Nach über 20 Jahren hat die Gemeinde Glonn eine konkrete Richtung im Hochwasserschutz eingeschlagen. Zwei Maßnahmen sollen vorangetrieben werden, um den Ort vor zukünftigen Fluten zu schützen. Doch die Entscheidung ist nicht ohne Kontroversen.
Glonn - Ein Durchbruch kann wehtun, das gilt nicht nur beim Blinddarm. Und Schmerz gab es reichlich, als sich der Glonner Gemeinderat am Dienstagabend einmal mehr mit dem Sisyphos-Thema Hochwasserschutz beschäftigen musste. So ging am Ende der Debatte fast ein wenig unter, dass die Gemeinde nach über 20 Jahren eine konkrete Richtung bei der Planung eingeschlagen hat.
Seit der traumatisierenden Flut im Jahr 2002 ringen die Glonner mit Umweltschutzauflagen von Löffelkraut über Gelbbauchunke bis zur Tuffsteinquelle, mit Brückenstatik, Niederschlagssimulationen, zig Dammvarianten und sogar dem Plan für einen unterirdischen Stollen. Das Ziel: Beim nächsten Ausnahme-Hochwasser soll der Ortskern nicht mehr untergehen wie vor 22 Jahren. Was seitdem passiert ist, fasste SPD/KommA-Rat Johannes Reiser unter Kopfnicken aus Gremium und Publikum zusammen: „Wir drehen uns im Kreis. Es ist ein Wahnsinn!“ Und CSU-Mann Manfred Deprée brachte scherzhaft ins Spiel, ob es nicht besser sei, Glonn einfach ab- und andernorts wieder aufzubauen.
Und doch kam in dieser emotionalen Sitzung ein Ergebnis zustande: Die Gemeinde Glonn wird zwei Maßnahmen vorantreiben: Im Reisenthal soll ein Dammbauwerk den Kupferbach im Ernstfall ausbremsen. Es könnte über zehn Meter hoch werden. Zudem sieht der Plan vor, mittels Ufererhöhungen die Durchflusskapazität im Ort zu verbessern, um Flutwasser besser abzuleiten. Dafür müsse man in Kauf nehmen, dass die Brücken im Ort im Hochwasserfall überflutet werden, erläuterte Bernhard Unterreitmeier vom durch die Gemeinde beauftragten Planungsbüro Aquasoli. Das sei so absolut unüblich, aber angesichts der Glonner Planungsnöte unvermeidlich: „Wir verlassen den konventionellen Weg, wie Hochwasserschutz in einem Ort funktioniert“, so der Ingenieur.
Anlass für diesen Entschluss ist ein jüngst erfolgtes Gespräch mit der Regierung von Oberbayern, das Bürgermeister Josef Oswald (CSU) und der Planer übereinstimmend als „überraschend“ und „ernüchternd“ zusammenfassen. Dem Protokoll zufolge sind die Versuche der Glonner, die Fluten mit niedrigeren Rückhaltebecken im oberen Reisenthal und im Augraben abzufangen, nicht mit dem Naturschutz vereinbar. Und auch der von manchen favorisierte Stollen, ein Ableitungstunnel, der Flutwasser am Kernort vorbeiführen könnte, ist so gut wie beerdigt.
Dafür zeichnet ein nüchternes Preisschild verantwortlich: 17 Millionen Euro. So hoch ist das geschätzte Schadenspotenzial an den Bauten in Glonn, sollte das Wasser wieder einmal mit aller Gewalt durch den Ort rauschen. Und mehr darf die Hochwasserschutzmaßnahme deshalb nicht kosten, erläuterte Ingenieur Unterreitmeier: „Sonst wird es nicht gefördert und ist für die Gemeinde nicht ansatzweise finanzierbar.“ Im Rat sorgte das für weitere Verärgerung, weil schließlich auch Menschenleben durch das Wasser in Gefahr seien, für die es bekanntlich kein Preisschild gebe, so Bürgermeister Oswald. CSU-Rat Joachim Stefer veranlasste der Abschied vom Stollen zu der Kritik: „Jetzt suchen wir nach der billigsten Variante, nicht nach der besten.“
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Darüber, ob nun ein Damm, mehrere Dämme oder ein Stollen die beste Lösung für den Glonner Hochwasserschutz wären, gingen die Meinungen im Gremium hörbar auseinander. Einhellige Begeisterung räumte kein Vorschlag ab, und schon gar nicht die harsche Ansage aus der Bezirksverwaltung. Gemeinsam war aber die Einsicht, dass die Gemeinde sich mit den strikten Naturschutzvorgaben und der engen Ortsbebauung arrangieren muss. „Hättet ihr nicht so nah am Bach gebaut, hättet ihr das Problem nicht“, paraphrasierte der Bürgermeister das, was Kritiker von außen der Gemeinde vorwerfen könnten. Denn eben erst fertiggestellte Neuberechnungen legen dar, dass bei einem künftigen Jahrhunderthochwasser bis zu 25 000 Liter Wasser pro Sekunde durch den Ort schießen könnten. Schon bei der halben Menge stünden wohl zahlreiche Anliegergrundstücke unter Wasser.
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Dem wollen die Glonner zuvorkommen, nachdem fast ein Vierteljahrhundert Planungszeit ergebnislos verstrichen ist. Anfang des kommenden Jahres will das Ingenieurbüro mögliche Dammvarianten vorstellen, deren Höhe von der im Ort machbaren Durchflussvariante abhängen wird. „Volle Pulle ins Rennen gehen. Die Bürger müssen sehen, dass was passiert“, gab sich CSU-Mann Georg Raig kämpferisch. Denn auch gegen diese Pläne werde es naturschutzfachliche Bedenken geben, ahnten die Räte voraus. Bürgermeister Oswald will trotzdem Lösungen sehen: „Dann klagen wir eben.“