Hetzjagd bei Nacht: Ukrainische Drohne knackt Putins „Schildkrötenpanzer“
Die Nacht bietet kaum mehr Schutz, auch kein Panzer: Ukrainische Drohnen werden mächtiger – durch gut ausgebildete Piloten und Künstliche Intelligenz.
Kiew – „Unsere Piloten haben höchstes Können bewiesen“, prahlte die Drohnen-Abteilung des Militärs der Ukraine – das schreibt aktuell Forbes. Das Magazin berichtet damit über den erfolgreichen Einsatz einer FPV-Drohne (First-Person-View) gegen einen russischen „Schildkrötenpanzer“. Mit zwei Granaten soll Wladimir Putins Ungetüm ausgeschaltet worden sein. Die erste habe die zusätzliche Panzerung des Gefährts aufgebrochen, eine zweite sei dann unter die Ketten gesteuert worden. Der Clou an dem Coup: Die Aktion habe bei Nacht stattgefunden, schreibt Forbes.
Bemerkenswert scheint dabei einerseits zu sein, dass die Ukraine einen russischen Panzer bekämpft haben will mit den Mitteln, gegen die er eigentlich gebaut ist; andererseits scheinen die separaten unbemannten Systemstreitkräfte den technologischen Fortschritt der ukrainischen Armee zu beschleunigen, wie Mychajlo Fedorow nimmermüde wiederholt. Laut dem ukrainischen Minister für digitale Transformation hätten die Drohnen des Landes „die Situation auf dem Schlachtfeld grundlegend verändert“, wie ihn Forbes zitiert.
Gegen Putin ist die Kompetenz von Drohnen-Piloten gefragter denn je
Die Kompetenz von Drohnen-Piloten ist also gefragter denn je in der Ukraine. Das Land verfügt inzwischen über eine Drohnen-Akademie, wie die Kiew Post berichtet hat. Das Gelände umfasse einen Hindernisparcours aus Tunneln, Reifen, Barrieren und beweglichen Käfigfahrzeugen, in dem die Piloten lernen, wie sie über, um und durch Objekte fliegen, Störsender und elektronische Kampfangriffe überwinden und bewegliche Ziele verfolgen, jagen und treffen.
„Wenn der brutale Testangriff der 118. Mechanisierten Brigade auf einen lebenden Russen ein Hinweis ist, funktionieren die Drohnen bereits ziemlich gut.“
„Wir müssen unsere Piloten und Bediener ständig weiterbilden. Die Welt der unbemannten Systeme verändert sich ständig und der Feind entwickelt bestimmte Methoden oder kann uns daran hindern, unsere Aufgaben zu erfüllen“, zitiert die Post einen Ausbilder, der sich „Teenager“ nennt. Hier zeigt der Krieg seine Dynamik. Mit jeder Innovation nimmt die Spirale eine neue Windung: Der Kampf Drohne gegen Kampffahrzeug führte zum Schildkrötenpanzer, und jetzt entwickeln die ukrainischen Drohnenpiloten Techniken, um dessen Achillesferse anzusteuern.
Darüber hinaus hat sich die Ukraine Ende vergangenen Jahres auf Angriffe in der Nacht umgestellt. Besonders die Nemesis-Gruppe sei dafür bekannt, schreibt Forbes – Nemesis steht in der Mythologie für die Göttin des gerechten Zorns und des Ausgleichs. Die ukrainischen Soldaten würden nachtaktiver mit Drohnen, die über Infrarotkameras verfügten und den Blick damit öffneten für bewegliche Ziele. „Unsere Ausbildung läuft in mehreren Phasen ab“, erläuterte der Soldat „Glory“ der Kiew Post. „Es beginnt mit einer Basis aus Sommerübungen, dann folgt eine zweite Phase mit komplexeren Übungen und dann gibt es Anwendungstaktiken, bei denen unsere Piloten lernen, dem Feind entgegenzutreten, eine Nachahmung dessen, was auf dem Schlachtfeld passiert.“
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Drohnen im Ukraine-Krieg: Nato hat den Ernst der Lage offenbar erkannt
Auch andere Armeen bilden verstärkt Drohnenpiloten aus. „Ihr Cockpit befindet sich dabei in einer Bodenkontrollstation, die zusammen mit der Drohne und den zugehörigen Kommunikationseinrichtungen ein System bilden“, schreibt die Bundeswehr auf Ihrer Karriere-Seite im Netz. Die Ausbildung eines Drohnenlenkers ist vergleichbar mit der eines Kampfjet-Piloten. Die Aufgabe ist insofern aber komplexer, als der Drohnenpilot nur unmittelbar das Geschehen verfolgt und deshalb abstrakter denken muss.
Die Operationen werden zuweilen auch gemeinsam mit anderen Luftfahrtbesatzungen, Bodentruppen und insbesondere anderen, bemannten Luftfahrzeugen durchgeführt, wie die Bundeswehr erläutert. Auch hier erfolgt ein Gefecht der verbundenen Waffen. Und die Nato hat den Ernst der Lage offenbar erkannt. Wie die Nachrichtenagentur Reuters meldet, habe die nordatlantische Verteidigungsallianz gerade eine Drohnen-Übung in den Niederlanden durchgeführt – um sich durch die Ukraine auf einen möglichen nächsten Konflikt ausbilden zu lassen.
Quelle vieler Verluste: Drohnenpiloten als Scharfschützen des modernen Militärs
„Man muss schnell sein“, sagte Claudio Palestini über den Wettlauf, den Auswirkungen von Drohnen entgegenzuwirken, wie Reuters schreibt. „Die Technologie, die man entwickelt, ist drei Monate, vielleicht sechs Monate lang verfügbar. Danach ist sie veraltet.“ Die Übungen auf einem niederländischen Militärstützpunkt des Joint Ground-Based Air Defense Command in Vredepeel in der niederländischen Provinz Limburg beinhalteten Tests hochmoderner Systeme zur Erkennung und Abwehr von Drohnen und ihre Zusammenarbeit. Mehr als 20 Länder und rund 50 Unternehmen haben teilgenommen.
„Drohnenpiloten sind zu den Scharfschützen des modernen Militärs geworden“, schreibt Tim Mak: Sie operierten im Dunkeln und versteckten sich vor aller Augen – sie seien für die Streitkräfte von entscheidender Bedeutung – sowohl als Machtmultiplikator für die eigene Seite als auch als Tiefschlag für die Moral der Gegner, führt der Autor des ukrainischen Blogs Counteroffensive.News, aus. Forbes berichtet aktuell darüber, dass die Ukraine mit Drohnen jetzt außer den Panzern auch einzelne Soldaten zu jagen scheint. Demnach soll eine neue Drohne einen russischen Soldaten im Freien überrascht und ihn ums Leben gebracht haben – unglücklicherweise, wie Forbes betont.
Demnach soll ein Drohnenpilot der 118. Mechanisierten Brigade der ukrainischen Armee im südukrainischen Bezirk Saporischschja mit einem Quadrocopter an der Front patrouilliert sein, als ihm ein einsam auf einem Feldweg marschierender Russe aufgefallen war. Die mit Sprengstoff beladene FPV-Drohne soll dann aus vermeintlich unbekannten Gründen über dem Russen abgestürzt sein – eine zweite Drohne hat das gefilmt – die Bilder kursieren im Netz. „,Die Manövrierfähigkeit ist beeindruckend‘, bemerkte They Say Sniper, ein beliebter ukrainischer Blogger“, wie Forbes schreibt.
Die Zukunft: Hetzjagd auf Schildkrötenpanzer als Auftakt dessen, was künftig möglich sein wird
Die Innovation der Drohne soll die individuelle Kompetenz des Piloten ergänzen und letztendlich ersetzen. „Künstliche Intelligenz im Bordprozessor einer FPV kann die Umrisse eines Menschen erkennen und die Drohne in den letzten Sekunden des Flugs automatisch steuern, wenn das Zielen für viele Bediener am schwierigsten ist“, schreibt Forbes-Autor David Axe. Die Hetzjagd auf den Schildkrötenpanzer mag als Auftakt dazu gelten, was künftig möglich sein wird.
In den ersten beiden Jahren des Konflikts hing die Wirkung einer Drohne fast ausschließlich von den Kompetenzen ihrer Bediener ab. Normalerweise bedient ein menschlicher Pilot mit einem Virtual-Reality-Headset eine FPV-Drohne in Echtzeit ferngesteuert. Offenbar haben die ukrainischen Piloten ihre russischen Gegner in dieser Kategorie bisher ausgestochen. Die Drohnen-Akademie der Ukraine feilt genau dieses Stärken weiter aus.
„Es gibt Trainingsgelände zum Trainieren motorischer Fähigkeiten, es gibt statische Ziele, es gibt Tools, mit denen sich Piloten vorbereiten und lernen können, nicht nur unter Trainingsbedingungen zu arbeiten, sondern unter Bedingungen, die denen eines Kampfeinsatzes so nahe wie möglich kommen“, sagt „Teenager“. Auch die Privatwirtschaft unterstützt die Entwicklung von Drohnen-Soldaten: Der Dignitas Fund beispielsweise sei von Lyuba Shipovich, einer in der Ukraine geborenen US-amerikanischen IT-Firmeninhaberin, mitbegründet worden, schreibt das Magazin Euromaidan Press.
Beschlossen: Ukraine unterstützt Frankreich mit einem Ausbildungszentrums für Drohnenpiloten
Ziel des Fonds sei demnach, Ukrainern zu helfen, die Drohnentechnologie zu beherrschen. Die Wirkung scheint laut Autor Bohdan Ben beträchtlich zu sein: Im Rahmen des Victory Drones-Programms seien bis zur ersten Hälfte des Jahres 2024 insgesamt 92.000 Soldaten ausgebildet worden. Diese Erfahrungen teilt die Ukraine künftig nicht nur mit der gesamten Nato, auch einzelne Länder wollen individuell profitieren, schreibt aktuell das ukrainische Magazin United24 Media.
Demnach sei die Ukraine bereit, Frankreich mit der Einrichtung eines Ausbildungszentrums für Drohnenpiloten zu unterstützen. Ziel sei, den Erfahrungsaustausch im Drohneneinsatz zu erleichtern. Diese Ankündigung habe der ukrainische Verteidigungsminister Rustem Umerow nach seinen Treffen mit den Verteidigungsministern Frankreichs, Großbritanniens, Italiens und Deutschlands gemacht, so das Medium.
Angesichts des einzelnen getöteten Soldaten scheint aber der fähige Drohnenpilot von der Künstlichen Intelligenz schnell abgelöst zu werden, wie Forbes-Autor David Axe sarkastisch anmerkt: „Wenn der brutale Testangriff der 118. Mechanisierten Brigade auf einen lebenden Russen ein Hinweis ist, funktionieren die Drohnen bereits ziemlich gut.“