„Inakzeptabel“: Gemeinsame Fotos mit Putins Offizieren – Pistorius kritisiert Bundeswehr-Eklat
Ein friedliches Lächeln flankiert den barbarischen Krieg: Bundeswehr-Offiziere sehen in Russen weiterhin Sportsfreunde; und Wladimir Putin profitiert.
Berlin – „Deutsche und russische Soldaten Seite an Seite“, schreibt Julian Röpke. Den Bild-Autoren empört eine Fotografie, die eine Ansammlung lächelnder Offizieren zeigt – das Bild erinnert an eine Aufnahme für das Familienalbum; die Stimmung ist erkennbar gelöst. Weibliche sowie männliche Offiziere stehen dort in sechs Reihen hintereinander jeweils Schulter an Schulter in trauter Eintracht; Offiziere verschiedener Nationalitäten, deutsche neben denen Russlands – als bliebe der Ukraine-Krieg in Belangen des Sports außen vor. Laut der Bild herrscht ob dieser Harmonie in der Behörde von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) dicke Luft.
Das Bundesinnenministerium (BMI) dagegen vertieft seine guten Kontakte – auch zu Diktaturen; der Sport sei für Deutschland ein nationales und internationales Schaufenster und zugleich ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, schreibt das BMI auf seiner Website: „Das Bundesministerium des Innern pflegt als Ausdruck seines sportpolitischen Engagements eine enge Zusammenarbeit dieser Art mit China, Spanien, Russland, Israel und den Palästinensischen Gebieten.“
Zur Siegerehrung posierten acht Soldaten Russlandsneben sieben der Bundeswehr
Anscheinend also auch während eines Angriffskrieges, den einige dieser Sportkameraden zu verantworten haben. Ende Februar 2024 hatte in Bangladesch der Bogenschießen-Wettbewerb des Militärsportverbands CISM (Conseil International du Sport Militaire) stattgefunden. „Zur Siegerehrung posierten acht russische Soldaten direkt neben sieben Angehörigen der Bundeswehr, darunter dem Chef der deutschen Delegation, Oberstleutnant Christian Lützkendorf“, stellt die Bild klar.
„Ich vermeide es bewusst, auf öffentlichen Fotos zu erscheinen, weil es im Moment nicht angemessen ist. Es ist auch nicht angebracht, sich gegenseitig zu umarmen. Aber es ist völlig in Ordnung, dem Medaillengewinner die Hand zu schütteln, auch wenn er Russe ist.“
Damit soll jetzt aber Schluss sein – womit Deutschland deutlich hinter Europa hinterherhinkt. Bereits im April 2022 hatte das Europäische Parlament reagiert, also wenige Wochen nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine. Dieser Angriff hätte provoziert, dass Sport seine Neutralität zu politischen Themen aufgeben müsse, wie das EU-Parlament schrieb. Russland hätte den Bogen überspannt: Die ausrichtende Nation der Olympischen Winterspiele in Sotchi 2014 war sechs Jahre davor in Georgien einmarschiert; als die Winterspiele 2014 geschlossen wurden, rückte Russland auf die Krim ein und annektierte diese schließlich.
Nach Ausbruch des Ukraine-Krieges reagierte die Sportwelt schärfer – außer dem Militärsportverband CISM. Mitte April vergangenen Jahres hatte das russische Magazin Top War berichtet, dass der Internationale Rat für Militärsport (CISM) die Empfehlungen des Internationalen Olympischen Committees (IOC) ignoriere und russischen sowie belarussischen Athleten erlaube, unter ihrer eigenen Flagge anzutreten. In Berlin schien diese Nachricht als belanglos eingestuft worden zu sein.
Meine news
Trotz Ukraine-Krieg Schulterschluss vor den Augen der Welt
Wie Julian Röpke, schreibt, habe ein Sprecher des Verteidigungsministeriums aber erst kürzlich erklärt: „Das Ministerium hat bei Bekanntwerden der Fotos sofort reagiert und den Vorgang mit den Führungsverantwortlichen besprochen. Die teilnehmenden Bundeswehrsoldatinnen und Bundeswehrsoldaten an dem CISM-Wettbewerb wurden sensibilisiert. Es wurde deutlich gemacht, dass solche Fotos nicht akzeptabel sind.“ Was vermutlich an anderen Soldaten vorbeigegangen zu sein scheint, oder das Bild blieb tatsächlich lange ohne Beachtung.
Schließlich existieren weitere Dokumente, auf denen russische mit deutschen Kameraden den Schulterschluss vor den Augen der Welt demonstrierten – darunter auf der 79. CISM-Generalversammlung im Mai dieses Jahres in Tansania und auf der CISM-Basketballmeisterschaft im Juni in Serbien, wie das Blatt schreibt. Die anderen Sportorganisationen haben Russland dafür verurteilt, den Olympischen Frieden gebrochen zu haben – seitdem sind Russland und Belarus bis auf Weiteres von internationalen Wettbewerben ausgeschlossen; was beispielsweise auch für russische sowie belarussischen Clubs in Wettbewerben der Fußballverbände FIFA und UEFA gilt.
Ausnahmen erlebten die vergangenen Olympischen Spiele in Paris, als russische Athleten ohne Ausweis russischer Staatenzugehörigkeit teilnahmen. Wie Top War im vergangenen Jahr gemeldet hat. Das Magazin bezog sich im vergangenen Jahr auf eine Aussage des chinesischen Oberst Yijang Wang: Nachdem die Organisation sich geweigert hatte, russische oder weißrussische Athleten auszuschließen, hatte der damalige CISM-Vizepräsident betont, „dass sich die Organisation an ihren eigenen Regeln orientieren werde“, wie das Magazin schrieb.
Einige Nato-Partner haben Russland im Militärsport vor die Tür gesetzt
Das ist auch so geblieben. Der litauische Sender LRT hatte im Zusammenhang mit der CISM-Generalversammlung berichtet, dass einige Nato-Partner Russland im Militärsport vor die Tür gesetzt hätten. Der deutsche Bundeswehroberst Dirk Schwede sah dazu für sein Land keine Veranlassung. Nach Meinung des stellvertretenden Präsidenten enthielte das CISM-Statut keine Einschränkungen der Rechte der Kriegsparteien vor, „sodass die einzige Möglichkeit, Treffen mit russischen Vertretern zu vermeiden, darin bestehe, die Veranstaltungen zu boykottieren“, wie LRT berichtete. So wie das Litauen und mehrere andere Länder schon seit einiger Zeit täten. Zum Beispiel Lettland, Estland, Dänemark. Auch Polen habe das erwogen.
Im vergangenen Jahr meldete die russische Nachrichtenagentur Tass, dass Russland die Traditionen des Militärsports partnerschaftlich weiterentwickeln wolle. Anlass dafür war die 78. Generalversammlung sowie der Kongress des Internationalen Militärsportrats (CISM), der 2023 erstmals in Moskau stattfand, und zu dem Oberst Dirk Schwede eingeladen hatte; als damaliger CISM-Präsident. Russland und dessen Vorgänger, die Sowjetunion, hatten von jeher Wert darauf gelegt, mit überragenden sportlichen Leistungen die Überlegenheit des politischen Systems zu demonstrieren. Das war mit dem Ausbruch des Ukraine-Krieges zunächst Geschichte.
Putin plant parallel zum Ukraine-Krieg eine neue Welt des Sports
„Unmittelbar nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine wurde das größte Land der Welt in der Welt des Sports zum Paria. Russlands National- und Vereinsfußballteams wurden von internationalen Wettbewerben ausgeschlossen, darunter auch von der Weltmeisterschaft 2022 in Katar“, schrieb Karim Zidan Ende vergangenen Jahres – seither habe sich die strikte Suspendierung russischer Athleten sukzessive aufgeweicht, berichtet der Journalist für das Portal Play the Game des Dänischen Instituts für Sportstudien in Kopenhagen.
„Russland wird selbstverständlich auch weiterhin mit allen Mitteln die Weiterentwicklung der Sportkontakte und des Jugendaustauschs fördern“, hatte Putin öffentlich erklärt. Auch dahinter steckt eine Strategie, den bisherigen Institutionen des Sports eine Alternative entgegenzusetzen, wie Zidan zusammenfasst. Auch wenn der Diktator vorrangig die Rückkehr auf die internationale Bühne anstrebe – hier vor allem als regulärer Teilnehmer Olympischer Spiele – sieht der Journalist eine „bemerkenswerte vorübergehende Verschiebung“ in Putins Strategie, wie er schreibt.
„Er stellt sich eine neuartige Sportlandschaft vor, in deren Mittelpunkt die Bande der Freundschaft und die bilateralen Beziehungen stehen, die Russland derzeit unterhält“, so Zidan. Darin seien die geopolitischen Realitäten inkludiert – beispielsweise diejenigen, die sich aus dem Ukraine-Krieg ergeben, mitsamt der klaren Haltung der verschiedenen Blöcke: Naher Osten, Afrika und Asien gegenüber Europa und Nordamerika.
Deutschlands Militärsportler tun so, „als gäbe es den Krieg in der Ukraine nicht“
Offensichtlich bildet der Militärsportverbands CISM eine Art Scharnier – „als gäbe es den Krieg in der Ukraine nicht“, wie die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) getitelt hatte. Und die Fotos sind offensichtlich kein Ausweis eines zufälligen Fehltritts: Nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Berlin habe die Bundeswehr zwischen dem 24. Februar 2022 und dem 4. Juni 2024 mit gut 450 Athleten an 21 CISM-Wettbewerben teilgenommen, an mindestens drei davon gemeinsam mit russischen und belarussischen Soldaten, wie NZZ-Autor Marco Seliger schreibt.
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) will die Angelegenheit vom Tisch haben, wie Bild sein Ministerium zitiert: „Wir haben auf das dargestellte Ereignis reagiert: Seit dem Sommer wird geprüft, ob russische und belarussische Soldaten an den Veranstaltungen teilnehmen, und, falls ja, eine Teilnahme grundsätzlich abgesagt.“
Oberst Dirk Schwede wird weiterhin als Vizepräsident des CISM geführt; ebenso wie der russische Generalmajor Oleg Bootsman als Mitglied des Vorstands. Für den Deutschen kein grundsätzliches Hindernis, wie er gegenüber dem litauischen Sender LRT geäußert hat: „Ich vermeide es bewusst, auf öffentlichen Fotos zu erscheinen, weil es im Moment nicht angemessen ist. Es ist auch nicht angebracht, sich gegenseitig zu umarmen. Aber es ist völlig in Ordnung, dem Medaillengewinner die Hand zu schütteln, auch wenn er Russe ist.“