Bundeswehr wehrlos bei Drohnen-Spionage? „Komplexe Zuständigkeiten“
Kleines Gerät, große Wirkung: Die Bundeswehr vermutet, dass Russland hinter den vermehrten Drohnenüberflügen über Bundeswehrgelände steckt. Die Abwehr gestaltet sich schwierig.
Berlin – Bereits vor Beginn des Ukraine-Kriegs flogen rund eine Million privater Drohnen im deutschen Luftraum – schon damals eine Herausforderung für die deutsche Flugsicherung. Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine stellt die Bundeswehr an ihren Standorten in Deutschland immer häufiger unerlaubte Drohnen-Überflüge fest. Experten gehen von mutmaßlicher Spionage Russlands aus, Abhilfe gibt es derzeit noch nicht in ausreichendem Maße.
Seit Beginn des Ukraine-Kriegs: Spionageflüge mit Drohnen über Deutschland häufiger
Drohnen gewinnen im Ukraine-Krieg immer mehr an Bedeutung: zur Aufklärung, aber auch zum Angriff. Mit vergleichsweise simplen Mitteln lässt sich so eine große Wirkung erzielen. Sowohl Kiew als auch Moskau haben die unbemannten Flugobjekte im Einsatz. Russland nutzt die Flugobjekte offenbar auch für Spionageaktivitäten über Deutschland, so die Vermutung. „Die Anzahl entsprechender Vorfälle ist in jüngerer Vergangenheit gestiegen“, bestätigte ein Sprecher des Territorialen Führungskommandos der Bundeswehr gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa).
Bislang habe man keinen Weg gefunden, diese mutmaßlichen Spionagetätigkeiten zu beenden, hieß es weiter. Deutsche Soldatinnen und Soldaten seien aber wachsamer mit Blick auf mögliche Ausspähversuche. Vermutet werde nach Einschätzung des Militärischen Abschirmdienstes (MAD), dass die mutmaßliche Spionage sich unter anderem auf die Ausbildung ukrainischer Soldaten in Deutschland beziehe. Aktenkundige Verdachtsfälle gab es im bayerischen Wildflecken, in Grafenwöhr und im rheinland-pfälzischen Idar-Oberstein sowie am Truppenübungsplatz Altengrabow in Sachsen-Anhalt.
Drohnensichtungen über Bundeswehrgelände: „Eindeutig, in welche Richtung es geht“
Trotz zahlreicher Vorfälle gab es bislang noch keine Festnahmen von Drohnenpiloten. Die dpa vermutet als Grund dafür auch „komplexe Zuständigkeiten“: Denn über Bundeswehr-Gebiet dürfen Angehörige der Truppe Straftaten verhindern und innerhalb der Vorgaben des Gesetzes auch Personen festhalten, hieß es vom Territorialen Führungskommando. Außerhalb von Bundeswehr-Liegenschaften ist hingegen die Polizei des jeweiligen Bundeslandes zuständig. Ohne Festnahmen fehlen indes auch konkrete Beweise: Ob die gesichteten Drohnen tatsächlich vom russischen Geheimdienst losgeschickt wurden, ist derzeit nicht nachgewiesen.
Doch die Überflüge würden gerade zu Beginn und zum Ende von Ausbildungsmaßnahmen für ukrainische Soldaten beobachtet, teilte das MAD mit. Daher sei es „relativ eindeutig, in welche Richtung es geht“, hatte MAD-Präsidentin Martina Rosenberg im vergangenen Herbst erklärt. Mit der russischen Offensive und den damit verbundenen Folgen seien die Themen Spionage und Cyberabwehr deutlich in den Vordergrund gerückt, betonte der Militärische Abschirmdienst bereits in seinem Report 2021/22.
Drohnen-Regeln in Deutschland
In Deutschland ist die Verwendung handelsüblicher Mini-Drohnen nur dann gestattet, wenn das Gerät in Sichtweite des Benutzers bleibt. Technisch möglich ist es aber, das kleine unbemannte Flugobjekt in mehreren Kilometern Abstand zur Fernsteuerung fliegen zu lassen. Wer eine Drohne mit Kamera benutzt, muss diese registrieren. Je nach Größe und Gewicht der Flugobjekte gibt es unterschiedliche Abstandsregeln.
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Bundeswehr mit neuer Drohnen-Abwehr: Serienreife im Jahr 2028
Zur Abwehr von Drohnen hatte die Bundeswehr während des Einsatzes in Mali 2018 den HP-47 Effektor-Abwehrstörsender beschafft. Laut eigenen Angaben der Truppe kann das Gerät Störsignale aussenden, die unter anderem die Funksignale zur Fernsteuerung sowie die Übertragungssignale für eine Bildübertragung per Video oder Fotokamera unterbrechen. Damit könnten anfliegende Drohnen gestoppt und kontrolliert zur Landung gezwungen werden. In Ergänzung dazu habe man jüngst unbürokratisch weitere moderne Systeme beschafft, hieß es im Dezember in einer Mitteilung des Territorialen Führungskommandos.
Insgesamt mangelt es in der Bundeswehr noch an einem schlagkräftigen System gegen Drohnen. Die Truppe selbst spricht von einer „signifikanten Fähigkeitslücke“. Abhilfe soll nun ein „Luftverteidigungssystem Nah- und Nächstbereichsschutz“, kurz LVS NNbS, schaffen. Wie jüngst bekannt wurde, schlossen sich die drei deutschen Rüstungskonzerne Rheinmetall Electronics, Diehl Defense und Hensoldt Sensors zusammen, um den Drohnen-Killer zu entwickeln. Das System eigne sich ebenso für den Raumschutz, wie für die Verteidigung bewegter Truppen gegen Angriffe aus der Luft, hieß es. Bis zum ersten Einsatz kann es allerdings noch dauern: Die Serienreife ist für 2028 geplant (bme mit dpa).