„Komplett absurd“: Bundesregierung kann Kosten für Rente mit 63 nicht nennen
Die Rente mit 63 ist ein Streitfall in der Ampel. Arbeitsminister Heil will sie behalten, der FDP ist sie zu teuer. Dabei weiß die Bundesregierung offenbar gar nicht, wie viel die Rente kostet.
Berlin – Über sie wird in der Ampel-Koalition seit Monaten heftig debattiert: die sogenannte Rente mit 63. Während Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil (SPD) immer wieder betont, am gesetzlichen Rentenalter nicht zu rütteln, forderten zuletzt mehrere FDP-Koalitionspartner eine Einschränkung des vorgezogenen Ruhestands. Ein Argument: Die abschlagsfreie Rente mit 63 sei zu teuer. Eine Antwort der Bundesregierung auf Anfrage der Linken, die IPPEN.MEDIA exklusiv vorliegt, zeigt nun allerdings, dass der Bund die Kosten für die Rente gar nicht benennen kann. Die Linke nennt den Vorgang „komplett absurd“.
Rente ab 63 für lang arbeitende Menschen
Die Rente mit 63, offiziell Altersrente für besonders langjährig Versicherte genannt, ermöglicht es Menschen, nach 45 Versicherungsjahren abschlagsfrei in Rente zu gehen. Da das Rentenalter schrittweise angehoben wird, erhöht sich auch die Altersgrenze für die „Rente mit 63“ bis 2029 auf das 65. Lebensjahr. Zum Vergleich: Das reguläre Renteneintrittsalter wird in Deutschland stufenweise auf 67 Jahre angehoben.
Die 2012 eingeführte Rente für langjährig Versicherte ermöglicht also einen früheren Ruhestand – bedeutet damit aber auch weniger Rentenbeiträge für die gesetzliche Rentenkasse. Um das Rentenniveau in einer alternden deutschen Bevölkerung und bei früheren Renteneintritten trotzdem stabil zu halten, bezuschusst der Staat massiv. Allein 2024 fließen 127 Milliarden Euro – etwa ein Drittel des gesamten Bundeshaushalts – in die Rentenkasse.
Rente mit 63 zu teuer für den Bund? Ampel kann keine Zahlen nennen
In einer Anfrage an die Bundesregierung wollte Matthias W. Birkwald, rentenpolitischer Sprecher der Linken im Bundestag, nun wissen, wie hoch die aktuellen Kosten für die abschlagsfreie Rente nach 45 Versicherungsjahren sind und in den Vorjahren waren. Die Antwort dürfte viele überraschen, denn die Bundesregierung kann in ihrer offiziellen Antwort vom 6. Juni keine Zahlen nennen. Zwar können die Ausgaben für die sogenannte Rente mit 63 anhand von Statistiken der Rentenversicherung zugeordnet werden, Ausgaben und Kosten seien jedoch nicht gleichbedeutend, heißt es im Schreiben der parlamentarischen Staatssekretärin des Arbeitsministeriums und Bundestagsabgeordneten Kerstin Griese (SPD).

Die Kosten der Rente mit 63 definiert Griese folgendermaßen: Wer früher vorzeitig in Ruhestand ging, musste Abschläge bei der Rentenhöhe in Kauf nehmen. Durch die Rente mit 63 fallen diese Abschläge nun früher, nämlich nach 45 Versicherungsjahren, weg. Was entsteht, sind zusätzliche Kosten für den Staat. Was in der Theorie also nach einem berechenbaren Wert klingt, kann die Bundesregierung allerdings nicht mit Zahlen belegen: „Diese Kosten können jedoch nicht unmittelbar aus den Daten der Rentenversicherung abgeleitet werden“, heißt es im Schreiben dazu. Bedeutet konkret: Wie viel die Rente mit 63 den Bund und damit Steuerzahlerinnen und Steuerzahler kostet, weiß die Bundesregierung offenbar nicht.
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Linken-Politiker zu FDP-Forderungen: „Das ist komplett absurd!“
In der Antwort der Bundesregierung wird stattdessen auf eine Kostenschätzung aus dem Jahr 2014 verwiesen, in der von 2,1 Milliarden Euro Mehrausgaben für das Jahr 2025 ausgegangen wird. Wie die Bild zuletzt berichtete, lagen die Ausgaben (nicht die Kosten) für die sogenannte Rente mit 63 vor Kurzem bei 4,3 Milliarden Euro – allein für den Monat März.
Der Linken-Abgeordnete Birkwald zeigt sich von der Regierungsantwort und dem Koalitionsstreit gegenüber IPPEN.MEDIA schockiert. Der Rentenpolitiker ist ein Verfechter des früheren Renteneintritts und kritisiert deshalb besonders die FDP und ihre Forderungen nach Einschränkungen davon. „Die Bundesregierung kann noch nicht einmal die aktuellen Kosten für die Rente für besonders langjährig Versicherte benennen“, so Birkwald. „Aber die FDP behauptet dennoch, diese sei zu teuer? Das ist komplett absurd!“
Linke fordert abschlagsfreie Rente nach 40 Jahren Arbeit
Birkwald spricht bei den Freien Demokraten von rentnerfeindlichen und marktradikalen Forderungen, „die noch nicht einmal auf einer evidenten Grundlage beruhen“, und formuliert klare Worte an die Ampel-Koalition: „Hände weg von der fälschlicherweise sogenannten ‚Rente ab 63‘!“ Im Mai sprachen sich mehrere FDP-Politiker, darunter Generalsekretär Bijan Djir-Sarai, für eine eingeschränkte Rente mit 63 aus, da diese sehr teuer sei und den Fachkräftemangel verstärke. Eine Idee der FDP: Die abschlagsfreie Frührente nur noch für Geringverdienerinnen und Geringverdiener.
Für die Linke ist das keine Option. Birkwald fordert stattdessen, „dass Beschäftigte nach 40 Beitragsjahren ab einem Alter von 60 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen können mögen“. Der Rentenpolitiker ergänzt: „Für Beamte und Beamtinnen reichen 40 Jahre auch für eine 100-Prozent-Pension aus. Das sollte auch für Arbeiterinnen, Arbeiter und Angestellte gelten.“