Tipps vom Energieforscher: So spart man mit „flexiblem Verbrauch“ richtig Geld

Die Energiewende verändert den Strommarkt fundamental. Für Verbraucher entstehen dank günstiger grüner Energie viele Chancen zum Geldsparen - doch dafür sollten auch Vorkehrungen getroffen werden.
München - Der günstige Strom aus Wind und Sonne kann unterm Strich recht teuer werden, wenn Spitzenlastkraftwerke die Lücke, die zwischen Erzeugung und Verbrauch entstehen, schließen müssen. Stimmt, sagt Niklas Jooß, Wissenschaftler an der Münchner Forschungsstelle für Energiewirtschaft. Wer aber seinen Stromverbrauch der Erzeugung anpassen kann, wird dafür wahrscheinlich weniger bezahlen als heute. Wie das ganz ohne Komforteinbußen geht, und weshalb das auch unflexiblen Verbrauchern hilft, erklärt Jooß im Interview.
Herr Jooß, warum ist es von Bedeutung, wann wir unseren Strom verbrauchen?
Wir haben jeden Tag zwei Nachfragespitzen im Strommarkt: Das ist morgens, wenn die Menschen aufstehen und abends, wenn sie nach Hause kommen und kochen. Dazu kommen durch den Ausbau der Erneuerbaren zunehmende Schwankungen in der Erzeugung. Die bekannteste ist die Mittagsspitze der Solarkraft. Das heißt, es gibt Zeiten mit viel und wenig Angebot. Verbraucher bekommen durch ihren Festpreis nichts davon mit, aber am Strommarkt machen diese Schwankungen am Tag einen Preisunterschied von bis zu 100 Euro pro Megawattstunde aus.
Woran liegt das?
Wind- und Solarkraftwerke haben keine Brennstoffkosten. Wird die Nachfrage durch diese gedeckt, geht der Strompreis gegen Null. Übertrifft das Angebot die Nachfrage, kann es sogar zu negativen Preisen kommen. Wenn die Erneuerbaren den Bedarf nicht decken können, laufen aktuell meist fossile Kraftwerke. Die sind spätestens durch den europäischen CO₂-Preis um ein Vielfaches teurer. Das gilt auch für klimafreundliche Alternativen wie wasserstofffähige Gaskraftwerke.
Und welchen Einfluss hat die Nachfrage?
Wenn man den planbaren Stromverbrauch eines Tages – oder einer Woche – in die Phasen mit viel Grünstrom im Netz legt, müssen Spitzenlastkraftwerke seltener laufen und die Strompreise für alle sinken. Die Verbraucher werden also auch Teil des Strommarktes, das ist eine relativ neue Entwicklung. Der Anreiz lässt sich leicht über flexible Stromtarife setzen, die die Börsenstrompreise widerspiegeln. Wer seinen Verbrauch steuern kann, spart so viel Geld.
Man kennt das von Menschen mit PV-Anlage: Da wird oft mittags gewaschen, wenn der Strom vom Dach kommt und nicht aus dem Netz.
Im Stromnetz ist es das gleiche Prinzip. Für unsere Forschung haben wir Haushaltsgeräte aber gar nicht mehr berücksichtigt, weil das Einsparpotenzial im Verhältnis relativ gering ist. Die meisten sind den ganzen Tag in der Arbeit, dadurch entstehen die Lastspitzen ja erst. Für unsere Forschung haben wir deshalb nur E-Autos und Wärmepumpen betrachtet. Die können beispielsweise durch ein Energiemanagementsystem automatisch auf Preisschwankungen reagieren. Bei einem E-Auto kann man auch ganz leicht einstellen, wie viel Reichweite das Auto haben soll. Das kann bedeuten: Ich möchte mindestens 100 Kilometer fahren können, darüber hinaus soll das Auto nur „tanken“, wenn der Strom günstig ist.
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Sie haben das in einer Studie simuliert.
Ja, zusammen mit Agora Energiewende haben wir die Studie „Haushaltsnahe Flexibilität nutzen“ erstellt. Unser Szenario spielt bis zum Jahr 2035 und wir nehmen an, dass Deutschland beim Ausbau der E-Mobilität und der Wärmepumpen auf seinem Zielpfad ist. Für unsere Forschung haben wir nur haushaltsnahe Flexibilitäten berücksichtigt. Das bedeutet: Wir haben 33 Millionen E-Autos auf den Straßen, wovon 21 Millionen zuhause laden. Außerdem nehmen wir an, dass neun der 19 Millionen Wohngebäude in Deutschland dann eine Wärmepumpe haben werden. Rund die Hälfte der Haushalte hat dann – so die Annahme – einen flexiblen Stromtarif.
Wie viel spart der flexible Stromtarif?
Wir erwarten, dass Verbraucher ohne einen flexiblen Stromtarif ihren Strom künftig für zehn Cent die Kilowattstunde an der Börse kaufen werden – also ohne Steuern, Abgaben und Netzentgelte. Das ist etwas teurer als heute. Flexible Nutzer können im Mittel mit 5,5 Cent rechnen. Gleichzeitig senken sie die Kosten für alle anderen durch ihr systemdienliches Verhalten um zehn Prozent auf neun Cent.
Selbst wenn die verbrauchte Strommenge nicht steigt, wird künftig also zu Spitzenzeiten mehr Strom erzeugt und verbraucht, als früher. Dafür müssen wir aber die Stromnetze – also die Verbindung zwischen Kraftwerken und Verbrauchern – verstärken. Das kostet Geld.
Wenn man den planbaren Stromverbrauch in die Phasen mit viel Grünstrom im Netz legt, müssen Spitzenlastkraftwerke seltener laufen und die Strompreise für alle sinken.
Bis zu einem gewissen Grad müssen wir die Netze so oder so ausbauen, weil E-Autos und Wärmepumpen mehr Leistung haben, als Haushaltsgeräte. Je mehr Strom wir gleichzeitig nutzen wollen – um hier zu sparen – desto mehr müssen wir in größere Netzkapazitäten investieren. Für unser Szenario haben wir deshalb nicht nur einen Preisanreiz für den Strommarkt, sondern auch für die Netzauslastung gesetzt. Damit wollen wir verhindern, dass die Netzkapazitäten – und damit die Kosten – auch für seltene, extreme Lastspitzen ausgelegt werden, mit denen man nur wenige Stunden im Jahr beim Strom sparen kann.
Können Sie das in Zahlen fassen?
Der für die Klimaziele nötige Verteilnetzausbau in der haushaltsnahen Niederspannung kostet bis 2035 sieben Milliarden Euro. Wenn wir mit flexiblen Stromtarifen voll auf den Markt reagieren wollen, würde der Ausbau rund 17,5 Milliarden kosten. Wenn wir aber nicht nur flexible Stromtarife sondern auch flexible Netzentgelte haben, würde das die Netzausbaukosten auf 12,8 Milliarden Euro drücken.
Das Geld würde auf die Netzentgelte umgelegt werden. Schlägt die Ersparnis durch den flexiblen Stromverbrauch die Kosten für den zusätzlichen Netzausbau?
Ja. Agora Energiewende hat in der Studie berechnet, dass es das Stromsystem jedes Jahr 5,4 Milliarden Euro kostet, wenn die Verbraucher nicht flexibel sind. Das sind die Kosten für die Back-up-Kraftwerke, die perspektivisch mit Wasserstoff betrieben werden sollen. Die Kosten tauchen entweder im Strompreis oder den Netzentgelten auf. Sind die Verbraucher flexibel, sinken diese Kosten auf 0,6 Milliarden Euro. Das gilt sogar für das Szenario mit mittleren Investitionen ins Netz, also 12,8 Milliarden Euro. Das ist natürlich nur ein Szenario, aber wenn die Verbraucher flexibel sind, lohnen sich die Investitionen in neue Netze grundsätzlich sehr schnell.
Aber der Großteil der Kosten entsteht im dazugehörigen Ausbau der Hoch- und Mittelspannung.
Den brauchen wir Großteils sowieso für den Anschluss und Transport der Erneuerbaren. Der haushaltsnahe Ausbau bietet also einen optionalen Zusatznutzen, der sich schnell rechnen kann.
Um auf den Strommarkt reagieren zu können braucht es vernetzte Stromzähler, also Smartmeter. Gibt es davon genug?
Bisher ist die Abdeckung extrem gering, 2022 hatte weniger als ein Prozent der deutschen Haushalte einen Smart Meter. Andere Staaten wie Italien, Norwegen und Schweden sind nahe der 100 Prozent.
Werden inzwischen wenigstens die richtigen Weichen gestellt?
Mit dem Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende hat die Bundesregierung beschlossen, dass bis 2032 Smart Meter flächendeckend eingebaut sein sollen. Zuerst soll dies ab 2025 bei Verbrauchern mit höherem Verbrauch ab 6.000 kWh passieren. Gleichzeitig hat die Netzagentur verfügt, dass Energieversorger ab 2025 auch flexible Stromtarife anbieten müssen.