Almuth Schult: „Hassnachrichten tangieren mich nicht“

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„Mir ist es wichtig, dass ich selbst mit mir zufrieden bin“: ARD-Fußballexpertin Almuth Schult. © Ulrich Wagner

Als (National-)Torhüterin legte sie viele Glanzparaden hin, doch an Almuth Schult kommt man auch abseits des Platzes nur schwer vorbei. Seit 2021 fungiert sie als ARD-Expertin bei großen Turnieren, auch bei der aktuell laufenden EM der Männer im eigenen Land ist die 33-Jährige im Kader. Ein Gespräch über ihren Job als Co-Kommentatorin, Zuschauerkritik und Emotionen beim Hören der Hymne.

Wie haben Sie sich auf diese EM vorbereitet? Ich nehme an, dass Sie nicht alle aktuellen Spieler Georgiens, Sloweniens oder der Slowakei kannten, oder?

Almuth Schult: Natürlich sind das viele Namen, bei insgesamt 24 Mannschaften. Die hat man fast alle schon mal gehört, trotzdem ist es notwendig, sich vor einem Spiel noch mal einzuarbeiten, noch mal Szenen anzuschauen. Nachzulesen, was über die Spieler geschrieben wurde, was sie auszeichnet, bei welchen Vereinen sie gespielt haben, welche Erfolge sie hatten. Die Torwartposition ist für mich natürlich eine besondere. Kann er Flanken abfangen oder bleibt er lieber auf der Linie? Und wenn er rauskommt, fängt er die Bälle oder faustet er sie weg?

Als man Sie gefragt hat, ob Sie Expertin werden wollen, was war da Ihr erster Gedanke?

Almuth Schult: Mein erster Gedanke? Meinen die das ernst! (Lacht.) Aber als die Verantwortlichen dann gesagt hatten, was sie sich vorstellen, habe ich nicht lange überlegt. Ich hatte schon immer Spaß am Analysieren von Spielen, auch schon in meiner aktiven Zeit. Das können meine Mitspielerinnen und meine Trainer von früher sicher bestätigen. (Lacht.)

Sie sind als ARD-Fußballexpertin ganz allgemein engagiert. Hätten Sie auch zugesagt, wenn man Ihnen gesagt hätte: „Wir hätten Sie gerne, aber bitte nur für die Frauen!“?

Almuth Schult: Weiß ich gar nicht. Aber ich bin schon froh, dass meine Expertise auch für den Männerbereich gesehen wird. Um ein Spiel, um eine Taktik lesen zu können, muss man Verständnis für diesen Sport haben – und da sehe ich keinen wirklichen Unterschied zwischen Männer- und Frauenfußball. Deswegen würde ich auch jedem ausgewiesenen Experten zutrauen, dass er sich auf beiden Seiten auskennt. Bleibt die Frage, wo man sich ein bisschen wohler fühlt. Und ich merke natürlich, dass ein Frauenländerspiel für mich eine andere Vorbereitung bedeutet als ein Männerländerspiel, weil ich mit den meisten Spielerinnen noch zusammen auf dem Platz stand. Dann muss ich mir nichts extra anschauen, sondern weiß ziemlich genau, wie die ticken. Und so geht es Bastian Schweinsteiger oder Christoph Kramer bei den Männern sicher auch.

Wenn Sie am Mikro sitzen mit dem Hauptkommentator – müssen Sie da manchmal kämpfen, zu Wort zu kommen?

Almuth Schult: Nein, überhaupt nicht. Es ist nun mal so, dass der Hauptkommentator oder die Hauptkommentatorin die Führung übernimmt und man auf seinen Einsatz warten muss. Es gibt unheimlich viele Szenen in einem Spiel, zu denen man als Expertin etwas sagen könnte, aber es muss im richtigen Moment kommen, damit man den Zuschauer oder die Zuschauerin nicht überfordert. Und man sollte damit nicht eine Information des Hauptkommentators abgrätschen. Das ist jedes Mal die Challenge, nicht nur im Zusammenspiel, sondern auch für einen selbst. Und man muss aushalten können, dass mal Ruhe ist. Es ist doch unangenehm, wenn jemand 90 Minuten durchplappert.

In Ihrer Funktion bleibt es nicht aus, dass Sie Sportlerinnen und Sportler auch mal namentlich kritisieren. Beschweren die sich hinterher bei Ihnen?

Almuth Schult: Ein Vorteil ist ja, dass die Spielerinnen und Spieler den Live-Kommentar gar nicht hören. Die wissen gar nicht, ob ich sie kritisiert habe, es sei denn, es wird ihnen später erzählt. Oder es ist auf Social Media ein Thema. Aber – nein, habe ich so noch nicht erlebt, dass mich jemand später angesprochen hat. Aber ich versuche auch, nicht polemisch zu sein, sondern sachlich zu bleiben. Ich finde, dass Kritik fundiert sein sollte. Und wenn sie das ist, dann kann man mit sowas als Spielerin oder Spieler gut umgehen – so war es bei mir auch.

Es wird von Zuschauern ja immer auch Kritik geübt an den Kommentatoren und den Experten – belastet Sie das?

Almuth Schult: Es ist normal, dass es Menschen gibt, die einen mögen, und solche, die einen nicht mögen. Und so ist es auch bei Kommentatoren und Experten. Ob man ihn oder sie als Person mag, ob man die Stimme mag, ob man mag, wie viel oder wie wenig geredet wird, ob man auf Fakten Wert legt oder auf Emotionen – das ist alles subjektiv. Und sobald Subjektivität hineinkommt in eine Beurteilung, fällt sie unterschiedlich aus. Mir ist es wichtig, dass ich selbst mit mir zufrieden bin, dass mein Umfeld mit mir zufrieden ist und dass meine Auftraggeber bekommen, was sie erwarten. Und wenn das gegeben ist, dann ist mir das, was drumherum passiert, eigentlich relativ egal. Zumal ich Soziale Netzwerke nicht nutze und daher weder Lob noch Kritik mitkriege.

Dann brauche ich Sie gar nicht zu fragen, wie Sie damit umgehen, dass Sie von manchen auch als Frau angegriffen werden, nach dem Motto: Was verstehen die schon vom Fußball?

Almuth Schult: Das bekomme ich nicht wirklich mit, außer wenn vielleicht ein Social-Media-Beauftragter mir spiegelt, dass es solche Posts gibt oder jemand der ARD eine Nachricht schickt, die mir gilt. Aber solange das Einzelne sind und ich nicht eine Million Hassnachrichten bekomme, tangiert es mich nicht. Es ist eben noch nicht normal, dass eine Frau den gleichen Stand in der Gesellschaft hat wie ein Mann. Bis vor gut 100 Jahren durften wir noch nicht einmal wählen, durften nicht studieren, war der Mann in der Ehe der Vormund der Frau. Von daher weiß ich, woher es kommt. Wahrscheinlich wird es noch ein Weilchen dauern, bis wir wirklich gleichberechtigt sind.

Almuth Schult
„Da ist vielleicht noch ein bisschen Sehnsucht“: Schult im deutschen Tor, hier 2019 bei einem WM-Spiel gegen Spanien. © Anke Waelischmiller/Sven Simon

Sie haben selbst in der Nationalmannschaft gespielt. Wenn Sie die Hymne hören, würden Sie dann nicht gerne noch mal auf dem Platz stehen?

Almuth Schult: Ja, schon, zumal ich meine Karriere noch gar nicht offiziell beendet habe. Da ist vielleicht noch ein bisschen Sehnsucht. Aber es läuft halt nicht immer alles perfekt, das ist schon in Ordnung, ich bin da mit mir im Reinen. Aber ja, die Hymne ist schon etwas Besonderes, sie weckt bei mir Erinnerungen an Turniere, die ich als Spielerin miterlebt habe. Deshalb ist es auch so schön für mich, immer ganz dicht dran zu sein, die Emotionen zu spüren, die mit dem Fußball verbunden sind.

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