Deutsche arbeiten laut Studie zu wenig: "Ich dachte sogar, wir wären Letzter"
Eine aktuelle Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) sorgt für Stirnrunzeln: Im internationalen Vergleich der Industriestaaten liegt Deutschland bei den geleisteten Arbeitsstunden auf dem drittletzten Platz. Nur Franzosen und Belgier sind noch weniger im Einsatz.
"Ich dachte sogar, wir wären Letzter“, kommentiert Jan Fleischhauer trocken im Podcast "Der Schwarze Kanal". Die Zahlen sind deutlich: Bis Ende des Jahrzehnts werden hierzulande mehr als vier Milliarden Arbeitsstunden fehlen. Doch was können wir dagegen tun?
"Mehr arbeiten", sagt Fleischhauer knapp. Dann wird er grundsätzlicher. Die Deutschen seien nicht unbedingt faul – aber vielleicht zu bequem. "Diese Faszination, mit 65 oder 66 nur noch rumsitzen und die vier Wände anstarren und seiner Frau zur Last fallen – das habe ich nie verstanden."
Fleischhauer erklärt Bundeskanzler Merz zum Vorbild
Stattdessen lobt er das Konzept der Aktivrente, bei der man für längeres Arbeiten steuerliche Vorteile bekommt.
Und dann ist da noch Friedrich Merz. Der Bundeskanzler sei für viele ein überraschendes Vorbild. "Für die Leute ist Friedrich Merz eine wahnsinnige Ermutigung." Mit 69 noch einmal voll durchstarten – nicht im Kurpark von Brilon, sondern mitten in Berlin.
"Wenn das kein Beispiel für Selbstermutigung und Selbstermächtigung ist, dann weiß ich nicht." Dass der Anteil von Mitarbeitern über 52 in DAX-Konzernen gerade mal bei 13 Prozent liege, illustriert Fleischhauer mit einem lakonischen Seitenhieb: "Man findet dort mehr Lesben, Schwule und Non-binäre als Menschen in meinem Alter."
Work-Life-Balance hat Überhand genommen
Währenddessen wächst in Deutschland die Teilzeitquote. Fast ein Drittel der Erwerbstätigen arbeitet reduziert. Ein Grund: mangelnde Kinderbetreuung. Ein anderer, so wird gemutmaßt: Der steile Steuertarif mache Mehrarbeit unattraktiv.
"Darauf können wir uns immer einigen: Dass am Ende der Staat schuld ist." Doch Fleischhauer hat einen Verdacht, dass das Problem tiefer liegt. Es sei auch eine Frage der Mentalität: "Das Konzept der sogenannten Work-Life-Balance hat Überhand genommen."
Schon beim Bewerbungsgespräch interessiere viele Berufseinsteiger vor allem eines: die Freizeit, behauptet Fleischhauer. "Die Leute kommen aus dem Studium und fragen: Wie sieht’s mit der Work-Life-Balance aus?"
Vor alleine Randnotiz der Wirtschaftsweisen schockt Fleischhauer
Gleichzeitig stehe das Land wirtschaftlich auf der Bremse. "Zum dritten Mal haben wir kein Wachstum. Hat’s seit Beginn der Bundesrepublik noch nicht gegeben."
Die Wirtschaftsweisen sprechen im neuen Jahresgutachten vom Nullwachstum – und zweifeln offen daran, ob Deutschland überhaupt langfristig wieder auf den Wachstumspfad zurückfindet. "Alter Schwede", entfährt es Fleischhauer – und man hört ihm an: Faulenzerei ist das Letzte, worauf er setzen würde.