Borkenkäfer legt spät los, aber eifrig: Forstleute holen reichlich Schadholz aus dem Wald
Der Borkenkäfer bedroht die Fichten im Ebersberger Forst. Ein Team von Förstern durchstreift den Wald, um befallene Bäume zu identifizieren und zu entfernen. Dabei setzen sie auf moderne Technik und traditionelle Methoden.
Landkreis – Korbinian Staufer packt eine armdicke Buche am Stamm und schüttelt. Erst raschelt es, dann rieselt es. Der Förster geht in die Hocke und klaubt eine Handvoll Nadeln vom Waldboden, die sich im Laub des Bäumchens festgesetzt hatten. Sie gehören zu der mächtigen, stangerlgraden Fichte, die alle umliegenden Bäume weit überragt. Noch. Die abgerieselten Nadeln sind grün, kein gutes Zeichen. Auf ihrem Stamm prangt in Kopfhöhe ein aufgesprühtes, orangefarbenes X. Es ist ein Todesurteil.

Mit der Sprühdose im Wald unterwegs ist etwa Franziska Wahl. „Ich schaue in die Kronen“, erklärt sie. Die 27-jährige Forstwissenschaftlerin ist eine aus einem rund zehnköpfigen Team von Suchern, die den Ebersberger Forst zurzeit durchstreifen. Sie halten Ausschau nach Fichten mit blasser oder brauner Färbung. Und nach solchen, deren Stämme schon Pinien ähneln, weil sich ihre Rinde schält. Anzeichen für einen Borkenkäferbefall. Das sonst so charakteristische Käfermehl, das wie Kaffeepulver den Stamm herabrieselt, gibt es heuer kaum, das liegt am Wetter.
Auf einmal ist der Baum tot.
Lange hat der Schädling heuer stillgehalten, auch das liegt am Wetter. Dank des vielen Regens konnten die Fichten reichlich Harz produzieren, das nun das Käfermehl verklebt und am Rieseln hindert. Mit dem Harz versuchen sie den Schädling zu ertränken. Sonst frisst er unter der Rinde seine charakteristischen Gänge, bis die Leitgefäße dort kein Wasser mehr transportieren können und der Baum verdursten muss. Doch auch Käfer ereilt die Torschlusspanik, und gänzlich konnte das Harz sie auch heuer nicht aufhalten, erklärt Heinz Utschig, Leiter des hiesigen Staatsforstenbetriebs. Das warme Wetter nutzen die Tiere für einen späten Schwarmversuch – erfolgreich. Sie fliegen die attraktive Dreieckssilhouette mächtiger Fichten an, nisten sich ein und fressen sich durch. „Und auf einmal ist der Baum tot.“

Damit sie die Fichten im Forst nicht schneller dahinraffen, als es der Klimawandel ohnehin schon tut, führen die Staatsforsten der Kampf gegen den kaum zentimetergroßen Schädling mit dem ganz großen Besteck: Mächtige Harvester-Maschinen, die Bäume aus dem Wald pflücken wie Gänseblümchen von der Wiese, rücken gegen die befallenen Fichten vor. Mehrere tausend Festmeter müssen laut Utschig raus aus dem Wald, bevor der Käfer nach ein paar Wochen weiter schwärmt und sich ausbreiten kann.
Auch Privatwaldbesitzer sollten nach dem Käfer suchen, raten die Förster
Und besser schneller, weil der Schädlingsbefall auf die Holzqualität schlage, die Vermarktung ist schließlich ein Geschäft. Sei der Käfer zu lang im Baum, verfärbe sich das Material ins Blaue. Dann taugt es statt als Bauholz oft nur noch für Transportpaletten. „Wer schlau ist, sucht jetzt Käferbäume“, sagt der Forsten-Chef deshalb, meint damit auch die Privatwaldbesitzer, denn Käfer scheren sich nicht um Grundstücksgrenzen.
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Mittlerweile bekämpfen ihn die Förster nicht mehr nur maschinell, sondern auch per App. Korbinian Staufer, der den Harvester-Einsatz im Forst leitet, zieht sein Smartphone aus der Tasche und zeigt darauf eine Karte des Ebersberger Forsts, die von roten Punkten übersät ist wie ein Kind mit Windpocken. „Rot heißt, wir haben ihn“, sagt der 28-Jährige. Dann wissen seine Helfer, wo der Harvester anrücken muss, damit der Punkt bald auf Gelb, umgeschnitten, und dann auf Grün, „gerückt“, also entfernt, wechselt.
Bevor die Maschinen anrücken, ist viel Fußarbeit nötig
Bis zum Hightech-Einsatz sind aber viele Schritte nötig, und das ist wörtlich gemeint. Wenn Franziska Wahl abends auf den Schrittzähler ihrer Smartwarch schaut, stehen dort zurzeit gerne 20 000 oder 25 000 Schritte. „Ein gutes Training!“, diagnostiziert sie und schmunzelt. Der Forst hält seine Helfer fit. Und die Helfer den Forst. Sie sind froh, dass sie unter den nun schwächelnden Riesen wie der schon zum Tode verurteilten Fichte schädlings- und klimawandelresistenteren Nachwuchs wie besagte Buche heranwachsen sehen. Ist die Fichte, deren Nadeln noch auf sie herabrieseln, aus dem Forst, hat sie freie Wuchsbahn als Baum der Zukunft.