„Wahrscheinlich nicht für jedes Kind einen Platz“: Stadt hatte nie Betreuungsprobleme - bis jetzt
Die Warteliste wächst immer weiter, Personal wird dringend gesucht: Plätze in Kindergärten und Krippen sind umkämpft. Der Sozialreferats-Leiter erklärt das Problem.
Wolfratshausen - Es hat sie noch nie gegeben: Die gefürchtete Betreuungskatastrophe konnte in Wolfratshausen immer abgewendet werden. Soll heißen: Alle Familien, die für ihren Nachwuchs einen Platz im Kindergarten oder in der Krippe gesucht haben, konnten bislang immer versorgt werden. Höchstens ein bisschen Wartezeit gab es für die Neuanmeldungen. Die Lage spitzt sich jedoch zu. Vor den Sommerferien wächst die Warteliste, die von der Stadt geführt wird, immer weiter an. Und auf einmal scheint es denkbar, dass die Kapazitäten erstmals nicht reichen.

Herr Melf, bisher gab es nie eine Betreuungskatastrophe in Wolfratshausen. Wie hat die Stadt das geschafft?
Da können sich viele Protagonisten auf die Schulter klopfen. Stadt und Stadtrat haben immer ein Auge darauf gehabt, wir haben gut mit anderen Gemeinden zusammen gearbeitet – und natürlich haben die Träger der Einrichtungen eine sehr gute Arbeit gemacht.
Die Stadt führt eine Warteliste. Man hört: Sie wächst stark. Wie lang ist die Liste?
Es macht gerade keinen Sinn, über konkrete Zahlen zu sprechen, glaube ich. Ich weiß, dass eine plakative Zahl super für eine Überschrift wäre, aber eigentlich sagt sie alleine gar nichts aus. Die Liste verändert sich alle paar Tage, mal sind es mehr, mal weniger – und es sind ja noch nicht einmal Sommerferien. Ich werde in naher Zukunft im Ausschuss für Kultur, Jugend, Sport und Soziales einen Überblick geben. Da nenne ich dann auch Zahlen.
Reichen die Betreuungsplätze für das neue Kindergartenjahr?
Es könnte sein, es ist sogar wahrscheinlich, dass wir im September nicht für jedes Kind sofort einen Platz haben. Aber wir werden bis dahin alles daran setzen, dass es möglichst wenige Familien trifft. In den vergangenen Jahren hat sich immer noch irgendwo etwas ergeben. Wir arbeiten daran. Und wir wissen: Jedes Kind, das keinen Platz hat, ist eins zu viel. Wir haben viel auffangen können – aber das ganze System ist im Moment unter einer brutalen Spannung.
Woran liegt‘s? Sind es auf einmal so viel mehr Kinder?
Tatsächlich gibt es durch Zuzug oft sehr kurzfristige Anfragen, dass ein, zwei oder mehr Kinder schnell einen Kindergartenplatz oder einen Platz in einer Krippe brauchen.
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Das ist aber nicht alles?
Nein, es ist ein allgemeines Problem und es kommen mehrere Faktoren zusammen. Die sogenannten I-Kinder zum Beispiel nehmen jeweils 4,5 Betreuungsplätze in den Einrichtungen ein. Das sind Kinder mit einem besonderen pädagogischen Förderbedarf. Das heißt: Wenn ein Kind in der Gruppe besonderen Förderbedarf hat, können zum Beispiel nicht mehr zwölf, sondern nur noch sieben Kinder dort betreut werden. Das sind Plätze, die nicht an andere Familien auf der Warteliste gegeben werden können. Knifflig dabei: Oft stellt sich erst während der Betreuung heraus, dass ein Kind als I-Kind betreut werden sollte.
Dazu kommen Personalengpässe, richtig?
In ganz Deutschland werden Leute gesucht. Das ist hier natürlich nicht anders. Wir haben in den vergangenen Jahren aber mit wirklich großen Anstrengungen geschafft, dass wir immer ausreichend Mitarbeiter gefunden haben. Da gibt es – auch aufgrund des großen Mangels an Leuten – verschiedene Modelle für Quereinsteiger, die über eine praxisbegleitete, verkürzte Fortbildung zu Ergänzungskräften ausgebildet werden können. Wir bilden natürlich selber aus in den Einrichtungen. Alles, was es an Möglichkeiten gibt, mehr Personal anzulocken, nutzen wir. Und trotzdem ist es nicht leicht und eine ständige Herausforderung. Wir können auch nicht alle Plätze anbieten, die wir rein räumlich zur Verfügung hätten, weil uns die Leute dafür fehlen.
Einfach mehr Einrichtungen zu bauen, ist also keine langfristige Lösung?
Räume alleine reichen natürlich nicht aus, nein. Nur über Fachkräfte können wir Plätze zur Verfügung stellen.
Wieso ist das Anwerben so schwierig?
Fachkräfte werden überall gesucht. Jeder Träger, jede Gemeinde versucht, was möglich ist. Wenn wir Fachkräfte anwerben, dann fehlen sie irgendwo anders. Das tut dem Sozialraum natürlich auch nicht gut.
Wie sieht die Lösung für das Problem aus? Bis September ist nicht mehr viel Zeit.
Eine einfache Lösung gibt es gerade nicht. Es braucht viele kleine Lösungen. Wir werden noch Plätze auftun und finden. Wir werden bestimmt noch mit dem einen oder anderen Kooperationspartner eine Idee entwickeln und für viele Familien, die auf der Warteliste stehen, eine gute Nachricht haben. Mir ist das selbst ein Herzensanliegen. Ich habe selbst vier Kinder. Ich weiß, wie wichtig die Betreuung für die Familien ist. Wenn wir das nicht wüssten, würden wir nicht seit Jahrzehnten so viel Zeit, Mühe und Geld für die Kinderbetreuung investieren.
Aktuelle Zahlen zur Kinderbetreuung
Nicht die Plätze sind das Problem, sondern der Mangel an Personal. Das berichtete Dritte Bürgermeisterin Annette Heinloth in der jüngsten Sitzung des Kulturausschusses. In Wolfratshausen ständen aktuell 34 Kinder zwischen drei und sechs Jahren sowie 16 ein- bis dreijährige Kinder auf einer Warteliste. Doch wegen fehlenden Personals könnten 30 Betreuungsplätze aktuell nicht besetzt werden. Bei kirchlichen und freien Träger wiege die Personalnot besonders schwer. „Es sieht bei uns nicht gut aus“, so Heinloth.