Rechenfehler: Asylquote in oberbayerischem Landkreis seit Jahren zu hoch

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Ein Rechenfehler führte dazu, dass über Jahre die Quote, wie viele Asylbewerber der Landkreis aufnehmen muss, zu hoch angesetzt war. © IMAGO/Michael Bihlmayer

Die für den Landkreis vorgegebene Asylquote war jahrelang zu hoch. Auf den Rechenfehler wurde man kürzlich aufmerksam. Kein Problem, sagt das Ministerium. Der Landrat sieht das anders.

Bad Tölz-Wolfratshausen – Der Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen schaffte es einfach nicht. Über Jahre gelang es ihm nicht, die Aufnahmequote für Asylbewerber zu erfüllen, die erst das bayerische Sozial-, später das Innenministerium vorgab. Entsprechend großer Druck lastete auf Landrat Josef Niedermaier (FW), und entsprechend großen Druck gab er an die Gemeinden bei der Suche nach geeigneten Unterkünften weiter. Jetzt ist klar: Die Quote für den Landkreis wurde falsch berechnet. Seit 2016 galt eine deutlich zu hohe Zahl. „Der Berechnungsfehler lag darin, dass versehentlich die Einwohnerzahlen von Dachau für die Berechnung der Quote von Bad Tölz-Wolfratshausen zugrunde gelegt wurden und umgekehrt, daher sind beide Landkreise betroffen“, bestätigt das bayerische Innenministerium auf Anfrage des Tölzer Kurier. Sprich: Der Landkreis Dachau hätte in den letzten Jahren eigentlich deutlich mehr Geflüchtete aufnehmen müssen.

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Ende Juli wurden die Quoten neu festgelegt, kurz zuvor fiel der Rechenfehler auf

Ende Juli wurden die Quoten neu festgelegt. Kurz zuvor muss der Berechnungsfehler aufgefallen sein. Denn statt 3,2 Prozent der Geflüchteten muss der Landkreis nun nur noch 2,7 Prozent aufnehmen. In Dachau ist es im Prinzip umgekehrt. Dramatisch findet das Innenministerium das offensichtlich nicht. Für den Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen wären in den vergangenen Jahren 2,8 Prozent richtig gewesen, heißt es in einer Stellungnahme. „Eine Auswertung der Zahlen seit Ende 2022 ergab, dass die tatsächliche Erfüllungsquote im Landkreis 2,8 Prozent nicht überschritten hat, der Landkreis also nicht über Gebühr belastet wurde.“

Landrat spricht von hohem Druck durch nicht erreichte Quote

Landrat Niedermaier sieht das etwas weniger entspannt. Vor allem, dass das Ganze jetzt so lapidar abgetan werde, „verletzt mich und meine Mitarbeiter schon ein bisschen“, sagt er. Ja, es stimme, dass man die Quote – die falsche und auch die richtige – nie erfüllt habe. „Aber der Nachdruck, mit dem wir Turnhallen belegt oder auch größere Standorte in den Städten und kleineren Gemeinden akquiriert haben, wäre natürlich ein anderer gewesen. In jeder Bürgerversammlung habe ich die Quote an die Wand geworfen und gesagt: Leute, wir müssen was tun“, sagt der Landrat. Entsprechenden Druck gab es natürlich auch für die Bürgermeister, weil immer klar gewesen sei, dass es weitere Unterkünfte brauche, um überhaupt in die Nähe der Quote zu kommen. „Abwägungen wären eventuell anders gelaufen“, sagt Niedermaier. Bei ihm und seinen Mitarbeitern bleibe auf jeden Fall „ein fader Beigeschmack“. Auch, weil man nicht wisse, ob es bei der korrekten Quote überhaupt im selben Maße Zuweisungen gegeben hätte.

Landratsamt hat Zahlen durchaus auch früher schon hinterfragt

Das gilt umso mehr, da Niedermaier durchaus immer mal wieder die Zahlen hinterfragte – schließlich mussten einwohnerstärkere Landkreise wie Starnberg oder auch Weilheim-Schongau mit 2,9 Prozent eine deutlich geringere Zahl an Geflüchteten aufnehmen. „Dann wurde mir gesagt, dass die Rechenmethode, mit der der Königsteiner Schlüssel berechnet wird, kompliziert ist und nicht nur auf Einwohnerzahlen basiert“, sagt Niedermaier. Ähnlich sei es seinen Mitarbeitern ergangen. „Wir haben wirklich immer wieder mit Nachdruck nachgefragt, wurden aber abgespeist.“

Niedermaier erfuhr eher zufällig von dem Rechenfehler

Dass tatsächlich etwas nicht stimmt, sei erst bei einem Gespräch mit Vertretern des Innenministeriums über den sehr umstrittenen Standort Bairawies angeklungen. „Plötzlich hieß es, wir müssten hier nicht so Gas geben, weil es bei der Quote im Lauf des Jahres eine Änderung gibt“, sagt Niedermaier. Die falsche Berechnung sei allerdings erst einmal nur dem Landkreis Dachau mitgeteilt worden, Niedermaier erfuhr eher zufällig vor wenigen Tagen bei einer Videokonferenz mit dem Regierungspräsidenten davon.

Ob der Landkreis die neue Quote erfüllt, könne man im Moment nicht sagen. Die aktualisierten Zahlen würden dieser Tage veröffentlicht. Die Zuweisungen gehen aber erst einmal weiter. Auch nach neuen Standorten für Unterkünfte wird sich der Landkreis weiter umschauen. „Vor allem, weil Verträge für bestehende auslaufen“, sagt Niedermaier. Beispielsweise sei die Leichtbauhalle auf der Flinthöhe, die momentan als Erstaufnahmeeinrichtung dient, nur bis kommendes Jahr genehmigt. „Wir gehen aber davon aus, dass wir die Quote derzeit erfüllen.“ Das heißt: Akquiriert wird jetzt vielleicht mit etwas weniger Druck.

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