„Putin wird nicht auf uns warten“: Nato-Expertin fordert Verteidigungstrategie für die Ostsee

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„Putin wird nicht auf uns warten“: Nato-Expertin fordert Verteidigungsstrategie für die Ostsee

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Ein brisanter Gesetzesentwurf aus Russland sorgt für Unruhe unter den Ostsee-Anrainern. Eine Nato-Expertin fordert entschlossenes Handeln.

Berlin – Ein russischer Gesetzesentwurf, nach dem die Grenzen an der Ostsee neu gezogen werden sollte, hat in den Anrainern der Ostsee neue Sorgen entfacht. Der Entwurf des russischen Verteidigungsministeriums wurde laut Medienberichten kurzerhand von der Webseite gelöscht, doch die Sorge in baltischen und skandinavischen Ländern blieb. Eine ehemalige Nato-Mitarbeiterin aus Deutschland forderte nun mehr „Abschreckung“ in der Ostseeregion gegen die „irregulären Kriegsaktivitäten“.

Dr. Stefanie Babst, die 22 Jahre bei der Nato gearbeitet hatte, forderte eine „Gesamtstrategie“, inklusive Nato-Patrouillen in und an der Ostsee und Luftraumüberwachung in der Region. Auch Unterseekabel und Offshore-Windparks „müssen Teil der Nato-Verteidigungspläne sein“, sagte die politisch-strategische Beraterin und Publizistin in einem Bild-Interview. Für die Litauen-Brigade der Bundeswehr, die nach aktuellem Plan von Boris Pistorius (SPD) 2027 vollständig einsatzbereit sein wird, machte sie ebenfalls Druck. „Das darf nicht noch Jahre dauern. Russland wird nicht auf uns warten.“

Ein deutscher Minensuchgeschwader der Deutschen Marine bei einer Zeremonie.
Die Situation in der Ostsee ist nach dem russischen Gesetzesentwurf angespannt. © IMAGO/penofoto/Petra Nowack

Russlands hybride Kriegsführung und Test-Strategie: Das könnte hinter dem Ostseegrenzen-Entwurf stecken

Babst sprach im Interview von „irreguläre Kriegsaktivitäten“ durch Russland. Was beispielsweise bei Ryhor Nizhnikau vom Finnischen Institut für Internationale Beziehungen (FIIA) auch „asymmetrische Kriegsführung“ heißt, meint eine Vielzahl von immer wieder herausgestellten russischen Strategien, die aus konventionellen Kriegsmustern herausfallen.

„Russland hat ein großes Arsenal an Waffen der hybriden Kriegsführung“, sagte Nizhnikau laut der FAZ. Darunter zählten zum Beispiel Desinformationskampagnen, Instrumentalisierung von Migranten oder die Anfechtung von Grenzen. Der Entwurf würde „gut passen zu dieser Taktik“, so auch die Direktorin des Zentrums zur Abwehr hybrider Bedrohungen (Hybrid CoE), Teija Tiilikainen.

Nizhnikau vermutete hinter dem Gesetzesentwurf des russischen Verteidigungsministeriums Kalkül. Der russische Präsident Wladimir Putin hatte kurz nach dem Nato-Beitritt von Schweden und Finnland eine Reaktion angekündigt und der Entwurf könnte ein erster Schritt einer solchen Reaktion gewesen sein. Charly Salonius-Pasternak vom FIIA fasste die russische Strategie laut BBC wie folgt zusammen: „Überall nachforschen und dann, wenn man zurückgewiesen wird, sagen, dass es nichts war.“

Testet Russland die Nato-Verteidigungsfähigkeit? Kreml-Sprecher weist Vorwurf zurück

„Russland testet besonders hier unsere Verteidigungsfähigkeit und sucht nach Lücken“, führte die Nato-Expertin Babst aus. Sie betonte den strategischen Nutzen der Ostsee für „die Verteidigung aller Nato-Länder in der Region“ und vermutete als langfristige Strategie: „die Baltikum-Staaten Estland, Lettland und Litauen von den Nato-Versorgungslinien über der Ostsee abzuschneiden und damit ihre Verteidigung erheblich zu erschweren“. Grund sei vor allem, dass Russland „als Ostseeanrainerstaat deutlich an Einfluss in und Zugang zum Ostseeraum verloren“ habe.

Der Kreml-Sprecher Dmitry Peskow wies laut BBC alle Anfragen an das russische Verteidigungsministerium zurück und gab an: „Hier gibt es nichts Politisches.“ Die politische Situation zeige „den Grad der Konfrontation“, so Peskow, „besonders in der baltischen Region“. An anderer Stelle gab der Sprecher bereits an, Russland müsse für die eigene Sicherheit Schritte in der Ostsee unternehmen. Sollte die Einschätzung des FIIA stimmen, könnten diese Äußerungen jedoch auch Teil der Strategie von Test-und-Rückzug sein. Wie es auf russischer Seite weitergehen könnte, ist aktuell noch schwer einschätzbar.

Ostsee-Staaten reagieren unterschiedlich auf Russlands Entwurf für Grenzziehung

So kommt es, dass auch in den Staaten, die an die Ostsee grenzen, die Reaktionen recht unterschiedlich waren. Während sich Finnland überraschend entspannt zeigte und laut BBC lediglich angab, „die Situation genau zu beobachten“, vermutete der schwedische Armeechef Micael Byden das Gotland als strategisches Ziel. „Die Ostsee darf nicht zu Putins Spielwiese werden, auf der er die Nato-Mitglieder in Angst und Schrecken versetzen kann“, forderte der General laut RND.

Der litauische Außenminister Gabrielius Landsbergis nannte den Entwurf laut Reuters eine „offensichtliche Eskalation“ gegen die EU und die Nato und forderte eine „angemessen starke Antwort“. „Es ist nicht auszuschließen, dass der Bericht ein Versuch ist, Verwirrung zu stiften“, schrieb der estnische Außenminister Margus Tsahkna. Lettland wolle laut BBC zunächst die Situation aufklären. (lismah)

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