Abgefangener Russen-Anruf an Charkiw-Front zeigt katastrophale Lage: „Soldaten trinken Urin“

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Ein abgehörtes Telefonat gibt Einblick in die Charkiw-Front: Russische Soldaten stehen unter Dauerbeschuss und verstecken sich in „Höhlen.“

Charkiw – Die Verluste im Ukraine-Krieg steigen weiter deutlich an – auf ukrainischer, aber auch russischer Seite. Trotz stockender Charkiw-Offensive bleibt die Situation für die ukrainischen Streitkräfte an der Front angespannt. Die Lage der russischen Angreifer scheint fast noch schlimmer. Es herrschen katastrophale Bedingungen, wie ein Bericht nun enthüllt.

Abgefangene Telefonate geben Einblick an das Leben an der Front im Ukraine-Krieg

Abgefangene Telefongespräche zwischen russischen Soldaten geben einen Eindruck über die verheerende Situation an der Front. Der ukrainische Sicherheitsdienst (SBU) veröffentlichte am Mittwoch (29. Mai) eine Aufnahme auf Telegram – zwischen einem Soldaten in der Nähe von Kupjansk in der Region Charkiw und seiner Mutter in Russland. Die Kyiv Post übersetze das Telefonat.

Das Militärkommando habe seine Einheit neulich von der Front abgezogen, weil kaum Soldaten verblieben seien. „Es sollten 126 [Soldaten] sein. Aber da ist nichts mehr übrig“, erzählte der russische Soldat. Im Hintergrund waren Explosionen zu hören. Eine Kamikaze-Drohne sei über ihn geflogen, erklärte er seiner Mutter: „Verdammt, ich hätte mir fast in die Hose gemacht.“ Er fluchte immer wieder.

Ein ukrainsicher Soldat startet eine FPV-Drohne in der Region Charkiw.
Ukrainische FPV-Drohnen sind für russische Soldaten an der Front besonders gefährlich. © picture alliance/dpa/AP | Evgeniy Maloletka

„Soldaten trinken ihren Urin“: Katastrophale Bedingungen an der Charkiw-Front

Der russische Soldat am Telefon beteuerte, es gebe keine Möglichkeit, die Drohne abzuschießen. Die ukrainischen First-Person-View-Drohnen würden den russischen Streitkräften schwere Verluste zufügen. Bei den Drohnen helfe nur, in Deckung zu gehen: „Wir verstecken uns jetzt! Ich habe alle Gebete gelesen. Es ist eine selbstgebaute Drohne und sie ist vollgestopft mit Sprengstoff.“ Die Zahl von toten oder verletzten Soldaten Russlands soll sich seit Anfang des Kriegs in der Ukraine auf insgesamt 500.080 belaufen, so der ukrainische Generalstab. „Wir haben 63 oder 73 Verwundete und etwa 10 Tote“, erklärte der Soldat an der Front.

Die besorgte Mutter fragte ihren Sohn, ob er und seine Kameraden in einem Schutzraum seien. Er antwortete: „Mama, die Leute hier sitzen seit neun Tagen ohne Wasser. Soldaten trinken ihren eigenen Urin. Für mich wäre ein Becken mit Wasser eine Freude.“ Sie würden in „Höhlen“ in Wäldern leben und dort feststecken: „Und da schläfst du, kämpfst dort, isst dort, da gibt es eine Toilette. Wie kannst du das dann einen Unterschlupf nennen?“, sagte der Soldat. Viel Schlaf würde er wegen der Kämpfe und der Angst nicht bekommen.

Charkiw-Offensive: Putin hat nur „begrenzte Kräfte“

Der Kreml weist die Inhalte abgehörter Telefongespräche russischer Soldaten regelmäßig zurück. Zwar sammele Putin offenbar seine Streitkräfte nördlich von Charkiw, trotzdem seien die russischen Truppen aktuell nicht ausreichend aufgestellt, um die Verteidigungslinie der Ukraine zu durchbrechen. Das teilte das ukrainische Militär laut Deutschlandfunk mit. Auch das Telefonat lässt darauf schließen, dass eine großangelegte Offensive Russlands derzeit nicht möglich ist.

Ebenso stellte die US-Denkfabrik Institut for the Study of War (ISW) in ihrem letzten Bericht fest, dass Putins Truppen die Offensive nur mit „begrenzten Kräften“ begonnen hätten. „Das abnehmende Tempo bietet den ukrainischen Streitkräften wahrscheinlich taktische Möglichkeiten für einen Gegenangriff“, hieß es. Weiterhin liege der Fokus aber auf der Verteidigung. (hk)

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