„Gott sei Dank“: Chef der Unternehmervereinigung begrüßt „richtige Entscheidung“ der Stadt
Die Stadt Wolfratshausen hat eine neue Gewerbefläche ausgewiesen. Christian von Stülpnagel, Vorsitzender der Unternehmervereinigung Wirtschaftsraum Wolfratshausen, begrüßt die Entscheidung.
Wolfratshausen – Krisen, Kriege, Inflation, Konsumflaute: Der deutsche Wirtschaftsmotor stottert. Das Bruttoinlandsprodukt sank im vergangenen Jahr nach Angaben des Statistischen Bundesamts in Wiesbaden um 0,3 Prozent im Vergleich zu 2022. An eine zeitnahe Erholung glauben viele Ökonomen nicht. „Wir stecken in einer Rezession“, konstatiert der Vorsitzende der Unternehmervereinigung Wirtschaftsraum Wolfratshausen (UWW), Christian von Stülpnagel. „Und wir rutschen voraussichtlich noch tiefer rein.“ Die UWW gründete sich heuer vor 50 Jahren, ihr gehören aktuell knapp 120 Mitglieder aus Wolfratshausen und der näheren Umgebung an. Seit 2012 heißt der Vorsitzende von Stülpnagel, Inhaber und Geschäftsführer der in der Loisachstadt beheimateten eg-electronics GmbH.
Im Gespräch mit unserer Zeitung erinnert der UWW-Chef an die Corona-Krise, den Angriff der russischen Armee auf das Nachbarland im Februar 2022, den Konflikt im Nahen Osten sowie die deutlich gestiegenen Energie- und Lebensmittelpreise. Die grassierende Inflation und hohe Kreditzinsen senken die Investitionslust und bremsen die Bauwirtschaft aus. An die Schaffung von erschwinglichem Wohnraum „ist derzeit nicht zu denken“, stellt von Stülpnagel fest. Diese Info hat er aus erster Hand, der 70-Jährige ist Vorsitzender des Aufsichtsrats der Baugenossenschaft (BG) Wolfratshausen. Bislang habe die Genossenschaft „wie wild gebaut“, doch wie der BG-Vorstand um Britta Wurm betont auch der Aufsichtsratsvorsitzende: „Solange der Baugenossenschaft oder der StäWo, der Städtischen Wohnungsbaugesellschaft, keine günstigen Grundstücke angeboten werden, wird die nächsten Jahren nichts mehr passieren.“
Wir brauchen Frauen und Männer, die anpacken, die in der Produktion arbeiten, die an der Maschine oder in der Backstube stehen.
Die Politik setzt die Leitplanken, schafft die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft. Das, so meint der Wolfratshauser, sei der Ampel-Regierung in Berlin offenbar nicht ganz klar: „Da wird entschieden, ohne dass die Konsequenzen bedacht werden.“ Als Beispiele nennt er das am 1. Januar in Kraft getretene neue Gebäudeenergiegesetz, im Volksmund Heizungsgesetz genannt, und die Subventionskürzungen beim Agrardiesel. „Unsicherheit“ habe die Bundesregierung in der Wirtschaft ausgelöst, die Politik habe sich darüber hinaus mittlerweile nach seiner Einschätzung „sehr weit von den Bürgerinnen und Bürgern entfernt“.

Ein Dorn im Auge ist von Stülpnagel wie vielen UWW-Mitgliedern, darunter Global Player, mittelständische Betriebe, kleine Handwerksfirmen und Dienstleister, die überbordende Bürokratie. Häufig sei angekündigt worden, die Axt an „immer neue Vorschriften, Normen, Dokumentations- und Kennzeichnungspflichten sowie Ausführungsbestimmungen“ zu legen. „Und was ist passiert? Null Komma nichts!“
Für Millionen-Gehälter von Konzernmanagern hat der UWW-Vorsitzende kein Verständnis
Angesichts einer robusten Wirtschaft sowie „Vollbeschäftigung“ im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen werde ihm beim Blick in die Zukunft „nicht angst und bange“. Doch auch die hiesigen Betriebe würden die zunehmende „Akademisierung“ spüren. „Es fehlen Mittelschüler“, eine Folge sei der latente Facharbeitermangel. „Handwerk hat goldenen Boden“, in diesem Sprichwort stecke nach wie vor ein wahrer Kern. „Wir brauchen nicht nur Frauen und Männer, die einen Bürojob im Homeoffice ausüben“, sondern es seien auch die gefragt, „die anpacken, die in der Produktion arbeiten, die an der Maschine oder in der Backstube stehen.“ Was es nach Meinung des Unternehmers übrigens nicht braucht, sind Konzernmanager, deren Jahressalär jenseits der Zwei-Millionen-Euro-Grenze „plus Boni-Zahlungen“ liegt. „Das ist zu viel des Guten, dafür habe ich kein Verständnis. Auch ein Manager ist nur ein Mensch mit zwei Beinen.“
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Von der Erhöhung der Gewerbesteuer rät von Stülpnagel ab
Dass hier und da Kommunen aufgrund eines leeren Stadtsäckels über die Erhöhung der Gewerbesteuer nachdenken „ist doch ein alter Hut“, winkt von Stülpnagel ab. Der Stadt Wolfratshausen rät er in diesen Zeiten dringend davon ab, „an dieser Schraube zu drehen, das ist derzeit nicht sinnvoll“. Auf der anderen Seite sei die Gewerbesteuer kein K.-o.-Kriterium, wenn ein Unternehmen die Standortfrage beantworten müsse. „In der Regel bringt’s einen Betrieb nicht um.“ Der UWW-Vorsitzende gibt aber zu bedenken: Ein erkleckliches Sümmchen kassiert die Stadt über die Einkommensteuer – heuer rechnet Wolfratshausens Kämmerer Peter Schöfmann mit mehr als 16 Millionen Euro. Wer zahle unterm Strich die Zeche? „Die Arbeitgeber – und das Geld muss erst einmal erwirtschaftet werden.“
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Kurze Ergänzung zum Thema Gewerbesteuer (Kämmerer Schöfmann und Bürgermeister Klaus Heilinglechner erwarten heuer gut 13 Millionen Euro): „Ja, die Abgabe müssen wir zahlen, das ist auch in Ordnung“, so von Stülpnagel. „Quid pro quo“, wer etwas gibt, möchte eine Gegenleistung, sagen die alten Lateiner. Sprich: Für das Geld „erwarten wir unter anderem eine gute Infrastruktur, dazu gehören gute Straßen, Parkplätze und schnelles Internet.“
Wenn sich die Wirtschaft auf die Politik verlassen würde, wären wir verlassen.
Gebetsmühlenartig hatte der UWW-Chef bislang die Forderung erhoben, dass die Flößerstadt neue Gewerbeflächen ausweist. Das ist nun geschehen: Der Gewerbepark „An der Loisach“ nördlich des Autobahnzubringers wächst, für ein mehr als 14 000 Quadratmeter großes Grundstück sucht die Kommune einen Käufer (siehe Infobox unten). „Gott sei Dank, das ist die richtige Entscheidung“, sagt von Stülpnagel. „Ein Fertigungsbetrieb wäre wünschenswert“, so der 70-Jährige mit Hinweis auf das Luftfahrtunternehmen Sitec, das sich vor einigen Jahren in Bad Tölz ansiedelte. Es zählt inzwischen zu den größten Arbeitgebern in der Kreisstadt.
Noch ein Satz zum Großen und Ganzen in der Republik: „Wenn sich die Wirtschaft auf die Politik verlassen würde, wären wir verlassen“, resümiert von Stülpnagel. „Die Wirtschaft hat sich stets selber helfen können – und wird das auch weiterhin tun.“ (cce)
Stadt bietet Gewerbegrundstück zum Kauf an
Die ursprünglichen Pläne zerschlugen sich: Auf dem Areal zwischen dem Bürgermeister-Finsterwalder-Ring und der Staatsstraße 2370 im Norden des Gewerbeparks „An der Loisach“ wird kein neues Demenzzentrum gebaut. Die Kommune hatte das Grundstück wie berichtet ursprünglich zu diesem Zweck gekauft. Nun will es die Stadt weiterveräußern. Es handelt sich um Gewerbegrund, für den ein Bebauungsplan erarbeitet werden soll. „Für das bisher noch unbebaute Grundstück wurde bereits der Aufstellungsbeschluss eines Bebauungsplanes gefasst, der das Grundstück als Gewerbegebiet ausweist.
Die mögliche zu bebauenden Fläche soll circa 11 000 Quadratmeter betragen“, so Bürgermeister Klaus Heilinglechner in einer Bekanntmachung. Das gesamte Areal hat eine Fläche von etwa 14 300 Quadratmetern. Kaufangebote nimmt die Kommune bis 5. Februar entgegen. „Mit dem Kaufangebot ist eine Nutzungsbeschreibung sowie die angedachte zu errichtende Bruttogeschossfläche abzugeben“, so Heilinglechner. Die Unterlagen können online eingesehen werden – unter www.wolfratshausen.de (Bekanntmachungen). dst