Russlands undurchsichtige Europa-Verbindungen – So umgeht der Kreml West-Sanktionen

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Russland kontrolliert Tausende Firmen im Westen. Unter anderem helfen sie dabei, Sanktionen zu umgehen. Die EU sucht nach Lösungen.

Moskau – Westliche Sanktionen schaden Russlands Wirtschaft immer mehr. Erst hatten kürzlich in Kraft getretene US-Sanktionen die russische Öl-Schattenflotte getroffen. In einer Konsequenz hatten mehrere chinesische Häfen russische Schiffe ausgesperrt. Gleichzeitig leidet der russische Bankensektor unter hohen Leitzinsen, während bei den Bürgern die hohe Inflation für Unmut sorgt. Allerdings gibt es bei westlichen Sanktionen nach wie vor schwere Lücken. Eine davon hat mit dem Netzwerk aus russischen Firmen zu tun, die sich in Europa ausgebreitet haben.

Russland unterwandert Europa – Tausende Briefkastenfirmen helfen Russlands Wirtschaft

Die Arten der Firmen sind vielfältig, genauso wie die möglichen Schäden, die sie verursachen. Zahlen der Ratingagentur Moody‘s zufolge sollen allein in Tschechien rund 12.500 Unternehmen mit Verbindungen nach Russland registriert sein, mehr als in jedem anderen Land der Europäischen Union (EU). Dabei hatte Tschechien – genau wie andere Verbündete der Ukraine – spätestens 2022 umfangreiche Maßnahmen eingesetzt, die Russlands Wirtschaft schaden sollen. Unter anderem hatte Tschechien eine der strengsten Visabestimmungen in Europa eingeführt.

Wladimir Putin in Moskau.
Wladimir Putin in Moskau (Symbolfoto). Russland kontrolliert Tausende Firmen im Westen. Unter anderem helfen sie dabei, Sanktionen zu umgehen. Die EU sucht nach Lösungen. © IMAGO / ITAR-TASS

Trotzdem ist das Land angeblich sehr attraktiv für den Kreml. Ein Bericht der Zeit zählt diverse Vorteile auf, die sogenannte Briefkastenfirmen haben, also Firmen, die nur auf dem Papier existieren und Millionenbeträge verschieben, ohne aber Geschäftstätigkeiten aufzuweisen. Sie können sowohl der Verschleierung dienen als auch Immobilien für spezielle Aufträge anmieten. „Und wir wissen, dass sie nach neuen Formen suchen, wie sie hier aktiv sein können – diese Unternehmen und Immobilien können also für Geheimdienstaktivitäten genutzt werden“, zitierte die Zeit Jiří Mazánek, Leiter der nationalen Sondereinheit zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität in Tschechien.

Für die innere Sicherheit sei das eine enorme Herausforderung. Der tschechische Inlandsnachrichtendienst BIS warnt seit Jahren vor einer Bedrohung, die von russischen Geheimdiensten aus dem Inneren der Republik ausgehe. Für die Polizei seien dabei vor allem zwei Formen der russischen Firmen relevant: Einmal wären das GmbHs, die zum Immobilienerwerb dienen, und inaktive GmbHs, die nur den Zweck haben, ein Bankkonto bei tschechischen Banken einrichten zu können. Sie erhalten Geld, das dann ins Ausland abwandert. Allerdings sei nicht bekannt, wie viele der russischen Unternehmen in Tschechichen kriminell aktiv sind.

Europa will gegen Briefkastenfirmen vorgehen – Millionen Firmen in der EU

Das Problem ist schon seit Längerem bekannt. Das Nachrichtennetzwerk Euronews hatte zum Beispiel im Februar 2024 berichtet, dass die EU-Gesetzgebung nach Mitteln und Wegen sucht, um die Briefkastenfirmenstrukturen zu zerschlagen. Potenziell sollen diese nämlich – zuzüglich zu den in Tschechien identifizierten Gefahren – Steuerhinterziehung und (in einigen Fällen) die Umgehung von westlichen Sanktionen gegen Russland ermöglichen. Euro News bezog sich ebenfalls auf Moody‘s-Zahlen und gab an, dass allein im Vereinigten Königreich fünf Millionen „verdächtige“ Firmen ansässig seien, EU-weit rund vier Millionen Firmen, wobei vor allem Frankreich und Zypern betroffen seien.

Um das herauszufinden, hatte die Analytik-Firma Millionen von Unternehmen und Individuen auf „dubiose“ Daten hin untersucht, zum Beispiel das Fehlen von Geschäftsaktivität. Dabei handele es sich jedoch nicht nur um russische Firmen.

Was bedeuten diese Briefkastenfirmen für die Wirtschaft der jeweiligen Länder? Hier sprach das Europaparlament schon 2018 eine deutliche Warnung aus. Unter anderem verursachen Briefkastenfirmen einen Verlust beim Steuereinkommen, Verluste bei der Produktivität, ein Schrumpfen des Bruttoinlandsprodukts – von unfairen Wettbewerbsvorteilen einmal ganz abgesehen. „Ich sehe keine guten Gründe, warum man Briefkastenfirmen haben sollte“, zitierte Euronews den niederländischen Politiker Paul Tang. Sie hätten zu starke negative Auswirkungen auf Steuerzahlungen und Russland-Sanktionen.

Briefkastenfirmen sollen bei Sanktionsumgehung helfen

Für Russland wiederum sind Briefkastenfirmen eine wahre Goldgrube. Laut einer Analyse von Harvard International Review nutzen viele russische Unternehmen und Oligarchen solche Firmen, um ihre eigenen finanziellen Mittel zu verbergen. Allein 2022 soll Russland Immobilien, Offshore-Cash und Investments im Wert von rund 80 Milliarden US-Dollar angesammelt haben. Außerdem sollen prominente Anwaltskanzleien aus dem Vereinigten Königreich und den USA russischen Oligarchen und ihren Familien dabei geholfen haben, mit den Russland-Sanktionen fertig zu werden. Damit hätten sie schon nach den ersten Sanktionen im Jahr 2014 begonnen, nachdem Russland die Krim annektiert hatte.

Gerade die Anonymität von Briefkastenfirmen erschwert oftmals die Durchsetzung von Sanktionen. Wenn eine solche Firma beispielsweise nicht mit einer sanktionierten Person in Verbindung gebracht werden kann, wäre es dieser möglich, auch nach Sanktionierung Geschäfte in Europa zu tätigen.

Dieses Problem beschäftigt westliche Sanktionsschmiede derzeit hinsichtlich der russischen Schattenflotte. Eigentlich sollen umfangreiche Sanktionen die Einnahmen Russlands aus dem Export von Öl und Gas mindern, aber eine Flotte aus Tankern, die größtenteils unter falscher Flagge unterwegs sind und mitunter Briefkastenfirmen gehören, erschwert dieses Vorhaben. Die europäischen Länder arbeiten unermüdlich daran, um die Pläne des Kreml-Chefs Wladimir Putin zu durchkreuzen – dafür müssten jedoch Werkzeuge her, die die Nutzung solcher Briefkastenfirmen entweder finanziell schädlich machen oder sie verhindern.

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