Schockanrufer erbeuteten knapp 100.000 Euro: Jetzt bekam der Geldbote sein Urteil
Immer wieder nehmen Schockanrufer Senioren aus: Mit einer falschen Geschichte betrügen sie die Opfer um viel Geld. Auch in Geretsried fielen zwei ältere Menschen darauf herein.
München/Geretsried – An einem Vormittag im Juni vergangenen Jahres klingelte bei Frau H. aus Geretsried das Telefon. Am anderen Ende eine Frauenstimme: „Mama, Mama, ich habe einen Unfall gehabt!” Direkt danach: Ein Polizist, der ihr verkündete, bei dem Unfall sei jemand gestorben und ihre Tochter schuld daran. Dann ein Staatsanwalt, der sagte, die Tochter komme jetzt ins Gefängnis – außer, Frau H. bezahle eine Kaution.
Die 66-Jährige hatte 15 000 Euro im Haus, sie wollte ein neues Auto kaufen. Das reiche, sagte der Staatsanwalt und wies sie an, zum Parkplatz vor der Kreisklinik Wolfratshausen zu fahren. Dort wartete ein Bote. Viel sagte der nicht, doch er nahm das Geld an sich.
Knapp ein Jahr später sitzt der Mann, dem Frau H. ihre Ersparnisse ausgehändigt hatte, wegen Betrugs vor dem Landgericht München II. Der 51-jährige Angeklagte aus Tschechien war Teil einer Bande, die mit sogenannten Schockanrufen ältere Menschen ausnahm. Frau H. war hereingefallen: Der Unfall war nicht echt. Die Beamten nicht echt, auch die Tochter nicht – nur das übergebene Geld.
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Den Anrufen, einer perfiden Weiterentwicklung des berüchtigten Enkeltricks, fallen bundesweit Senioren zum Opfer. In diesem Fall traf es vier Menschen; der jüngste war 57, der älteste 91 Jahre alt. Zusammen verloren sie knapp 100 000 Euro. Der 91-jährige Mann, ebenfalls aus Geretsried, gab dem Angeklagten Geld und Wertsachen im Wert von 30 000 Euro, die anderen Opfer wohnten in Gauting, Hausham und Gmund am Tegernsee.
Ich habe Zuhause gesessen und nur noch geheult.
Zum Prozessauftakt am Mittwoch gestand der Angeklagte die Vorwürfe, entschuldigte sich auch bei Frau H. Demnach war er fünfmal für die Bande im Münchner Umland aktiv, nur beim letzten Mal blieb es beim Versuch. Der Taxifahrer aus Prag hatte unter anderem wegen Betrugs insgesamt zehn Jahre im Gefängnis in Tschechien verbracht. Vor Gericht erzählte er von seinen 15 000 Euro Schulden. Verlockend sei deshalb der Job gewesen, den ihm ein Freund anbot: nach Deutschland fahren, Wertsachen transportieren und nach Prag bringen. Worum genau es ging, habe er lieber nicht gefragt, sagte er.
Anweisungen kamen per Handy von einem Hintermann
Die Anweisungen für die Treffen mit den Opfern bekam er per Handy von einem Hintermann, den er nur als „den Polen” kannte. Für ihn war das Geschäft weit weniger lukrativ als für die Drahtzieher: Nachdem er einem Opfer Abertausende abgenommen hatte, bekam der Angeklagte stets nur rund 20 000 Tschechische Kronen, umgerechnet rund 800 Euro, als Lohn. So sollte es auch laufen, als der Mann gut eine Woche nach der ersten Abholung bei Frau H. aus Geretsried bei einem Opfer in Gmund am Tegernsee eine Tüte mit Uhren und Schmuck abholen sollte. Doch einem Nachbarn kam sein Verhalten merkwürdig vor, er rief rechtzeitig die Polizei. Der 51-Jährige wurde festgenommen.
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Frau H. hatte weniger Glück. Dass sie ein Betrugsopfer ist, wurde der Seniorin erst klar, als sie nach der Geldübergabe auf dem Handy ihrer Tochter anrief – und sie dort erreichte. „Da war es aus”, erzählte sie vor Gericht. Der geplante Autokauf: geplatzt. Frau H. war am Ende: „Ich habe Zuhause gesessen und nur noch geheult.”
Am Donnerstag fiel das Urteil: schuldig in allen Anklagepunkten, drei Jahre und sechs Monate Haft.