Gefangen in einem „Systemfehler“: Kreisklinik arbeitet gut, macht aber Millionen-Defizit

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Die Kreisklinik ist auf einem guten Weg in eine gesicherte Zukunft, kämpft aber wie viele andere Krankenhäuser auch mit dem Gesundheitssystem. © sh/archiv

„Unsere Richtung stimmt, aber der Rahmen passt nicht mehr“, sagte Klinik-Geschäftsführer Ingo Kühn in der Kreistagssitzung, als er den Jahresbericht für die Kreisklinik in Wolfratshausen vorstellte. Der geplante Wohnungsbau für Mitarbeitende wird noch einige Zeit dauern.

Bad Tölz-Wolfratshausen - Die Umsatzerlöse stiegen um über 15,5 Prozent, die Behandlungen wurden komplexer, Kooperationen sind geschlossen, der Kreistagsbeschluss, eine zukunftsfähige Strategie zu entwickeln und umzusetzen, wurde konsequent verfolgt. Dennoch schloss die Wolfratshauser Kreisklinik das Jahr 2024 mit gut drei Millionen Euro Defizit ab – knapp fünf Millionen sind es, wenn man das Kreispflegeheim noch dazurechnet. „Unsere Richtung stimmt, aber der Rahmen passt nicht mehr“, sagte Klinik-Geschäftsführer Ingo Kühn in der Kreistagssitzung mit Blick aufs deutsche Gesundheitssystem, das „ein strukturelles Problem“ habe. „Es ist ein Systemfehler.“

Kreisklinik „steht gut da“

Unter dem leiden nahezu alle Kliniken. Nur zum Vergleich: Im Nachbarlandkreis Weilheim-Schongau rechnet man heuer mit einem Defizit von 12,5 Millionen Euro für die beiden Standorte. Für die Klinik Starnberg sind heuer 7,2 Millionen Euro veranschlagt. Das Defizit der Kreisklinik konnte im vergangenen Jahr stabil gehalten werden – obwohl die Löhne durch Tarifabschlüsse und auch die Energiekosten stiegen. „Das zeigt, dass unsere strategischen Maßnahmen greifen“, sagte Kühn.

Tatsächlich ist die Kreisklinik sogar zu erfolgreich, könnte man sagen. Auch das mag das Gesundheitssystem nicht. Für jede Klinik gibt es genau festgelegte Gesamtfallzahlen. Für jeden Fall, der diese Zahl überschreitet, erstatten die Krankenkassen pauschal weniger Geld. Fixkostendegressionsabschlag heißt das im Fachjargon. Rund 600 000 Euro haben zu viel erbrachte Leistungen die Klinik im vergangenen Jahr gekostet.

Ingo Kühn, Geschäftsführer der Kreisklinik Wolfratshausen.
Ingo Kühn, Geschäftsführer der Kreisklinik Wolfratshausen. © Sabine Hermsdorf-Hiss

Konzentration auf vier Versorgungsfelder

Auf dem Weg zu einer zukunftssichernden Strategie für die Kreisklinik wurde nach dem Beschluss 2021 zunächst der Ist-Zustand ermittelt. „Was ist unser Leistungsprofil, wo stehen wir bei den Fallzahlen, Case-Mix, Auslastung, Personal und Wirtschaftlichkeit“, sagte Kühn. Zudem seien die Megatrends im Gesundheitswesen analysiert worden. Dazu zählen Fachkräftemangel, Ambulantisierung, Spezialisierungsdruck, Digitalisierung oder auch Finanzierung der Engpässe. Daraus sei dann die Strategie entwickelt worden, deren Ziel es ist, Auslastung, Fallzahlen und letztlich das Ergebnis zu steigern. Dabei konzentriert man sich auf vier klare Versorgungsfelder: Zentrum für Geriatrie und Alterstraumatologie, Zentrum für Pneumologie und Weaning, Zentrum für Gastroenterologie und Viszeralchrirurgie sowie ein OP-Zentrum.

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Kühn erläuterte die Fortschritte auf dem Weg zur Umsetzung, berichtete aber auch von Hürden. Beispielsweise wolle man die Akutgeriatrie ausbauen, es gebe aber bauliche Probleme. „Wir haben Drei-Bett-Zimmer. Es dürfen künftig aber nur noch Zwei-Bett- oder Einzelzimmer sein.“ Erfolgreich war man beim Ausbau der Weaning-Station. „Hier haben wir von sechs auf zwölf Betten erweitert.“ Dafür brauchte man aber ausländische Intensiv-Pflegekräfte. „Dadurch war die Einarbeitung sehr mühsam.“ Es sei aber gelungen. Insgesamt halte die Kreisklinik 20 Intensivbetten vor, „was für ein 160-Betten-Haus erheblich ist“, so Kühn.

Zusammenarbeit mit LMU

Im Bereich Gastroenterologie arbeite man mit der LMU zusammen. „Wir können alle Krankheitsbilder abbilden, wenn nicht bei uns vor Ort, dann mit Hilfe der LMU. Die anschließende stationäre Versorgung können wir auf jeden Fall heimatnah gewährleisten.“ Beim OP-Zentrum habe man die Auslastung erhöht. 2021 habe man 150 endoprothetische Eingriffe vorgenommen, im vergangenen Jahr waren es 600. „Unser Ziel sind 1000“, so Kühn. Zudem sei man an Kassensitzen dran, um ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) zu gründen. Die Verhandlungen seien aber schwierig.

Fritz Meixner (SPD) bedankte sich bei Kühn. Seine Ausführungen würden „sehr eindrücklich zeigen, dass in unserer Kreisklinik was passiert. Nicht zufällig, sondern nach Plan, der zielgerichtet abgearbeitet wird.“ Den Jahresfehlbetrag müssen man vor den fragilen Rahmenbedingungen in einem labilen System sehen. Er hatte auch noch ein Zitat aus der Jahresabschlussprüfung der Wirtschaftsprüferin mitgebracht. Sie schreibt zur Klinik: „Sie stehen gut da. Ihnen ist es gelungen, durch Leistungssteigerungen die allgemeinen Kostensteigerungen aufzufangen. Und dazu muss man wissen, dass das aktuell nicht vielen gelingt.“

Wohnungsbau dauert noch

Nicht ganz so positiv sieht es beim geplanten Wohnungsbau für Mitarbeitende aus. Ob der vielen zu bearbeitenden Themen habe der Bau in der Klinik „nicht oberste Priorität“ genossen, sagte Kühn. Zudem habe man bei der Regierung von Oberbayern in Erfahrung gebracht, dass die Fördertöpfe heuer und 2026 nicht verfügbar sind. Man wolle nun aber im kommenden Jahr einen Förderantrag für 2027 stellen und den Bau dann vorantreiben, so Kühn. „Denn wir brauchen günstigen Wohnraum, um Personal zu gewinnen.“

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