) die Frage: „Wie ist Kempten für einen Verteidigungsfall aufgestellt?“ Er hätte gerne in einer der nächsten Sitzungen einen Bericht darüber, wie die Krankenhäuser vorbereitet seien, wie es mit der Strom- und Wasserversorgung aussehe und ob es funktionierende Luftschutzkeller gebe. Er werde darauf immer wieder, vor allem von älteren Menschen, angesprochen.

Klaus erläuterte, dass diese Maßnahmen in die Zuständigkeit des Bundes gehörten, die Stadt sei zwar Teil einer wehrfähigen Struktur, aber dieses könne und müsse sie allein nicht leisten. Zum vom Bund organisierten Zivilschutz gehöre auch der Katastrophenschutz vor Ort (Feuerwehr, THW, usw.). Es gebe bewährte Abstimmungsstrukturen zwischen dem Militär und dem Zivilschutz. Ausführlicher dürfe er aber auf diese Themen öffentlich nicht eingehen. Die Ernährungssicherung sei auch ein wichtiges Thema, fügte Epple hinzu.

„In den nächsten Jahren werden Sachen in Umsetzung kommen, die vergessen sind. Und sie werden viel kosten“, sagte Kiechle und erinnerte daran, dass der Anteil der Militärausgaben in den Zeiten des Kalten Krieges bei fünf bis sieben Prozent lag.

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