„Geoengineering“: Sonne verdunkeln fürs Klima? Jetzt enthüllen Briten ihre umstrittenen Experimente

Die britische Behörde Aria (Agricultural Research and Innovation Accelerator) fördert insgesamt 21 Forschungsprojekte zum sogenannten „Geoengineering“ mit einem Volumen von rund 67,5 Millionen Euro (56,8 Millionen Pfund). Das hat die Behörde in der vergangenen Woche bekanntgegeben. 

Ziel sei es herauszufinden, wie sich Geoengineering auf das Klima, die Umwelt und die Gesellschaft auswirken könnten. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen in den kommenden Jahren die Grundlage für eine Entscheidung liefern, ob und wie Geoengineering als Mittel im Kampf gegen die Folgen des Klimawandels eingesetzt werden könnte.

Kleine Spiegel in den Wolken

Im Grunde geht es beim „Geoengineering“ darum, mit technischen Mitteln in das Klimageschehen einzugreifen, um einer Erderwärmung entgegenzuwirken. Als besonders umstritten gilt das sogenannte Solar Radiation Management (SRM): Dabei soll mit technischer Hilfe ein Teil der Sonneneinstrahlung auf die Erde blockiert werden, um die Erwärmung abzubremsen. Das kann etwa durch das Versprühen von Partikeln in der Atmosphäre geschehen, die das Sonnenlicht zurück ins All reflektieren, oder auch durch riesige Spiegel im Weltraum.

Das Problem: Alle beschriebenen Ansätze sind hochkomplex, ihre Auswirkungen noch nicht vollständig erforscht. Die von Aria geförderten Projekte sollen das ändern: So wollen Forscher der Universität Oxford beispielweise herausfinden, ob das Versprühen von Salzwasser in der Arktis die dortige Eisschmelze bremsen kann. Wetterballons sollen im Himmel von Großbritannien oder den Vereinigten Staaten reflektierende Partikel ausstoßen. Und in Australien sollen die Wolken über dem bedrohten Great Barrier Reef mit Hilfe von Wassertropfen mehr Sonnenlicht abwehren können. 

Bedrohte Schönheit: Kann Geoengineering das australische Great Barrier Reef beschützen?
Bedrohte Schönheit: Kann Geoengineering das australische Great Barrier Reef beschützen? Grant Faint/The Image Bank/Getty Images

Schwierige ethische Fragen

Dabei geht es den Forschern nicht nur um rein wissenschaftliche Erkenntnisse. Mehrere Projekte widmen sich explizit auch den ethischen und gesellschaftlichen Fragen, die Geoengineering unweigerlich aufwirft. Denn Geoengineering ist ein hochsensibles Thema mit potenziell weitreichenden Folgen.

Zwar erscheint es verlockend, dem Klimawandel mit technologischen Lösungen zu begegnen. Doch die Risiken sind bislang schwer abzuschätzen. Kritiker befürchten unbeabsichtigte Nebeneffekte und eine Ablenkung von den eigentlichen Ursachen des Problems – dem Ausstoß von Treibhausgasen.

Geoengineering-Verbot? „Deutschland sollte Führung zeigen“

„Das Finanzierungsprogramm von Aria ist die bislang größte, und damit auch eine hochproblematische, Initiative zur Normalisierung von solarem Geoengineering“, sagt Frank Biermann derzeit Zennström-Gastprofessor für Klimapolitik an der Universität Uppsala in Schweden, zu FOCUS online Earth. „Aria finanziert nicht nur Modellierungsstudien, sondern auch Outdoor-Experimente, ohne jegliche internationale Absprachen und Kontrollen.“

Diese internationale Kontrolle sei jedoch dringend notwendig, so Biermann. „Deutschland sollte international Führung zeigen und sich umgehend für ein internationales Verbotsüberkommen zum solaren Geoengineering einsetzen.“ Biermann gilt als einer der prominentesten Kritiker des „Geoengineerings“, Anfang 2022 hatte der deutsche Forscher eine Initiative ins Leben gerufen, die sich für ein Verbot der umstrittenen Praxis einsetzt.  

Kein Ersatz für den wichtigsten Schritt

Ob die Menschheit tatsächlich irgendwann aktiv ins Klimasystem eingreifen wird, lässt sich heute noch nicht sagen. Zu groß sind die Unsicherheiten, zu gering das Wissen über unbeabsichtigte Nebeneffekte. Die britischen Projekte seien ein wichtiger Schritt, um das komplexe Feld des Geoengineerings besser zu verstehen, argumentieren Befürworter.

Eines betonen die Forscher jedoch ausdrücklich: Geoengineering ist kein Ersatz für die dringend notwendige Reduktion der Treibhausgase. Geoengineering-Methoden können bestenfalls eine Ergänzung sein – ein letztes Mittel, wenn alle anderen Maßnahmen nicht ausreichen.