Erstes Streitthema der Regierung - Schuldenbremse: Merz Plan ist gescheitert - Jetzt kann die Linke ihn herumschubsen
Als wahrscheinlicher neuer Kanzler dürfte Friedrich Merz bald Aussagen zu einem wichtigen Wahlkampfthema zurücknehmen: der Schuldenbremse. "Grundsätzlich sollten wir irgendwann mal mit dem Geld auskommen, das wir an Steuern in Deutschland einnehmen", sagte der CDU-Vorsitzende noch zwei Wochen vor der Wahl im TV-Duell von ARD und ZDF. Botschaft: Die Schuldenbremse ist gut, wie sie ist. Ähnliches hatte Merz im Wahlkampf mehrfach betont.
Nun ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es anders kommt.
Deutschland steht wahrscheinlich vor einer Schuldenbremsen-Reform
Das Wahlprogramm der Unionsparteien dürfte ohne Reform kaum umsetzbar sein. Allein die Steuerpläne von CDU und CSU kosten den Bund laut Experten rund 90 Milliarden Euro - etwa ein Fünftel seiner Einnahmen. Gleichzeitig erfordern Bundeswehr, Infrastruktur und Bildungseinrichtungen Hunderte Milliarden an Investitionen. Dass diese Rechnung ohne Schulden nicht aufgeht, liegt auf der Hand.
Kein Wunder also, dass sich Merz seit Monaten eine Hintertür bei der Schuldenbremse offen hält:
- "Selbstverständlich kann man das reformieren", sagte er im November beim Wirtschaftsgipfel der Süddeutschen Zeitung, während er an anderer Stelle noch gegen eine Reform wetterte. "Die Frage ist: wozu, mit welchem Zweck?"
- In ihrem Wahlprogramm schreibt die Union, sie wolle "an der grundgesetzlichen Schuldenbremse festhalten". Das Wort "unverändert" fehlt. Die Formulierung ließ sich in Verbindung mit Merz' übrigen Aussagen vor der Wahl als Absage an eine Reform auslegen. Nach der Wahl lässt sie die Tür offen, eine Reform als Kompromiss an den Koalitionspartner zu verkaufen.
SPD und Union können die Schuldenbremse nicht allein reformieren
Die meisten Wirtschaftsexperten sind sich einig, dass die Schuldenbremse reformiert werden muss. Im Jahr 2009 als Garant für fiskalische Disziplin eingeführt, begrenzt sie auch Investitionen in zukunftsweisende Bereiche wie Infrastruktur, Digitalisierung, Bildung, Klimaschutz und Verteidigung.
- Dadurch hemme die starre Regel das Wachstum, meinen Kritiker.
- Sie verhindere dringend nötige Modernisierungen und langfristige Projekte.
- Der Investitionsstau senke die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland.
SPD, Grüne und Linke forderten daher im Wahlkampf, Investitionen von der Schuldenbremse auszuklammern. CDU/CSU, FDP und AfD sprachen sich dagegen aus. Die Union ließ sich allerdings die angesprochene Hintertür offen. Nun, selbst in Regierungsverantwortung, dürfte Merz die Zusatzmilliarden einer Reform eher begrüßen als vor einigen Monaten in der Opposition.
Damit ist die Ausgangslage für eine Reform bereitet. Weil die Grundgesetzänderung im Bundestag eine Zwei-Drittel-Mehrheit braucht, reichen die Stimmen von SPD und Union zusammen nicht aus. Sie brauchen große Teile der Opposition. Und da wird es kompliziert.
Linke könnte Ende der Waffenlieferungen für die Ukraine fordern
In der Opposition sitzen künftig AfD, Grüne und Linke:
- Die Grünen warben selbst für eine Schuldenbremsen-Reform. Sie dürften einer Änderung am ehesten zustimmen. Ihre Stimmen allein reichen aber nicht für eine Zwei-Drittel-Mehrheit mit Union und SPD.
- Die Linke will die Schuldenbremse am liebsten abschaffen, zumindest aber eine Ausnahme für Investitionen einfügen. Im Gegensatz zu den anderen Parteien, ließ die Linke durchaus erkennen, auch Sozialausgaben über Schulden finanzieren zu wollen.
- Die AfD lehnt jede Reform der Schuldenbremse ab. Obwohl die Partei das mit weitem Abstand teuerste Wahlprogramm vorgestellt hat, will sie keine Schulden - unmöglich. Aber auf Kooperation der Rechtspopulisten brauchen die übrigen Parteien demnach nicht hoffen.
Ohne AfD muss eine Koalition aus SPD und CDU/CSU für eine Reform der Schuldenbremse also Grüne und Linke gewinnen, um die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit zu erreichen. Die dürften dafür entsprechende Zugeständnisse fordern.
- Mit den Grünen dürften sich SPD und Union einigen können.
- Die Linke könnte aber Zugeständnisse in der Ukraine-Politik fordern, die den Parteien aufstoßen: Sie verlangt etwa ein Ende der Waffenlieferungen an die Ukraine.
Weil auch das zur Neige gehende Sondervermögen für die Modernisierung der Bundeswehr nur mit Zwei-Drittel-Mehrheit neu aufgefüllt werden kann, können die Populisten von AfD und Linken die neue Regierung an ihren beiden wichtigsten Baustellen aufhalten: der Wirtschaft - inmitten einer Wirtschaftskrise und der äußeren Sicherheit, da in Europa Krieg herrscht.
Kritik an Merz: Die Schuldenbremse könnte längst reformiert sein
Dass die neue Regierung jetzt unter schwierigen Bedingungen die Schuldenbremse reformieren muss, liegt auch an der Verweigerungshaltung der Union vor der Wahl, sagt Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Privatbank Berenberg. Experten hatten schon vor Monaten auf diese Gefahr hingewiesen. Merz habe sie als unwahrscheinlich abgetan, um sich die Schuldenbremse als Verhandlungsmasse in Koalitionsgesprächen aufzuheben. Nun muss er mit Populisten verhandeln, die Werweißwas verlangen. Dieses Problem hätten sich die Unions-Spitzen selbst eingebrockt.