90 Beamte auf Top-Posten versetzt - „Operation Abendsonne“: Was hinter der rot-grünen Beförderungswelle steckt

Wann immer eine Bundestagswahl ansteht, ordnet die noch im Amt verbliebene Regierung eine höchst geheime Aktion an, die „Operation Abendsonne“. Den Begriff pflegte der damalige Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) in einem Schreiben an alle Bundesminister 2017. Darin ermahnte er diese, vor der Bundestagswahl nur zurückhaltend Beamte in den Ministerien zu befördern, um nicht den Eindruck zu erwecken, die damalige Große Koalition würde vor einer möglichen Abwahl noch schnell hochdotierte Posten an Gefolgsleute verteilen. Das sei seit Jahrzehnten eine unpopuläre Praxis.

Geholfen hat Altmaiers Appell zumindest in der Außendarstellung wenig. Einige Monate nach der Wahl musste sich die neue CDU-geführte Regierung einer Kleinen Anfrage der FDP stellen, die eben Details zu jener „Operation Abendsonne“ wissen wollte. 118 Beamte des Höheren Dienstes wurden von Wahlkampfbeginn bis zur Wahl der neuen Bundesregierung noch in Posten befördert, die das Bundeskabinett billigen musste. 

Die „große Sauerei“? 

Aus Sicht der damaligen Bundesregierung habe sich die von Altmaier erbetene Zurückhaltung damit bewährt. Die Opposition sah das anders. Gleiches galt 2021, als der heutige FDP-Fraktionschef Christian Dürr 71 Beförderungen im gesamten Jahr als „große Sauerei“ betitelte.

Jetzt sitzt er selbst mit auf der Anklagebank: Die Gruppe des BSW im Bundestag hatte Ende Dezember eine Kleine Anfrage nach den Beförderungen vor und nach dem Ampel-Aus am 6. November 2024 gestellt. Die Bundesregierung antwortete, dass in den ersten zehn Monaten 337 Beförderungen anstanden, danach waren es bis Jahresende weitere 90. 

Beförderungen ab der Besoldungsstufe A15

Die Zahlen lassen sich schlecht vergleichen. Für 2017 fragte die FDP lediglich nach Beförderungen, die vom Bundeskabinett zu billigen waren. Das sind üblicherweise nur die allerhöchsten Posten in Ministerien, etwa neue Staatssekretäre, Abteilungsleiter oder Präsidenten von Bundesbehörden.  Das BSW hingegen fragte allgemeiner nach allen Beförderungen ab der Besoldungsstufe A15 (7846,32 Euro monatliches Grundgehalt). Von dort aus beförderte Personen müssen zwar oft vom Kabinett gebilligt werden, aber nicht immer.

Fest steht aber, dass die Zahl der Beförderungen zum Jahresende leicht angestiegen ist. Lag der Schnitt von Januar bis Oktober bei knapp 34 Beförderungen pro Monat, waren es in den letzten beiden Monaten des Jahres 45. Da die tatsächliche Antwort der Bundesregierung noch nicht verfügbar ist, ist aber unklar, ob als Stichtag Ende Dezember oder das Datum der Antwort, der 21. Januar, gewählt wurde. In letzterem Fall läge der Monatsschnitt bei 36 Beförderungen, was nur leicht über dem vorherigen Jahresschnitt war.

"Keine Mehrkosten entstanden"

Die Bundesregierung kann dabei Beförderungen nicht einfach nach Belieben durchführen. Erstens müssen dafür entsprechende Haushaltsmittel verfügbar sein. Das bedeutet in der Regel, dass Ministerien zu Jahresbeginn planen müssen, welche Stellen sie im Laufe des Jahres neu schaffen wollen oder welche Beamten auf Posten ersetzt werden müssen, weil die bisherigen Amtsinhaber zum Beispiel in Rente gehen. 

„Durch die Beförderungen/Höherstufungen sind keine Mehrkosten entstanden, weil ausschließlich freie Planstellen und Stellen besetzt wurden, die im Haushaltsplan ausgebracht sind und mit Haushaltsmitteln hinterlegt sind“, antwortete die Bundesregierung schon 2018 auf die Anfrage der FDP.

Zudem erfolgen die meisten Beförderungen anhand eines geregelten Prozesses. Beamte müssen sich meistens drei bis vier Jahre auf ihrem aktuellen Posten bewähren, bevor sie für eine Beförderung in Frage kommen. Das macht es generell auch wenig verwunderlich, warum viele Beförderungen am Jahresende angemeldet werden. Ministerien haben dann die Übersicht, ob noch entsprechendes Budget vorhanden ist und welche neuen Stellen für das neue Jahr geplant sind und besetzt werden können.

Welche Ministerien besonders viel befördern

Das bedeutet alles nicht, dass es keine „Operation Abendsonne“ gibt und Minister nicht gerne noch treue Mitarbeiter vor einer Wahl mit einem neuen Posten und mehr Gehalt belohnen. Mehrkosten für den Steuerzahler erzeugt das aber nicht, da die neuen Posten nicht aus der Luft geschaffen werden können. Zudem sagt die reine Zahl von Beförderungen wenig über eine geheime Operation aus.

Dennoch lohnt ein kurzer Blick auf die Liste. Nach einem Bericht der "Bild"-Zeitung wurde insbesondere in folgenden Ministerien befördert:

Entwicklungsministerium (Schulze, SPD): 26 Beförderungen nach Ampel-Aus
Arbeitsministerium (Heil, SPD): 16 Beförderungen nach Ampel-Aus
Kanzleramt (Scholz, SPD): 14 Beförderungen nach Ampel-Aus
Außenministerium (Baerbock, Grüne): 10 Beförderungen nach Ampel-Aus

Vor allem Arbeitsminister Hubertus Heil meint es gut mit seinem Leuten. Er beförderte laut "Bild" in den letzten zwei Monaten insgesamt 16 Personen. Neun davon landen ebenfalls in der Bundesbesoldungsgruppe A16 – sieben Beamte landen in der Gruppe B3 mit Spitzengehältern von monatlich 9603 Euro brutto.

Zum Vergleich: Vor dem Ampel-Aus sah die Liste der Beförderungen so aus: 
Außenministerium (Baerbock, Grüne): 82 Personen
Finanzministerium (Lindner, FDP): 40 Personen
Wirtschaftsministerium (Habeck, Grüne): 39 Personen
Landwirtschaftsministerium (Özdemir, Grüne): 39 Personen